VfGH vom 09.06.2017, E566/2017

VfGH vom 09.06.2017, E566/2017

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw subsidiär Schutzberechtigten für einen aus dem Militärdienst desertierten irakischen Staatsangehörigen; kein Begründungswert der sich in einer Aneinanderreihung von floskelhaften, aus Textbausteinen zusammengesetzten Passagen und bloßer Verweise auf die verwaltungsbehördliche Begründung erschöpfenden Entscheidung

Spruch

I.Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II.Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iraks, arabischer Abstammung und moslemisch sunnitischer Religionszugehörigkeit, stellte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet im Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Weil er Sunnit sei und sich zunächst in seiner Funktion als Polizist geweigert habe, einer bewaffneten schiitischen Hezbollah-Miliz seinen Dienstwagen zu überlassen und schließlich in einem Gerichtsverfahren ausgesagt habe, er vermute diese Gruppierung hinter einem Anschlag, sei er von eben dieser Miliz bedroht worden. Daraufhin habe er sich entschlossen, den Irak zu verlassen. In Abwesenheit habe ein Gericht ihn zudem zu Unrecht zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt, weil er seinen Dienstwagen nicht vollständig zurückgegeben habe. Die Übernahmebestätigung, aus der die ordnungsgemäße Übergabe des Dienstautos hervorgehen würde, sei laut Auskunft eines Freundes und ehemaligen Kollegen aus seinem Akt verschwunden. Im Falle seiner Rückkehr drohe ihm Verfolgung durch die Hezbollah und durch staatliche Behörden.

Am nahm der Beschwerdeführer zu den ihm vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) übermittelten Länderfeststellungen Stellung. Sei schon diesen Länderfeststellungen zu entnehmen, dass "Polizisten die am meisten gefährdete Personengruppe" seien, so müsse dies für den Beschwerdeführer als Polizeibeamter sunnitischen Glaubens umso mehr gelten. Die vorwiegend schiitischen Milizen würden im Irak derzeit das größte Sicherheitsrisiko darstellen, wie aus einem Bericht von Amnesty International mit dem Titel "Absolute Impunity: Militia Rule in Iraq" hervorgehe. Dass besonders die Hezbollah nicht zur Rechenschaft gezogen werde, liege an deren Naheverhältnis zur schiitisch dominierten Regierung. Da nicht auszuschließen sei, dass kooperierende Polizisten den Beschwerdeführer an diese Milizen ausliefern würden, müsse die vorgebrachte Verfolgung als asylrelevant angesehen werden.

In einer weiteren Stellungnahme vom teilte der Beschwerdeführer dem BFA mit, dass die Miliz seine Familie in Bagdad aufgesucht, seinen Bruder mitgenommen und sich nach seinem Aufenthalt und nach dem seines sich versteckt haltenden Vaters erkundigt habe. Die Mutter und die Ehegattin des Beschwerdeführers seien nach dieser gezielten Suche nach Mitgliedern der Familie nunmehr ständiger Bedrohung ausgesetzt.

2.Mit Bescheid vom wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak ab (Spruchpunkt II.). Es erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005; erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG gewährte das BFA eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.).

In der Begründung stellt das BFA angesichts dessen "Kenntnisse über die Paragraphen" zwar nicht die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Polizist in Abrede, beurteilt sein Vorbringen im Übrigen allerdings als unglaubwürdig. Aus den teils nur in Kopie vorgelegten Schriftstücken würden sich Ungereimtheiten ergeben, weshalb an deren Echtheit zu zweifeln sei. Unter anderem werde darin als Dienstfahrzeug ein "Ford Subaru Toyota" genannt, bei dem es sich allerdings nicht um eine Typenbezeichnung sondern um drei verschiedene Marken handle. Die fünfjährige Haftstrafe stütze sich auf eine Bestimmung, die lediglich eine Geldstrafe mit der Möglichkeit zur Ratenzahlung vorsehe. Gegen die Glaubhaftigkeit des Vorbringens spreche auch, dass der Beschwerdeführer laut den vorgelegten Dokumenten aufgefordert worden sei, die Dienststelle zu verlassen, was bei der Einvernahme vor dem BFA unerwähnt geblieben sei. Als Ursache für eine Beendigung des Polizeidienstes kämen auch Entlassung oder freiwillige Kündigung in Frage.

Selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens stehe dem Beschwerdeführer offen, seinen Wohnsitz in den Nordirak zu verlegen, wo sich ein Bruder des Beschwerdeführers seit mehreren Jahren mit seiner Familie aufhalte und einer Beschäftigung als Ingenieur in der Ölförderung nachgehe. Der Nordirak sei erreichbar, ohne durch jenes Gebiet reisen zu müssen, in dem die vorgebrachten Verfolgungshandlungen drohen würden.

Die Ausführungen des BFA zum subsidiären Schutz bestehen im Wesentlichen darin, zunächst festzustellen, dass der Beschwerdeführer "im Herkunftsstaat grundsätzlich" in der Lage sein werde, sich ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften, und anschließend angesichts der Unzugänglichkeit großer Teile des Zentraliraks für Binnenvertriebene oder aus dem Ausland Zurückkehrende zu bemerken, dass selbst bei unmöglicher Rückkehr in den Heimatbezirk "eine Rückkehr in die von der kurdischen Regionalregierung (KRG) kontrollierten Provinzen im Nordirak […] möglich und zumutbar wäre". Ob der Beschwerdeführer als sunnitischer Polizist in seiner Heimatstadt Bagdad eine Verletzung seiner Rechte gemäß Art 2 und 3 EMRK zu befürchten hätte, beurteilt das BFA nicht.

3.Die dagegen erhobene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht moniert insbesondere, dass es entgegen der Ansicht des BFA "für Araber keine innerstaatliche Fluchtalternative in den nordirakischen Kurdengebieten" gebe. Neue Flüchtlinge würden dort nicht mehr aufgenommen werden und auch aus den Länderfeststellungen des BFA gehe hervor, dass bereits dort lebende Binnenvertriebene keine Verlängerung ihrer Aufenthaltstitel bekommen würden.

In seiner abweisenden Entscheidung führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Furcht vor Verfolgung in seinem Herkunftsstaat aus den in der GFK genannten Gründen unbegründet sei und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben seien. Die Beweiswürdigung des BFA sei substantiiert und schlüssig. Die unsubstantiierte Beschwerde halte dem nichts entgegen und verweise insbesondere zur Alternativbegründung betreffend die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative durch den Beschwerdeführer in den kurdischen Provinzen des Nordirak lediglich auf "nicht näher bezeichnete Berichte". Der Beschwerdeführer sei ein arbeitsfähiger und gesunder Mann, bei dem davon ausgegangen werden könne, dass er bei Rückkehr in den Irak ein ausreichendes Einkommen erwirtschaften könne. Er habe nicht darlegen können, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf seine individuelle Situation auswirke, insbesondere weshalb er einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.

4.Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der insbesondere die Verletzung in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973, sowie in weiteren näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird. Der Beschwerdeführer habe im Verfahren erkennbar vorgebracht, er sei auf Grund seiner Religionszugehörigkeit als Sunnit und auf Grund seiner Beschäftigung als Polizist asylrelevanter Verfolgung von Seiten schiitischer Milizen ausgesetzt gewesen und habe in Bezug auf diese Verfolgung auch pro futuro Angst um sein Leben. Das Erkenntnis unterschreite klar die an eine Entscheidung gestellten Mindestanforderungen, indem es zu einem Drittel aus der Wiedergabe des Bescheides bestehe, die zugrunde liegenden Länderfeststellungen aber nicht offenlege und somit de facto deren Prüfung auf ihre Aktualität und ihre Relevanz für die individuelle Situation des Beschwerdeführers nicht ermögliche. Aus der Begründung gehe weder der entscheidungsrelevante Sachverhalt hervor, noch welche Beweismittel gewürdigt worden seien und aus welchen Gründen die Beschwerde im Hinblick auf Asyl und subsidiären Schutz letztlich abgewiesen worden sei. Der schlichte Hinweis, dass es die Beschwerde (vermeintlich) nicht vermocht habe, der Beweiswürdigung des BFA entgegenzutreten, könne eine Auseinandersetzung mit dem entscheidungsrelevanten Sachverhalt in keiner Weise ersetzen.

Über Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers und seiner familiären Situation im Irak hinaus seien den restlichen Ausführungen keine fallbezogenen Hinweise zu entnehmen, es fänden sich lediglich an mehreren Stellen Verweise auf das Ermittlungsverfahren und den Bescheid des BFA.

Auch im Kontext der Prüfung hinsichtlich der Zuerkennung subsidiären Schutzes werde die konkrete Situation des Beschwerdeführers schlicht ignoriert. Eine vergleichbare Begründung habe der Verfassungsgerichtshof schon in seiner Entscheidung vom , E2100/2016, als nicht ausreichend im Sinne eines verfassungskonformen Verfahrens erachtet. Das gänzliche Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes überschreite auch im vorliegenden Fall wiederholt die Grenze der Willkür. Das vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachte Konvolut an Beweismitteln aus dem Irak finde – wie auch die als glaubwürdig beurteilte Tätigkeit des Beschwerdeführers als Polizist – im Rahmen der gerichtseigenen Ausführungen keine Erwähnung. Dadurch, dass es das Bundesverwaltungsgericht gänzlich unterlassen habe, entsprechende, auf die konkrete Situation des Beschwerdeführers (als durch die Hezbollah bedrohter Polizist sunnitischen Glaubens in Bagdad) bezugnehmende Ermittlungen anzustellen, und diese in der Begründung des Erkenntnisses mit der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Beziehung zu setzen, habe das Bundesverwaltungsgericht Willkür geübt. Die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene innerstaatliche Fluchtalternative finde keine Deckung in aktuellen Berichten, die verdeutlichen würden, dass eine Neuansiedlung im Nordirak mangels Einreisevisa nicht möglich sei.

Auch durch das Absehen von der mündlichen Verhandlung habe das Bundesverwaltungsgericht ein in die Verfassungssphäre reichendes, willkürliches Verhalten gesetzt. Schon die Verletzungen des Parteiengehörs im Verfahren vor dem BFA – der Beschwerdeführer habe keine Möglichkeit gehabt, zur Annahme der innerstaatlichen Fluchtalternative im Nordirak und zur fehlerhaften Übersetzung der in Vorlage gebrachten Beweismittel (nach einer beigebrachten beglaubigten Übersetzung handle es sich bei dem "Ford Subaru Toyota" etwa tatsächlich um einen "Ford Super Duty"; das übersetzte Urteil basiere auf einer Bestimmung des Strafgesetzes der internen Sicherheitskräfte, die sehr wohl eine Freiheitsstrafe bis zu sieben Jahren vorsehe) Stellung zu nehmen – und eine "eklatante Mangelhaftigkeit der Rechtsberatung" – die von der Rechtsberatung unterstützte Beschwerde hatte weder diese Mängel noch die fehlende Berücksichtigung eines Schreibens des Beschwerdeführers vom moniert – hätten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bedingt. Entgegen Art 47 Abs 2 und 3 GRC sei dem Beschwerdeführer durch die "auch für einen objektiven Dritten offenkundig grob mangelhaft[e] Beschwerde und [den] Mangel an Beratung und Vertretung bei der Erhebung der Beschwerde wie auch im Rechtsmittelverfahren letztlich ein adäquater Zugang zu einem Gericht verwehrt" worden.

5.Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Äußerung unter Verweis auf die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses abgesehen und beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

II.Erwägungen

Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

1.Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001)oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungs-sphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechts-lage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2.Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

2.1.Nach dem Spruch schildert das Bundesverwaltungsgericht eingangs den bisherigen Verfahrensgang, wobei es u.a. die im Bescheid des BFA getroffenen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zur Situation im Falle seiner Rückkehr auszugsweise direkt zitiert und festhält, dass das BFA anschließend "aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben zur allgemeinen Lage im Irak" trifft. Sodann druckt das Bundesverwaltungsgericht die Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung des BFA ab und gibt zusammengefasst wieder, was in der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht "apodiktisch behauptet" wird. Feststellungen trifft das Bundesverwaltungsgericht zur Identität des Beschwerdeführers und seiner Familiensituation im Irak.

Zum "Vorbringen der beschwerdeführenden Partei" hält das Bundesverwaltungsgericht unter der Überschrift "Beweiswürdigung" fest, dass das BFA ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Bescheidbegründung dessen Ergebnisse, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst und die näher bezeichneten Spruchpunkte des Bescheides zu Recht getroffen habe. Ohne Erwähnung der bereits im Verfahren vor dem BFA gänzlich unberücksichtigt gebliebenen Stellungnahme des Beschwerdeführers vom schließt es sich dann vollinhaltlich den Ausführungen des BFA an, tritt dem Verfahrensergebnis bei und hält fest, dass die Beschwerde der schlüssigen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung des BFA nicht substantiiert entgegengetreten sei. Zur "Lage im Herkunftsstaat" führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die vom BFA getroffenen Länderfeststellungen "auf mannigfaltigen Quellen, denen keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann", basieren würden, denen die Beschwerde ebenfalls nicht substantiiert entgegengetreten sei.

Den Abschnitt "Rechtliche Beurteilung" untergliedert das Bundesverwaltungsgericht entsprechend den Spruchpunkten des Bescheides, stellt jeweils textbausteinhafte Ausführungen voran und hält dann jeweils fest, dass weder die näher ausgeführten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, des subsidiär Schutzberechtigten noch für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gegeben seien, sehr wohl aber für eine Rückkehrentscheidung und die 14-tägige Ausreisefrist.

2.2.Damit erschöpft sich die Begründung der angefochtenen Entscheidung neben der Wiedergabe und dem Verweis auf die verwaltungsbehördliche Begründung in einer Aneinanderreihung von floskelhaften, aus Textbausteinen zusammengesetzten Passagen ohne für den vorliegenden Einzelfall nachvollziehbaren Begründungswert, die jeweils mit den – nicht näher erläuterten – Aussagen über das Ergebnis, zu dem das Bundesverwaltungsgericht gelangt, abschließen. Das Abdrucken der Begründung der verwaltungsbehördlichen Entscheidung stellt aber für sich keine ausreichend nachvollziehbare Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung dar (zu den rechtsstaatlichen Bedenken gegen eine solche Begründungstechnik vgl. ). Die bloße Behauptung einer unsubstantiierten Beschwerde vermag eine Begründung seiner Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht nicht zu ersetzen. Letztlich läuft die vom Bundesverwaltungsgericht gewählte Begründungstechnik, einerseits ausschließlich auf die verwaltungsbehördliche Begründung zu verweisen und andererseits der Beschwerde fehlende Substanz zu unterstellen, auf eine bloße Plausibilitäts- anstelle einer Rechtmäßigkeitskontrolle hinaus.

Folglich erweist sich die Begründung als unzureichend und nicht nachvollziehbar, wodurch das angefochtene Erkenntnis schon aus diesem Grund insgesamt mit Willkür belastet wird.

2.3.Im weiteren Verfahren wird das Bundesverwaltungsgericht insbesondere selbst zu begründen haben, auf Grund welcher Feststellungen und Beweise es zu seinem Ergebnis kommt. Jedenfalls wird es sich mit der – auch nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes glaubhaft gemachten – Eigenschaft des Beschwerdeführers als Polizist sunnitischen Glaubens in Bagdad auseinanderzusetzen sowie entsprechende Ermittlungen zur aktuellen Lage in jener Region anzustellen haben, aus der der Beschwerdeführer stammt bzw. die als innerstaatliche Fluchtalternative fungieren soll, und diese in der Begründung des Erkenntnisses mit der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Beziehung zu setzen haben (zu diesen Anforderungen in zwei den Irak betreffenden Fällen vgl. ; , E1848/2015).

III.Ergebnis

1.Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

2.Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil der Beschwerdeführer Verfahrenshilfe (auch) im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lita ZPO genießt.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2017:E566.2017
Schlagworte:
Asylrecht, Fremdenpolizei, Rückkehrentscheidung, Ermittlungsverfahren, Entscheidungsbegründung

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