OGH vom 04.09.1985, 9Os30/85
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Felzmann und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gitschthaler als Schriftführer in der Strafsache gegen Monika A wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom , GZ. 19 Vr 1129/83-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Gehart, der Angeklagten und des Verteidigers Dr. Strasser zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Monika A, die in St. Valentin einen Kleinhandel mit Papier- und Schreibwaren (sowie den Buchhandel) betreibt, von der gegen sie erhobenen Anklage wegen Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a und (insoweit unrichtig) § 33 Abs. 1 FinStrG. gemäß § 214 FinStrG. freigesprochen.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hat die Genannte, nachdem sie schon zweimal (1979 und 1981) wegen gleichartiger Abgabenhinterziehungen (vom Finanzamt) bestraft worden war (§ 41 FinStrG.), für die Monate Jänner bis Mai, September, Oktober und Dezember 1982 (wiederum) die vorgeschriebenen Umsatzsteuervoranmeldungen nicht (rechtzeitig) abgegeben und die Vorauszahlungen an Umsatzsteuer erst nach deren (sohin notwendig gewordener) Festsetzung durch das Finanzamt entrichtet. Das Erstgericht ging davon aus, daß die Angeklagte mit der Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen durch das Finanzamt nach Verstreichen der Voranmeldungsfrist rechnete und die Vorauszahlungen lediglich hinausschieben wollte; daraus leitete es ab, daß ihr (subjektiv) kein 'Verkürzungsvorsatz' zur Last falle. Aber auch objektiv sei eine Abgabenverkürzung nicht eingetreten, zumal zwar die festgesetzten Vorauszahlungen (allein schon) für die in Rede stehenden (acht) Kalendermonate des Jahres 1982 den (der Anklage als Verkürzungsbetrag zugrundegelegten) Betrag von insgesamt 139.767 S ausmachen, im späteren Veranlagungsbescheid aber die Umsatzsteuer für das (ganze) Jahr 1982 - nach Abzug von Vorsteuerbeträgen - nur mit 42.716 S festgesetzt wurde. Im Hinblick darauf, daß das Verhalten der Angeklagten (immerhin) geeignet sei, den Tatbestand einer Finanzordnungswidrigkeit zu erfüllen, gelangte das Gericht zum Freispruch wegen Unzuständigkeit der Gerichte.
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft. Soweit die Anklagebehörde mit Beziehung auf den erstangeführten Nichtigkeitsgrund (Z. 5) rügt, die Annahme des Fehlens eines Verkürzungsvorsatzes stehe mit den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht im Einklang, zeigt sie keinen Widerspruch in der Tatsachenfeststellung selbst, sondern - ebenso wie mit ihrer Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) - eine verfehlte Auslegung des Verkürzungsbegriffs durch das Erstgericht auf; dies zu Recht:
Rechtliche Beurteilung
Unter der gemeinsamen Bezeichnung 'Abgabenhinterziehung' normiert § 33 FinStrG. als kumulativer Mischtatbestand in den Absätzen 1 und 2 (sowie im Absatz 4) verschiedene Einzeltatbestände (EvBl. 1984/107). Der Tatbestand des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. setzt in objektiver Beziehung voraus, daß der Täter unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer bewirkt. Gemäß § 21 UStG. 1972 (in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1980 BGBl. Nr. 563) ist vom Unternehmer spätestens am zehnten Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung beim Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuß selbst zu berechnen hat, und eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für alle Abgaben, die - wie die Umsatzsteuervorauszahlungen - selbst zu berechnen sind, gilt die Legaldefinition, daß eine Abgabenverkürzung bewirkt ist, wenn die Abgabe ganz oder teilweise nicht entrichtet (abgeführt) wurde (§ 33 Abs. 3 lit. b FinStrG.). Das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. ist sohin vollendet, wenn die Vorauszahlung nicht spätestens am oben genannten Fälligkeitstag entrichtet wird; die bescheidmäßige Festsetzung der Vorauszahlung durch das Finanzamt nach Ablauf der Voranmeldungs-(zugleich Vorauszahlungs-)frist (§ 21 Abs. 3 UStG. 1972) vermag an der schon durch die Nichtentrichtung der Vorauszahlung bei Fälligkeit bewirkten Abgabenverkürzung nichts zu ändern, setzt sie diese doch geradezu voraus (SSt. 53/10 und die dort zitierte Literatur und Rechtsprechung).
Das Schöffengericht hat daher, wie die Anklagebehörde zutreffend rügt, das Wesen der vorliegend in Betracht kommenden Bewirkung einer Abgabenverkürzung nach § 33 Abs. 3 lit. b FinStrG. verkannt, indem es von der irrigen Rechtsansicht ausging, das bloße (wenngleich absichtliche) Hinausschieben der Umsatzsteuervorauszahlungen bis nach deren bescheidmäßiger Festsetzung bedeute noch keine Abgabenverkürzung.
Da nach dem Gesagten eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer schon dann bewirkt ist, wenn solche pflichtwidrig nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wurden, hätte es der Feststellung bedurft, ob für die von der Anklage erfaßten Voranmeldungszeiträume jeweils bei ordnungsgemäßer Berechnung eine Vorauszahlung zu entrichten gewesen wäre. Wenn nämlich die gemäß § 21 Abs. 1 UStG. 1972 vorzunehmende monatliche Berechnung einen Überschuß (der in den Voranmeldungszeitraum fallenden abziehbaren Vorsteuerbeträge über die nach der Summe der Umsätze berechnete Steuer) ergeben hätte, wäre für den betreffenden Voranmeldungszeitraum eine Umsatzsteuervorauszahlung nicht zu entrichten gewesen. Durch Nichtentrichtung kann aber eine selbst zu berechnende Abgabe nur dann verkürzt sein, wenn eine solche bei richtiger Berechnung überhaupt zu entrichten gewesen wäre. Die Festsetzung von Vorauszahlungen durch das Finanzamt sagt darüber im gegebenen Fall nichts aus, weil in den vom (geschätzten) Umsatz ausgehenden Festsetzungsbescheiden abziehbare Vorsteuerbeträge in der Regel nicht berücksichtigt worden sind.
Auf der subjektiven Tatseite ist das Erstgericht zwar ersichtlich davon ausgegangen, daß die Angeklagte für die im Urteil bezeichneten Kalendermonate entweder überhaupt keine oder doch verspätete Umsatzsteuervoranmeldungen erstattet hat, obwohl ihr die Verpflichtung zur Abgabe solcher Voranmeldungen nicht zuletzt auf Grund finanzbehördlicher Vorabstrafungen bekannt war; ob sie es jedoch auch - wie dies der subjektive Tatbestand des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. erfordert - für gewiß gehalten hat, daß durch die Unterlassung fristgerechter Umsatzsteuervorauszahlungen jeweils für den betreffenden Voranmeldungszeitraum eine Abgabenverkürzung im dargelegten Sinn bewirkt wird, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Verfahrenserneuerung in erster Instanz anzuordnen.
Im zweiten Rechtsgang wird gegebenenfalls zu beachten sein, daß zwar der Tatbestand der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG. - anders als jener nach § 33 Abs. 1 FinStrG., für welchen Vorsatz in jeder Form (§ 8 Abs. 1 FinStrG.) genügt - Wissentlichkeit in bezug auf die Bewirkung einer Abgabenverkürzung (dem Grunde nach) erfordert, daß aber die konkrete (nach den dargelegten Grundsätzen zu ermittelnde) Höhe des Verkürzungsbetrages als (außerhalb des Tatbestands gelegener) strafbestimmender Wertbetrag nicht von einem wie immer gearteten Vorsatz des Täters umfaßt zu sein braucht; der Verkürzungsbetrag bildet im vorliegenden Fall nur einen Faktor der Strafrahmenobergrenze für die angedrohte Geldstrafe (§ 33 Abs. 5, hier in Verbindung mit § 41 Abs. 1 FinStrG.) und ist als solcher (gleichwie als nach § 53 FinStrG. sonst und im allgemeinen einschränkend wirkende Voraussetzung gerichtlicher Strafbarkeit) rein objektiv determiniert (EvBl. 1983/75 u.a.).