VfGH vom 12.06.2015, E573/2015

VfGH vom 12.06.2015, E573/2015

Leitsatz

Keine willkürliche Abweisung des Asylantrags einer afghanischen Staatsbürgerin mangels asylrelevanter Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan auf Grund ihres Lebensstils

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Die Beschwerdeführerin, eine afghanische Staatsbürgerin, reiste am mit einem am in Teheran ausgestellten österreichischen Visum "D" (gültig von bis ) vom Iran kommend nach Österreich ein. Am stellte sie einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie zusammengefasst damit begründete, dass sie nach der Flucht ihres Ehemannes aus Afghanistan vor ca. 13 Jahren von unbekannten Männern aufgesucht und bedroht worden sei. Sie sei in den Iran geflohen, wo sie die letzten 13 oder 14 Jahre verbracht habe. Ihr Ehemann habe in Österreich den Status des subsidiär Schutzberechtigten.

2. Mit Bescheid vom wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gem. § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl 100/2005 idF BGBl I 144/2013, (AsylG) ab (Spruchpunkt I.). Der Beschwerdeführerin wurde im Rahmen des Familienverfahrens gem. § 8 Abs 1 AsylG iVm § 34 Abs 3 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gem. § 8 Abs 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum erteilt (Spruchpunkt III.).

3. In der gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides gerichteten Beschwerde brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihr als westlich orientierter Frau in Afghanistan Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention drohe. Sie habe die letzten 14 Jahre im Iran verbracht, wo sie einen weitaus liberaleren Lebensstil gepflegt habe, als er den sozialen Normen Afghanistans entsprechen würde. Da ihr Mann bereits in Europa gewesen sei, habe sie selbständig und unabhängig gelebt, sei als Reinigungskraft berufstätig gewesen und habe sich selbst um die täglichen Angelegenheiten wie etwa Behördengänge und Einkäufe gekümmert. Auch habe sie ihre Kinder alleine groß gezogen. In Afghanistan habe sich um alles der männliche Teil ihrer Familie gekümmert. So ein Leben könne sie sich nicht mehr vorstellen. Ihre – im Einvernahmeprotokoll als "traditionell" bezeichnete – Bekleidung entspreche iranischen sozialen Normen und wäre für Afghanistan absolut unzureichend. Dort müsste sie bei Verlassen des Hauses vollverschleiert sein und die Burka tragen. Die Beschwerdeführerin plane in Österreich ein selbständiges Leben zu führen, Deutsch zu lernen und einer Beschäftigung nachzugehen. All das wäre ihr in Afghanistan verwehrt. Das BFA hätte sie zu ihrer Situation in den letzten 14 Jahren, zu ihrer Situation in Afghanistan und zu ihren Zukunftsvorstellungen befragen müssen.

4. Die Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom gem. § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abgewiesen. Begründet wird diese Entscheidung auszugsweise wie folgt:

"Es gibt keinen Hinweis, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Insbesondere ließe sich eine solche weder auf das Tragen von Kleidung zurückführen, die den "iranischen sozialen Normen" entspricht, noch auf einen mehrjährigen Aufenthalt im Iran. Überdies wäre sie auch für den Fall, dass sie sich in Afghanistan zumindest grundlegend zu alphabetisieren wünscht, allein aus diesem Grund keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt. Die Beschwerdeführerin hat die traditionellen sozialen Normen (in einer landesweit üblichen und weit verbreiteten Form) in ihrem Herkunftsstaat weder grundlegend und nachhaltig ab[ge]lehnt, noch war sie bis zu ihrer Ausreise aus dem Iran […] von einem intensiven und nachhaltigen Streben nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit in Lebensführung und Beruf erfüllt […]. Sie hatte nie substanzielle Probleme mit den sozialen Normen im Iran, sondern lebte dort völlig integriert. Sie hat nie versucht, die Grenzen der sozialen Normen im Iran (etwa im Hinblick auf Bekleidungsvorschriften, Verhalten oder selbstbestimmtes Auftreten) auszureizen oder sie gar in Frage zu stellen. Diese Einstellung der Beschwerdeführerin hat sich seit der Einreise nach Österreich weder substanziell noch nachhaltig geändert, weshalb das Risiko einer Verfolgung aufgrund einer ostentativen Ablehnung der gesellschaftlichen Normen ihres Herkunftsstaates jedenfalls derzeit nicht vorliegt.

[…]

Der Beschwerdeführerin ist es nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass sie in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre, würde sie ihren rund 14 Jahre lang im Iran praktizierten Lebensstil in Afghanistan unverändert beibehalten. Sie konnte auch nicht glaubhaft machen, dass etwaige geringfügige Adaptionen des Lebensstils ihr einen „nicht zumutbaren Leidensdruck“ auferlegen würden. […] Dass eine Kleidung, die im Iran – einer "islamischen Republik", deren Staatsoberhaupt ein Geistlicher mit umfassenden politischen Durchgriffsbefugnissen ist – nicht den geringsten Anstoß erregt, in Afghanistan landesweit und schon ganz grundsätzlich "absolut unzureichend" wäre, wird in der Beschwerde ohne jeden Beleg oder auch nur eine schlüssige Argumentation lediglich in den Raum gestellt. Gleiches gilt für den behaupteten zwingenden Verlust der dort ausgeübten "Selbständigkeit", die in der Beschwerde zudem – wie oben dargelegt – tatsachenwidrig in auffallender Art und Weise übertrieben wird. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin ihren Alltag in Österreich wie folgt schildert: "Ich kümmere mich um den Haushalt, dh. ich koche, ich putze, wasche die Wäsche. Mein Mann geht hier einer Arbeit nach. Wenn mein Mann von der Arbeit heimkommt, ist er meistens müde. Wir verbringen sehr viel Zeit zu Hause. Wir gehen manchmal außer Haus, um die Einkäufe zu erledigen." Dass sie diese Alltagsführung in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung aussetzen könnte, wurde in der Beschwerde nicht einmal ansatzweise schlüssig dargelegt. […] Eine Verfolgung der Beschwerdeführerin für den Fall, dass sie auch in Afghanistan versuchen sollte, erneut als Putzfrau (oder in einem vergleichbaren Beruf) zu arbeiten, ist jedoch nicht ersichtlich. Eine substanziell qualifiziertere Beschäftigung steht für die Beschwerdeführerin angesichts ihres niedrigen Bildungsniveaus derzeit nicht zur Debatte.

[…]

Frauen unterliegen in Afghanistan auch keinem generellen grundsätzlichen Verbot, jegliche grundlegende Bildung – etwa das Lesen und Schreiben – zu erwerben. Vielmehr würde ein solches Verbot den geltenden afghanischen Gesetzen widersprechen und ist jedenfalls auch nicht die landesweit übliche Einstellung. Auch ein entsprechender Wunsch der Beschwerdeführerin würde damit keine asylrelevante Verfolgung auslösen, zumal für die Beschwerdeführerin in nächster Zeit angesichts ihres Alters und ihres Bildungsstandes ohnehin kein höherer Bildungserwerb als die grundlegende Alphabetisierung in Frage kommt. Die Beschwerdeführerin hat allerdings nicht einmal während ihres 14-jährigen Aufenthalts im Iran irgendwelche substanziellen Bildungsbestrebungen gezeigt, obwohl sie dafür die Zeit und die Möglichkeiten gehabt hätte. Ihr nunmehr geäußerter Wunsch nach Spracherwerb und Ausbildung ist vor diesem Hintergrund zu sehen und insofern zu relativieren, als die Beschwerdeführerin abgesehen von einigen Brocken Alltagssprache zunächst einmal alphabetisiert werden muss um die deutsche Sprache in Wort und Schrift auch nur grundlegend zu erlernen.

[…]

Soweit in der Beschwerde erstmals eine Verfolgungsgefahr aufgrund der Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin zur sozialen Gruppe der "westlich orientierten Frauen" behauptet wird, ist den Ausführungen der Beschwerde nicht zu entnehmen, in welcher Form sich die dafür angeführten Kriterien (zitiert wurde etwa VwGH 2006/19/0182 vom oder Asylgerichtshof C2 419963-1/2011 vom ) in der Person der Beschwerdeführerin konkretisieren. Die Beschwerdeführerin ist nach ihren eigenen Angaben zunächst und vorrangig eine "iranisch orientierte Frau" (in der Beschwerde wird der von der Beschwerdeführerin im Iran praktizierte Lebensstil geradezu idealisiert; sie hatte dort auch nie Probleme und kleidet sich nach eigenen Angaben in der Einvernahme vom und der Beschwerde vom nach "iranischen sozialen Normen"). Das Leben nach "iranischen sozialen Normen" – die Beschwerdeführerin kümmert sich nach eigenen Angaben derzeit in Österreich auch wieder um den Haushalt und verbringt "sehr viel Zeit zu Hause" während ihr Gatte arbeiten geht – stellt jedoch keine tragfähige Basis für die Annahme dar, von der Beschwerdeführerin könnte angenommen werden, sie verletze die in Afghanistan üblichen sozialen Normen. Auch ist eine "iranisch orientierte Frau" jedenfalls nicht ohne weiteres mit einer "westlich orientierten Frau" gleichzusetzen – was die gegenständliche Beschwerde aber offenbar versucht. Dazu kommt, dass in der Beschwerde Behauptungen betreffend den "westlichen" Lebensstil der Beschwerdeführerin aufgestellt werden, die deren authentischen Angaben in der Einvernahme widersprechen oder diese zumindest bewusst verzerren[…].

Merkmale, die "so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten" müssen sich jedoch hinreichend nachvollziehbar manifestieren oder glaubhaft gemacht werden können. Die bloße Behauptung einer "westlichen Orientierung" ist daher ebenso wenig ausreichend, wie die einer sexuellen Orientierung oder einer Konversion. Dies ist der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall jedoch nicht gelungen – die Beschwerdeführerin konnte nicht glaubhaft darlegen, dass sie beabsichtigt ihr Leben signifikant anders zu führen als in den vergangenen rund 15 Jahren im Iran. Der dort übliche Lebensstil unterscheidet sich jedoch nicht in einem solchen Ausmaß von dem überwiegend in Afghanistan praktizierten Lebensstil, dass durch eine entsprechende Umstellung ein "nicht zumutbarer Leidensdruck" entstehen würde und diese daher nicht zumutbar wäre."

5. Um gegen diese Entscheidung des BVwG Beschwerde zu führen, beantragte die Beschwerdeführerin beim Verfassungsgerichtshof die Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang. Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung durch Erhebung einer Beschwerde abgewiesen.

6. Nach Zustellung dieses Beschlusses vom erhob die Beschwerdeführerin die vorliegende, auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde, in der sie die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander behauptet. Zusammengefasst bringt sie Folgendes vor:

Das BVwG habe die angefochtene Entscheidung darauf gestützt, dass das Vorbringen ihres subsidiär schutzberechtigten Ehemannes in dessen Asylverfahren als unglaubwürdig qualifiziert worden sei. Damit habe es seine aus § 34 Abs 4 AsylG fließende Verpflichtung, die Asylanträge von Familienangehörigen im Familienverfahren gesondert zu prüfen, verletzt und in die Verfassungssphäre reichende Ermittlungs- und Feststellungsfehler gesetzt.

Die angefochtene Entscheidung verletze das Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander auch durch die Feststellung, dass der Beschwerdeführerin keine asylrelevante Verfolgung als "westlich orientierte Frau" drohe. Das BVwG sei dabei vom Akteninhalt abgegangen und habe das Parteienvorbringen ignoriert. Die Annahme des BVwG, dass sich die Lebensumstände von Frauen im Iran und in Afghanistan nicht substanziell voneinander unterscheiden, sei nicht nachvollziehbar begründet worden. Insbesondere hätte es dazu Feststellungen über die Situation für Frauen im Iran bedürft. Das BVwG hätte diese Feststellungen dann der Situation für Frauen in Afghanistan gegenüber stellen müssen. Tatsächlich seien die Benachteiligungen und Einschränkungen für Frauen in Afghanistan viel intensiver als im Iran, wo Frauen einen vergleichsweise fortschrittlichen Lebensstil pflegen könnten. In Afghanistan habe sich die extreme Unterdrückung von Frauen während der Herrschaft der Taliban auch nach deren Ende nicht wesentlich gebessert. Frauen würden schon hinsichtlich der wesentlichen Lebensbedürfnisse Bildung, Arbeit, Mobilität, soziale Kommunikation und medizinische Versorgung diskriminiert und müssten in völliger Abhängigkeit von männlichen Familienmitgliedern leben. Jeglicher Ansatz einer Selbsterhaltungsfähigkeit sei undenkbar. Sie seien verpflichtet, eine Burka (Ganzkörperüberwurf mit gewebtem Gitternetz in Augenhöhe) zu tragen. Im Vergleich zu dieser Lage hätte die Beschwerdeführerin im Iran viel freier leben können. Sie habe soziale Kontakte außerhalb ihrer Familie pflegen und sich ohne männliche Begleitung bewegen können, sei berufstätig gewesen und habe alltägliche Erledigungen und Behördengänge selbständig getätigt. Auch unabhängig von ihren persönlichen Erfahrungen stelle sich die Situation für Frauen im Iran wesentlich besser dar als in Afghanistan. So stünde ihnen der Zugang zu Bildung, Beruf und Politik grundsätzlich offen. Die iranischen Bekleidungsvorschriften seien weniger streng. Es gebe – anders als in Afghanistan – keine Verpflichtung, das Gesicht zu verhüllen. Hätte das BVwG die Situation für Frauen im Iran und in Afghanistan ordentlich ermittelt, wäre es zum Schluss gekommen, dass die Beschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan ihren – während ihres 14-jährigen Aufenthalts im Iran entwickelten – Lebensstil signifikant ändern müsste. Damit wäre ein unzumutbarer Leidensdruck verbunden.

8. Das BVwG hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, sah aber von der Erstattung einer Äußerung ab.

II. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet.

2. Bedenken gegen die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsvorschriften sind – vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles – nicht entstanden.

3.1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

3.2. Dieser Fall liegt hier jedoch nicht vor:

3.2.1. Die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten hängt davon ab, mit welchen Konsequenzen die Asylwerberin aufgrund ihrer Haltung im Herkunftsstaat zu rechnen hat und ob diese als Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen sind. Nach einer Stellungnahme des UNHCR von Juli 2003 sollten afghanische Frauen, von denen angenommen wird, dass sie soziale Normen verletzen oder dies tatsächlich tun, bei der Rückkehr nach Afghanistan als gefährdet angesehen werden. Diese Kategorie könnte Frauen einschließen, die westliches Verhalten oder westliche Lebensführung angenommen haben, was als Verletzung der sozialen Normen angesehen werde und ein solch wesentlicher Bestandteil der Identität dieser Frauen geworden sei, dass es für diese eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen (zur Indizwirkung dieser konkreten Empfehlung mwN). Daraus leitet der VwGH ab, dass einer afghanischen Frau Asyl zu gewähren ist, wenn der von ihr vorgebrachte "westliche Lebensstil" in Afghanistan einer zu den herrschenden politischen und/oder religiösen Normen eingenommene oppositionelle Einstellung gleichgesetzt wird und ihr deshalb Verfolgung droht. Es komme aus asylrechtlicher Sicht nicht darauf an, ob sich eine Asylwerberin den gesellschaftlichen Normen ihres Heimatstaates anzupassen hat oder nicht (; , 2006/19/0182).

3.2.2. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich die Verpflichtung des BVwG, bei der Prüfung der Berechtigung des Asylantrages zu untersuchen, ob der von der Beschwerdeführerin gepflegte Lebensstil die herrschenden sozialen Normen in Afghanistan in einem Ausmaß verletzt, dass ihr bei einer Rückkehr (unter Beibeihaltung des Lebensstils) Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention drohen würde. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl liegen vor, wenn dieser Lebensstil ein wesentlicher Teil der Identität der Beschwerdeführerin geworden ist, sodass es für diese eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen.

3.3. Das BVwG hat keine die Übung von Willkür begründenden Ermittlungsfehler iSd ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001) gesetzt:

Das Ermittlungsverfahren hat in nachvollziehbarer Weise ergeben, dass die Beschwerdeführerin kein freibestimmtes Leben nach westlichen Normen führt. Sie hat keine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan zu befürchten.

3.4. Darüber hinausgehende Fragen der – in jeder Hinsicht richtigen – Anwendung des einfachen Rechts sind nicht vom Verfassungsgerichtshof, sondern vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen einer allenfalls zulässigen Revision zu beurteilen.

III. Ergebnis

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

2. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:E573.2015