OGH vom 14.05.2020, 9Nc7/20h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. E*****, und 2. A*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Walter Schuhmeister und Mag. Franz Haydn, Rechtsanwälte in Schwechat, gegen die beklagte Partei F*****, Ägypten, wegen 895,62 EUR sA, über den Ordinationsantrag der klagenden Parteien den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Schwechat bestimmt.
Text
Begründung:
Die Kläger streben die Verpflichtung des beklagten Luftfahrtunternehmens mit dem Sitz in Cairo (Ägypten) zur Zahlung von 895,62 EUR sA an und berufen sich dabei auf die Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Anullierung oder großer Verspätung von Flügen. Der von der Beklagten auszuführende Flug von Graz nach Hurghada am habe sich aus allein von der Beklagten zu vertretenden Gründen um mehr als drei Stunden verspätet.
Das Bezirksgericht GrazOst wies die Klage mangels internationaler Zuständigkeit zurück. Dieser Zurückweisungsbeschluss ist infolge eines Rechtsmittelverzichts der Kläger rechtskräftig.
Die Kläger beantragen beim Obersten Gerichtshof gemäß § 28 JN unter Anschluss der Klage die Ordination eines örtlich zuständigen Gerichts in Österreich. Der Abflugsort war in Österreich (Graz) gelegen, womit jedenfalls ein Naheverhältnis zum Inland bestehe. Die Rechtsverfolgung am Sitz der Beklagten in Ägypten sei aussichtslos, unmöglich bzw unzumutbar. Der Verfahrensaufwand wäre unverhältnismäßig, zudem bestehe zwischen Österreich und Ägypten kein Abkommen über die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen nach der Fluggastrechteverordnung. Die Kläger beabsichtigen eine Exekutionsführung in Österreich, insbesondere auf Vermögensgegenstände, die von der Beklagten im Zuge ihrer Geschäftstätigkeit immer wieder nach Österreich verbracht würden (insbesondere Flugzeuge und sonstige Betriebsmittel) bzw auf Forderungen, die der Beklagten aus ihrer Geschäftstätigkeit in Österreich und gegen Schuldner in Österreich erwachsen.
Rechtliche Beurteilung
Die Voraussetzungen für die von den Klägern beantragte Ordination durch den Obersten Gerichtshof sind gegeben.
1. Das Erstgericht hat die internationale Zuständigkeit verneint. Diese Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen. An diese rechtskräftige Entscheidung ist der Oberste Gerichtshof gebunden (RS0046443; RS0046568). Die bereits erfolgte Zurückweisung der Klage steht dem Ordinationsantrag nicht grundsätzlich entgegen, weil im Fall seiner Stattgebung die Klage neu beim ordinierten Gericht einzubringen wäre (2 Nc 12/19s mwN).
2.1 Für den Fall, dass für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, bestimmt § 28 Abs 1 Z 2 JN, dass der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen hat, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre.
2.2 § 28 Abs 1 Z 2 JN soll Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines Gerichtsstands im Inland ein Bedürfnis nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes vorhanden ist, weil ein Naheverhältnis zum Inland besteht und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland nicht gegeben ist (8 Nc 16/19y mwN).
3. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Rechtsverfolgung in Ägypten ist unzumutbar, weil eine Exekutionsführung im Inland geplant ist, die ausländische Entscheidung mangels eines Abkommens zwischen Österreich und Ägypten über die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen nach der Fluggastrechteverordnung aber nicht vollstreckt würde (7 Nc 29/19b mwN).
4. Dem Ordinationsantrag ist daher stattzugeben, was auch unionsrechtlichen Überlegungen (effet util) entspricht (4 Nc 11/19h; 7 Nc 23/19w).
5. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts erfolgt nach den Kriterien der Parteinähe (Wohnsitz der Parteien) und der Zweckmäßigkeit (RS0106680 [T13]).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0090NC00007.20H.0514.000 |
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