OGH vom 26.02.2016, 9Nc5/16h

OGH vom 26.02.2016, 9Nc5/16h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ernst Kohlbacher, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei S***** B*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Dr. Herwig Mayrhofer ua, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 15.600 EUR sA, über den Delegierungsantrag der beklagten Partei den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag der beklagten Partei, anstelle des Landesgerichts Salzburg als Arbeits und Sozialgericht das Arbeits und Sozialgericht Wien zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache des Landesgerichts Salzburg als Arbeits und Sozialgericht AZ 15 Cga 88/15d zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Mit ihrer am beim Landesgericht Salzburg als Arbeits und Sozialgericht eingebrachten Klage begehrt die in ***** (Sbg) ansässige Klägerin vom in Wien wohnhaften Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe wegen mehrfacher Verstöße gegen das in seinem Agentenvertrag vereinbarte Wettbewerbsverbot. Zum Beweis ihres Vorbringens führt die Klägerin die Einvernahme ihrer Geschäftsführerin pA der Klägerin sowie von sechs Zeugen an.

Der Beklagte bestreitet, beantragt Klagsabweisung und bringt ua vor, bei der Klägerin nicht als selbständiger Handelsvertreter, sondern als Angestellter tätig gewesen zu sein. Ein Konkurrenzverhältnis sei nicht vorgelegen. Es werde die Delegierung der Rechtssache an das Arbeits- und Sozialgericht Wien beantragt, weil der Beklagte dort seinen Lebensmittelpunkt habe und der Großteil der im Verfahren beantragten Zeugen aus dem Bereich Wien und Wien-Umgebung komme.

In der vorbereitenden Tagsatzung wurde der Antrag erörtert und für den Fall der Verfahrensfortsetzung beim Erstgericht auch das Prozessprogramm festgelegt.

Die Klägerin sprach sich gegen die Delegierung aus. Die vom Beklagten geführten Zeugen müssten großteils nicht gehört werden, weil sie nichts zur Sache beitragen könnten. Die Geschäftsführerin der Klägerin sei per Sitz der Gesellschaft in Salzburg zu laden. Ihre Kosten würden sich mit dem doppelten Einheitssatz unnötig erhöhen. Das Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht sei auch mit den Rechtsangelegenheiten und regelmäßig gleichlautenden Vertragsgrundlagen und Provisions-abrechnungen der Klägerin seit Jahren vertraut.

Auch das Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht gab im Ergebnis nach Abwägung von Für und Wider eine negative Stellungnahme ab. In der Gerichtsabteilung sei auch ein anderes Verfahren der Klägerin mit gleichlautenden rechtlichen Themen anhängig. Keiner der Parteienvertreter habe seinen Kanzleisitz in Wien.

Am übermittelte das Landesgericht Salzburg als Arbeits und Sozialgericht im Nachhang eine von der Klägerin am gegen den Beklagten und einen weiteren Vermögensberater am Handelsgericht Wien eingebrachte Klage. Verbunden mit dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung begehrt die Klägerin darin von den Beklagten im Wesentlichen die Unterlassung der Kundenabwerbung (§§ 1, 2 UWG). Bezüglich der örtlichen Zuständigkeit wurde die Klage dort auf § 83c Abs 1 JN gestützt.

Rechtliche Beurteilung

Folgendes war zu erwägen:

Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (stRsp; RIS Justiz RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung, eine Kostenverringerung oder eine Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (RIS Justiz RS0046333). Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung, dass die Delegierung gegen den Willen der anderen Partei nur dann auszusprechen ist, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RIS Justiz RS0046589; RS0046324 ua).

Im vorliegenden Fall führt die Klägerin die Einvernahme ihrer Geschäftsführerin pA der Klägerin sowie sechs Zeugen an, von denen drei in Wien und zwei in Wien-Umgebung wohnhaft sind. Der Klagevertreter selbst hat seinen Kanzleisitz in Salzburg. Der Beklagte wohnt in Wien und führt sechs in Wien wohnhafte Zeugen an. Der Beklagtenvertreter hat seinen Kanzleisitz in Dornbirn. Der Großteil der Zeugen ist damit tatsächlich in Wien ansässig. Im Hinblick auf die Möglichkeit ihrer Einvernahme im Wege der Videokonferenz sind bei einer Verfahrensführung in Salzburg jedoch keine höheren (zB Fahrt-)Kosten zu erwarten. Dass eine Zeugeneinvernahme per Videokonferenz die Unmittelbarkeit des persönlichen Eindrucks eines Zeugen im Vergleich zu seiner Einvernahme bei körperlicher Anwesenheit mediatisieren mag, steht dem nicht entgegen, hat der Gesetzgeber dies doch bewusst in Kauf genommen und die Beweisaufnahme im Wege der Videokonferenz sogar zur unmittelbaren Beweisaufnahme erklärt (§ 277 ZPO; s auch Rechberger in Rechberger , ZPO 4 § 277 Rz 2).

Zu bedenken ist auch, dass das Landesgericht Salzburg als Arbeits und Sozialgericht bereits eine Tagsatzung abgehalten und das Prozessprogramm festgelegt hat und mit der Problematik auch aus einem anderen Verfahren vertraut ist, während sich ein Wiener Gericht neu in die Sache einzuarbeiten hätte. Schließlich käme es bei einer Delegierung kostenrechtlich zu erhöhten Vertretungskosten, weil keiner der Parteienvertreter seinen Kanzleisitz in Wien hat (doppelter Einheitssatz, § 23 Abs 5 RATG).

Die beim Handelsgericht Wien eingebrachte Klage ist für die Entscheidung über den Delegierungsantrag ohne Bedeutung. Zum einen geht selbst die Klägerin beim verfahrensgegenständlichen Begehren auf Zahlung einer Vertragsstrafe von einem der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit unterliegenden Anspruch aus. Zum anderen liegt auch für die Wettbewerbsklage die Zuständigkeit eines Wiener Gerichts im Hinblick auf § 83c Abs 1 iVm § 51 Abs 2 Z 10 JN („sofern es sich nicht um eine Arbeitsrechtssache handelt“) noch nicht offen zutage.

Angesichts dessen, dass eine Delegierung lediglich den Ausnahmefall bilden soll, liegen danach keine ausreichenden Umstände zu Gunsten aller Parteien dafür vor, dass mit einer Delegierung eindeutig eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung oder Kostenreduzierung oder eine hinlängliche Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit einherginge. Der Delegierungsantrag des Beklagten ist daher abzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0090NC00005.16H.0226.000