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OGH vom 27.02.2007, 10ObS8/07k

OGH vom 27.02.2007, 10ObS8/07k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Vera Moczarski (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter, in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mustafa B*****, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Gruberstraße 77, 4020 Linz, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 94/05f-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 18 Cgs 211/05y-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Das Revisionsverfahren wird von Amts wegen fortgesetzt. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am wurde Cihad B***** als erstes Kind des Klägers und seiner Gattin geboren. Der Kläger bezog für ihn von bis Kinderbetreuungsgeld; von bis auch den Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld. Am wurde die gemeinsame Tochter Adar B***** geboren, für die die Gattin des Klägers Kinderbetreuungsgeld bezieht.

Mit Bescheid vom hat die beklagte Oberösterreichische Gebietskrankenkasse aus Anlass der Geburt des zweiten Kindes ausgesprochen, dass der Anspruch des Klägers auf Kinderbetreuungsgeld für Cihad B***** am ende, und dass die Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes sowie des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld über diesen „Zeitraum" hinaus abgewiesen werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei zur Gewährung von Kinderbetreuungsgeld an den Kläger für den Zeitraum von bis zum im gesetzlichen Ausmaß zu verpflichten.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Kinderbetreuungsgeld gebühre bei abwechselndem Bezug beider Elternteile [zwar] höchstens bis zur Vollendung des 36. Lebensmonats des Kindes. Durch den die Anspruchsdauer reglementierenden § 5 Abs 5 KBGG sei jedoch klargestellt, dass der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld spätestens mit einem neuen Anspruch für ein weiteres Kind ende. Der Wortlaut dieser Bestimmung unterscheide nicht, ob ein Elternteil für beide Kinder oder je ein Elternteil für jeweils ein Kind Kinderbetreuungsgeld beanspruche. Da er diesbezüglich neutral gehalten sei, stehe einer Subsumtion des vorliegenden Sachverhalts unter § 5 Abs 5 KBGG nichts entgegen. Dessen teleologische Interpretation führe zu dem Ergebnis, dass der Gesetzgeber beabsichtigt habe, Kinderbetreuungsgeld immer nur für ein Kind zu gewähren, sodass ein gleichzeitiger Bezug des Vaters für die Betreuung des älteren und der Mutter für die des jüngeren Kindes nach geltender Rechtslage ausgeschlossen sei. Der Oberste Gerichtshof habe - wenn auch im Zusammenhang mit Zwilligsgeburten - allgemein festgehalten, dass immer nur für ein Kind Kinderbetreuungsgeld beansprucht werden könne (10 ObS 110/04f; 10 ObS 281/03a). Entgegen der Ansicht des Klägers stütze der Kinderzuschlag bei Mehrlingsgeburten in § 3a KBGG seinen Standpunkt gerade nicht; wenn ohnehin für zwei Kinder nebeneinander Kinderbetreuungsgeld bezogen werden könnte, wäre eine lex specialis für Mehrlingsgeburten nämlich entbehrlich.

Mit ihren verfassungsrechtlichen Bedenken sei die Klage auf die weitgehende Freiheit des Gesetzgebers bei der Verfolgung familienpolitischer Ziele und den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum zu verweisen, der durch das Gleichheitsgebot nur insoweit einschränkt werde, als es dem Gesetzgeber verwehrt sei, Regelungen zu treffen, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht bestehe. Außerdem stelle diese Regelung auch keinen rechtswidrigen Eingriff in die unmittelbare Persönlichkeitssphäre dar, da die Entscheidung bezüglich der Kinderbetreuung nach wie vor den Eltern vorbehalten bleibe. Die Gerichte seien an die geltenden Gesetze gebunden und könnten auch sozialpolitisch Erstrebenswertes nicht aufgreifen. Derartige Überlegungen oblägen dem Gesetzgeber. Der Anspruch des Klägers auf Kinderbetreuungsgeld habe daher mit der Geburt des nachfolgenden Kindes - egal durch welchen Elternteil es betreut werde - geendet.

Das Berufungsgericht gab der - das Klagevorbringen wörtlich wiederholenden - Berufung des Klägers nicht Folge. Es erachtete die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig und verwies gemäß § 500a ZPO auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Ersturteils. Auch das Gericht zweiter Instanz berief sich auf die beiden schon vom Erstgericht zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (10 ObS 281/03a und 10 ObS 110/04f), wonach der Gesetzgeber bei Verfolgung famlienpolitischer Ziele weitgehend frei sei, sodass in der Beschränkung des Kinderbetreuungsgeldes auf ein Kind nach § 5 Abs 5 KBGG keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erblickt werden könne. Die vom Kläger ins Treffen geführte Ansicht der Lehre, familienpolitische Ziele rechtfertigten einen gleichzeitigen Bezug von Kinderbetreuungsgeld durch beide Elternteile (Ehmer/Lamplmayr/Mayr/Nöstlinger/Reiter/Stummer, KBGG, 63 f), betreffe eine andere Fallkonstellation. Da Pflege- und Adoptivkinder leiblichen Kindern gleichgestellt seien und das Kinderbetreuungsgeld als Familienleistung ausgestaltet sei, müsse auch die von der Lehre (aaO 64) erhobene Forderung nach einer Anspruchshäufung bei Pflege-/Adoptivkindern abgelehnt werden.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des gleichzeitigen Bezugs von Kinderbetreuungsgeld durch beide Elternteile für je ein Kind fehle. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Berufungsurteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom , 10 ObS 40/06i, die Revision der Klägerin aus den vom Berufungsgericht genannten Grund und auch deshalb, weil Bedenken gegen die Verfassungskonformität der präjudiziellen Bestimmung des § 5 Abs 5 KBGG bestehen, für zulässig angesehen und beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 B-VG den Antrag gestellt, § 5 Abs 5 KBGG, BGBl I 2001/103, als verfassungswidrig aufzuheben. Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wurde gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten. Der Verfassungsgerichtshof wies mit seinem Erkenntnis vom , G 43/06-6, G 44/06-6, gleichlautende Gesetzesprüfungsanträge des Obersten Gerichtshofes in zwei Paralellverfahren ab, weil er die in diesen Gesetzesprüfungsanträgen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken, die inhaltlich den hier geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken entsprechen, nicht teilte. Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom , 10 ObS 40/06i, den im vorliegenden Verfahren gestellten inhaltsgleichen Gesetzesprüfungsantrag zurückgezogen. Der Verfassungsgerichtshof hat daraufhin mit Beschluss vom , G 105/06-5, G 114/06-5, das Verfahren eingestellt, sodass nunmehr das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen und über die Revision des Klägers zu entscheiden ist.

Die vom Kläger in seiner Revision gegen die hier maßgebende Bestimmung des § 5 Abs 5 KBGG vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken sind im Hinblick auf das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom nicht berechtigt. Im Übrigen kann gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes verwiesen werden. Es wurde vom Obersten Gerichtshof bereits in seinem Beschluss vom , 10 ObS 40/06i, näher begründet, warum die vom Kläger angestrebte teleologische Reduktion der Bestimmung des § 5 Abs 5 KBGG dahin, dass der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld mit einem neuen Anspruch für ein weiteres Kind nur in jenen Fällen ende, in denen ein und dieselbe Person die Kinderbetreuung vornehme bzw das Kinderbetreuungsgeld durch Antragstellung beanspruche, nicht in Betracht kommt.

Nach § 6 Abs 1 KBGG ruht der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, sofern ein Anspruch auf Wochengeld oder eine andere gleichartige Leistung besteht. Nach der durch die Bestimmung des § 6 Abs 1 letzter Satz KBGG idF BGBl I 2002/20 (nunmehr § 6 Abs 2 KBGG idF BGBl I 2005/100) erfolgten Klarstellung bezieht sich das Ruhen des Kinderbetreuungsgeldes bei Wochengeldbezug ausschließlich auf den Wochengeldbezug für das Kind, für welches Kinderbetreuungsgeld bezogen wird. Entsteht daher während des Kinderbetreuungsgeldbezuges ein Anspruch auf Wochengeld anlässlich der Geburt eines weiteren (jüngeren) Kindes, so gebührt das Kinderbetreuungsgeld weiter bis zu dem der Geburt des jüngeren Kindes vorangehenden Tag. Die in § 6 Abs 1 letzter Satz KBGG normierte Ausnahme vom Ruhen des Anspruches auf Kinderbetreuungsgeld bezieht sich daher nur auf Wochengeldansprüche vor der Geburt eines Kindes (vgl RV 828 Blg NR XXI. GP 4). Der Anspruch des Klägers auf Kinderbetreuungsgeld für den (älteren) Sohn Cihad endete daher nach zutreffender Rechtsansicht der Vorinstanzen mit dem der Geburt der (jüngeren) Tochter Adar vorangehenden Tag (). Gegen dieses Ergebnis bestehen auch beim erkennenden Senat unter Berücksichtigung des nunmehr vorliegenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , G 43/06-6, G 44/06-6, und des grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers bei der Gewährung von Familienleistungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (10 ObS 9/07g).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.