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VfGH vom 19.02.2015, E60/2015

VfGH vom 19.02.2015, E60/2015

Leitsatz

Entzug des gesetzlichen Richters durch einen Beschluss eines Landesverwaltungsgerichtes über die Zurückweisung der Beschwerde einer Mitbewerberin um die Leiterstelle an einer Volksschule; Parteistellung der in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber; keine Änderung dieser Auffassung nach Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit

Spruch

I. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Beschluss im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Beschluss wird aufgehoben.

II. Das Land Burgenland ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Die Beschwerdeführerin steht als Vertragslehrerin in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Land Burgenland. Ihre Dienststelle ist die Berufsschule Oberwart. Die Beschwerdeführerin bewarb sich – mit zwei weiteren Personen – um die im Verordnungsblatt des Landesschulrates für Burgenland vom ausgeschriebene Leiterstelle an selbiger Berufsschule. In den vom Kollegium des Landesschulrates für Burgenland erstatteten Besetzungsvorschlag wurden zwei dieser Personen aufgenommen, darunter die Beschwerdeführerin als an zweiter Stelle gereihte. Mit Bescheid des Landesschulrates für Burgenland vom wurde die Leiterstelle dem (an erster Stelle gereihten) Mitbewerber der Beschwerdeführerin verliehen und die Bewerbung der Beschwerdeführerin abgewiesen.

Das Landesverwaltungsgericht Burgenland wies die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom mit der Begründung als unzulässig zurück, dass der Beschwerdeführerin allein ein subjektives Recht auf Ernennung eines in den Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerbers zukomme, dieses Recht aber auf Grund der Ernennung des in den Besetzungsvorschlag aufgenommenen Mitbewerbers nicht verletzt worden sei.

2. In ihrer gegen diese Entscheidung gerichteten, auf Art 144 B VG gestützten Beschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Das Landesverwaltungsgericht Burgenland legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor.

Die beteiligte Partei erstattete eine Äußerung.

II. Rechtslage

1. § 26 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG 1984), BGBl 302, idF BGBl I 55/2012, lautet – auszugsweise – wie folgt:

"Schulleiter

§26. (1) Leiterstellen der Volksschulen, der Neuen Mittelschulen, der Hauptschulen und der als selbstständige Schulen geführten Sonderschulen und Polytechnischen Schulen sowie der Berufsschulen sind – ausgenommen im Falle des Diensttausches (§20) von Inhabern solcher Stellen oder im Falle von Betrauungen gemäß § 27 Abs 2 letzter Satz – im Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren zu besetzen.

[…]

(5) Für jede einzelne ausgeschriebene Stelle sind von den landesgesetzlich hiezu berufenen Organen aus den Bewerbungsgesuchen Besetzungsvorschläge zu erstatten.

(6) In jeden Besetzungsvorschlag sind bei mehr als drei Bewerbern drei, bei drei oder weniger solchen Bewerbern alle diese Bewerber aufzunehmen und zu reihen. Bei der Auswahl und Reihung ist zunächst auf die in der Ausschreibung allenfalls angeführten zusätzlichen fachspezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten, dann auf die Leistungsfeststellung und auf die in dieser Schulart zurückgelegte Verwendungszeit Bedacht zu nehmen. Die Landesgesetzgebung kann hiezu nähere Bestimmungen erlassen, wobei zusätzliche Auswahlkriterien festgelegt werden können. Weiters können die vorschlagsberechtigten Kollegien der Schulbehörden des Bundes in den Ländern nähere Bestimmungen sowie zusätzliche Auswahlkriterien durch Richtlinien für die Erstellung ihrer Besetzungsvorschläge festlegen, wobei allfällige landesgesetzliche Vorschriften zu beachten sind. Bei weniger als drei geeigneten Bewerbern kann die neuerliche Ausschreibung der Stelle vorgeschlagen werden.

(7) Die Leiterstelle kann von der zur Verleihung zuständigen Behörde nur einem in den Besetzungsvorschlag, sofern jedoch mehrere Besetzungsvorschläge landesgesetzlich vorgesehen sind, in alle Besetzungsvorschläge aufgenommenen Bewerber verliehen werden.

[…]"

2. § 2 Abs 3 Landesvertragslehrpersonengesetz 1966 (LVG), BGBl 172, idF BGBl I 24/2013, lautet wie folgt:

"Bei der Besetzung von Leiterstellen ist das in den §§26 und 26a des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984 vorgesehene Auswahl- und Besetzungsverfahren auf Landesvertragslehrpersonen mit der Maßgabe anzuwenden, dass Bewerbungen von Landesvertragslehrpersonen, die die Ernennungserfordernisse für die betreffende Stelle erfüllen, zulässig sind. An die Stelle des Reihungskriteriums 'Leistungsfeststellung' tritt für Landesvertragslehrpersonen die bisherige Bewährung bei der Erfüllung pädagogischer Aufgaben (Erfolge im Unterricht und in der Erziehung) und administrativer Aufgaben an Schulen."

3. §§3 und 6 Bgld. Landeslehrerinnen und -lehrer Diensthoheitsgesetz 1995 (Bgld. LDHG), LGBl 62, idF LGBl 35/2013, lauten – auszugsweise – wie folgt:

"§3 Kollegium des Landesschulrates

Dem Kollegium des Landesschulrates obliegt

[…]

c) die Erstattung von Besetzungsvorschlägen für die Verleihung von Leiterinnen- und Leiterstellen gemäß § 26 Abs 5 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 mit den damit verbundenen Ernennungen auf eine andere Planstelle gemäß § 8 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984;

[…]

§6 Landesschulrat

Dem Landesschulrat obliegt die Durchführung der nicht in den §§2 bis 5 angeführten Maßnahmen, insbesondere

[…]

f) die Verleihung von Leiterinnen- und Leiterstellen gemäß § 26 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 mit den damit verbundenen Ernennungen auf eine andere Planstelle gemäß § 8 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984. Der Landesschulrat kann eine Leiterinnen- und Leiterstelle an Volks-, Haupt- und Sonderschulen sowie an Polytechnischen Schulen nur an eine Bewerberin oder einen Bewerber verleihen, die oder der im Besetzungsvorschlag des Kollegiums des Bezirksschulrates und im Besetzungsvorschlag des Kollegiums des Landesschulrates aufscheint. Eine Leiterinnen- und Leiterstelle an Berufschulen kann er nur an eine Bewerberin oder einen Bewerber verleihen, die oder der im Besetzungsvorschlag des Kollegiums des Landesschulrates aufscheint."

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes verletzt, wenn das Verwaltungsgericht eine ihm gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn es in gesetzwidriger Weise seine Zuständigkeit ablehnt, etwa indem es zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

3. Wie der Verfassungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen (vgl. zB VfSlg 12.782/1991, 15.926/2000, 19.061/2010; jüngst auch im Lichte der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ) ausgesprochen hat, kommt Bewerbern im Verfahren zur Verleihung einer Schulleiterstelle – ungeachtet der Rechtsnatur ihres Dienstverhältnisses (vgl. VfSlg 19.670/2012) – Parteistellung iSd § 3 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG) bzw. § 8 AVG zu, wenn sie in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag aufgenommen wurden. Die in einen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber bilden eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft; sie haben ein Recht auf Teilnahme an dem durch den Besetzungsvorschlag konkretisierten Verwaltungsverfahren. Aus rechtsstaatlicher Sicht kann die Verwaltungsbehörde nicht als befugt angesehen werden, durch einen der Rechtskontrolle nicht unterworfenen Verleihungsakt unter den in den gesetzlich vorgesehenen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerbern eine Auswahl zu treffen.

4. Die Beschwerdeführerin war in den (verbindlichen) Besetzungsvorschlag des Kollegiums des Landesschulrates für Burgenland aufgenommen. Daher kam ihr im Verfahren zur Verleihung der Schulleiterstelle Parteistellung zu.

5. Da das Landesverwaltungsgericht Burgenland mit der bekämpften Entscheidung die Parteistellung verneinte und ihre Beschwerde als unzulässig zurückwies, verweigerte es der Beschwerdeführerin gegenüber zu Unrecht eine Sachentscheidung.

IV. Ergebnis

1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Beschluss im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Beschluss ist daher aufzuheben.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88a Abs 1 iVm § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:E60.2015