VfGH vom 28.02.1991, b41/91

VfGH vom 28.02.1991, b41/91

Sammlungsnummer

12643

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit durch Versagung der Zulassung als Besamungstechniker für die Rinderzucht mangels eines weiteren Bedarfs; verfassungskonforme Auslegung des § 12 Abs 3 Sbg RinderzuchtG möglich

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Salzburg ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit 15.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Salzburger Landesregierung gab mit Bescheid vom dem Ansuchen des Beschwerdeführers um Zulassung als Besamungstechniker für die Gemeindegebiete Großarl und Hüttschlag gemäß § 12 Abs 2 des Salzburger Rinderzuchtgesetzes, LGBl. 86/1971, idF der Novelle LGBl. 83/1988, keine Folge.

Der Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß für die Gebiete der Gemeinden Großarl und Hüttschlag bereits ein Besamungstechniker zugelassen sei. Es bestehe kein Bedarf iS des § 12 Abs 3 des Sbg. RinderzuchtG für einen weiteren Besamungstechniker (Unterstreichung im Original).

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die Salzburger Landesregierung legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. § 12 des Salzburger Rinderzuchtgesetzes, LGBl. 86/1971, idF der Novelle LGBl. 83/1988, lautet auszugsweise:

"Berechtigung zur künstlichen Besamung

§12

(1) Die künstliche Besamung (technische Samenübertragung) zum Zwecke der Rinderzucht darf, unbeschadet der bundesgesetzlichen Vorschriften über die künstliche Besamung von Rindern zur Bekämpfung von Deckseuchen nur durch zur Berufsausübung in Österreich berechtigte Tierärzte oder von der Landesregierung zugelassene Besamungstechniker oder Eigenbestandsbesamer vorgenommen werden.

(2) Als Besamungstechniker dürfen nur eigenberechtigte Personen zugelassen werden, die die erforderliche Verläßlichkeit und fachliche Eignung besitzen. Der Nachweis der fachlichen Eignung ist durch den Besuch und erfolgreichen Abschluß eines Ausbildungskurses an der Bundesanstalt für künstliche Besamung in Wels oder an einer durch Verordnung der Landesregierung nach Anhörung der Landeskammer der Tierärzte Salzburgs und der Kammer für Land- und Forstwirtschaft in Salzburg hiefür als geeignet erklärten inländischen Ausbildungsstätte zu erbringen. Eine Ausbildungsstätte ist dann als geeignet zu erklären, wenn sie personell und technisch entsprechend ausgestattet und sichergestellt ist, daß ihr Ausbildungskurs nur dann erfolgreich abgeschlossen werden kann, wenn die für die künstliche Besamung nach dem Stand der veterinärmedizinischen Erkenntnisse erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten erworben wurden.

(3) Besamungstechniker sind auf Antrag für einen Zeitraum von jeweils zehn Jahren und für ein gemeindeweise zu bestimmendes Gebiet, in dem ein Bedarf besteht, zuzulassen. Ein Bedarf ist dann als gegeben anzusehen, wenn die künstliche Besamung am Hof durch Tierärzte nicht im ausreichenden Umfang durchgeführt wird oder auf Grund großer Entfernung vom Sitz des Tierarztes unverhältnismäßige Kosten verursacht. Vor der Erteilung einer Zulassung sind die Landwirtschaftskammer, die Kammer der Tierärzte Salzburgs und die in Betracht kommenden Gemeinden (Gemeindevertretungen) zu hören. Eine Prüfung des Bedarfes entfällt, wenn die genannten beruflichen Interessenvertretungen und die Gemeinden der Zulassung vorbehaltlos und ausdrücklich zugestimmt haben.

(4) . . .".

2.a) Der angefochtene Bescheid versagt dem Beschwerdeführer die beantragte Zulassung als Besamungstechniker, weil für die in Rede stehenden Gemeinden (neben den dieses Gebiet betreuenden Tierärzten) bereits ein Besamungstechniker zugelassen ist und nach Auffassung der belangten Behörde kein Bedarf für einen weiteren Besamungstechniker bestehe.

b) Ein Bescheid, mit dem die Erteilung einer Befugnis für eine bestimmte Erwerbstätigkeit versagt wird, greift in den Schutzbereich des Grundrechts der Erwerbsausübungsfreiheit (Art6 StGG) ein (vgl. etwa VfSlg. 10932/1986).

Ein solcher Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre, wenn er auf einer dem Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit widersprechenden Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte; ein solcher Fall liegt vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begeht, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen ist, oder wenn sie einem Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt, der, hätte ihn das Gesetz, dieses als die Erwerbsausübungsfreiheit verletzend verfassungswidrig machen würde ( mwH).

c) Die belangte Behörde ist bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, daß sie vor Zulassung des Beschwerdeführers als Besamungstechniker zu prüfen habe, ob ein Bedarf nach einem zusätzlichen Besamungstechniker bestehe; ihrer Ansicht nach ist ein solcher (zusätzlicher) Bedarf nicht gegeben (und daher ein Zulassungsansuchen abzuweisen), wenn bereits der (die) zugelassene(n) Besamungstechniker (gemeinsam mit den das Gebiet betreuenden Tierärzten) den vorhandenen Bedarf zu decken vermag (vermögen).

d) Hätte § 12 Abs 3 des Sbg. RinderzuchtG den Inhalt, die Zulassung als Besamungstechniker auszuschließen, wenn der Bedarf nach der angestrebten Tätigkeit durch einen anderen (durch andere) bereits zugelassene(n) Besamungstechniker gedeckt ist, so wäre eine solche Bestimmung jedoch verfassungswidrig.

Beschränkungen der Erwerbsausübungsfreiheit sind nämlich nur zulässig, wenn sie durch ein öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind (VfSlg. 10179/1984, 10932/1986, 11276/1987 uva). Errichtet das Gesetz eine Schranke schon für den Antritt eines Gewerbes, die der Betroffene, der alle subjektiven Voraussetzungen erfüllt, aus eigener Kraft nicht überwinden kann - eine Schranke wie sie etwa eine Bedarfsprüfung darstellt -, so liegt grundsätzlich ein schwerer Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsfreiheit vor, der nur angemessen ist, wenn dafür besonders wichtige öffentliche Interessen sprechen und wenn keine Alternativen bestehen, um den erstrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber die Grundrechte weniger einschränkenden Weise zu erreichen (VfSlg. 11483/1987, 11749/1988).

Solche besonders wichtigen öffentlichen Interessen liegen aber hier nicht vor. Inbesondere besteht in diesem Bereich auch kein besonderes öffentliches Interesse an einem Schutz der bestehenden Unternehmungen (bereits rechtmäßig am Erwerbsleben Teilnehmender) vor Konkurrenz (wie dies der Verfassungsgerichtshof etwa für Apotheken (VfSlg. 10386/1985 und 10692/1985), für Tierkörperverwertungsanstalten (VfSlg. 9869/1983) und im Interesse des Schutzes von Einlegern und sonstigen Gläubigern bei Kreditunternehmungen () angenommen hat).

e) Der Wortlaut des § 12 Abs 3 Sbg. RinderzuchtG

schließt es aber geradezu aus, dem Gesetz zu unterstellen, es normiere (im Wege der Bedarfsprüfung) einen Konkurrenzschutz für bereits zugelassene Besamungstechniker. Der zweite Satz dieser Gesetzesbestimmung ("Ein Bedarf ist dann als gegeben anzusehen, wenn die künstliche Besamung am Hof durch Tierärzte nicht im ausreichenden Umfang durchgeführt wird oder auf Grund großer Entfernung vom Sitz des Tierarztes unverhältnismäßige Kosten verursacht.") stellt nämlich bei der Prüfung des Bedarfs ausschließlich auf die Versorgung der betreffenden Gemeinden durch Tierärzte ab.

§ 12 Abs 3 des Sbg. RinderzuchtG bringt nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs lediglich die Subsidiarität der Besamungstechniker gegenüber den Tierärzten zum Ausdruck. Der normative Gehalt dieser Bestimmung ist es, die Zulassung als Besamungstechniker davon abhängig zu machen, daß Tierärzte den Bedarf nach Durchführung der künstlichen Besamung nicht ausreichend decken (vgl. zur Frage der Subsidiarität , S 6 f.).

Diese Interpretation führt zu keinem verfassungswidrigen Ergebnis. Der Gerichtshof ist nämlich der Auffassung, daß sich der Vorrang der (akademisch veterinärmedizinisch umfassend ausgebildeten) Tierärzte gegenüber Besamungstechnikern sachlich rechtfertigen läßt und daß darin keine übermäßige Beeinträchtigung der Erwerbsausübungsfreiheit Dritter zu erblicken ist (vgl. zB VfSlg. 11494/1987, betreffend den Postvorbehalt, sowie VfSlg. 5648/1967, betreffend den Primat der öffentlichen Apotheken gegenüber den hausapothekenführenden Ärzten).

f) Die in Rede stehende Bestimmung ist somit einer verfassungskonformen Deutung zugänglich. Indem die Salzburger Landesregierung bei Erlassung des angefochtenen Bescheides der Norm aber nicht diesen verfassungsrechtlich unbedenklichen, sondern fälschlicherweise einen verfassungswidrigen Inhalt beigemessen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Verfassungswidrigkeit belastet (vgl. zB , S 7).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VerfGG. Vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 2.500 S auf die Umsatzsteuer.