OGH vom 03.10.2019, 9Nc44/19y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** G*****, vertreten durch Moser Mutz Rechtsanwälte GesbR in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Peter Akkad, Rechtsanwalt in Pichl bei Wels, wegen 2.354,99 EUR sA, über den Delegierungsantrag der beklagten Partei den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag der beklagten Partei, zur Verhandlung und Entscheidung der Arbeitsrechtssache AZ ***** des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht anstelle dieses Gerichts das Landesgericht Wels als Arbeits- und Sozialgericht zu bestimmen, wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger, wohnhaft in ***** (Ktn), war bei der in ***** (OÖ) ansässigen Beklagten als Obermonteur beschäftigt. Mit seiner beim Landesgericht Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachten Mahnklage macht er Ansprüche auf Schmutz-, Gefahren- und Erschwerniszulagen sowie Entfernungszulagen geltend. Er sei ständig außerhalb des Betriebs, nämlich in Ebensee, eingesetzt gewesen. Die Arbeiten seien unter außerordentlicher Verschmutzung von Körper und Bekleidung und unter erschwerten Arbeitsbedingungen zu erbringen gewesen und aufgrund von Staub und gesundheitsgefährdenden Stoffen mit einer Gefährdung von Gesundheit und körperlicher Sicherheit verbunden gewesen.
Die Beklagte beantragte, anstelle des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht das Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht zur Verhandlung und Entscheidung zu bestimmen. Der Kläger habe während des aufrechten Dienstverhältnisses seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Lebensmittelpunkt in Ebensee gehabt. Lediglich die Wochenenden und Urlaube habe er fallweise woanders verbracht. Eine Delegierung sei auch für den Kläger zweckmäßig. Sämtliche Zeugen wären aus ***** bei Wels zu laden. Eine Vernehmung im Rechtshilfeweg wäre der Wahrheitsfindung nicht dienlich. Eine kurzfristige Abwesenheit der Zeugen von deren Arbeitstätigkeit sei eher möglich als eine über einen ganzen Tag. Das Verfahren könne in Wels schneller, leichter und kostengünstiger abgeführt werden. Im Hinblick auf die begehrten SEG-Zulagen sei zudem zu erwarten, dass auch ein Lokalaugenschein in Ebensee abzuführen sein werde. Im Übrigen bestritt die Beklagte und beantragte Klagsabweisung. Zum Beweis ihres Vorbringens machte sie zwei Zeugen, je pA der Beklagten, namhaft und bot Urkunden und einen Lokalaugenschein in Ebensee an, letzteres zum Beweis dafür, dass der Kläger dort keine gefahren- und erschwerniszulagenpflichtigen Tätigkeiten verrichtet habe.
Der Kläger sprach sich gegen eine Delegierung aus. Er habe zwar in Ebensee gearbeitet, sei aber an den Wochenenden und während der arbeitsfreien Zeit immer zu seinem ordentlichen Wohnsitz in ***** zurückgekehrt. Zweck des Aktivgerichtsstands nach § 4 Abs 1 Z 1 lit a ASGG sei es, dem Kläger die Durchsetzung seiner Ansprüche nicht zu erschweren, sondern erheblich zu erleichtern. Ein Lokalaugenschein sei aus rechtlichen Erwägungen nicht erforderlich. Der Kläger bot zum Beweis seines Vorbringens neben Urkunden seine Einvernahme an.
Das Landesgericht Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht äußerte sich dahin, dass insbesondere die allenfalls notwendige Abhaltung eines Ortsaugenscheins bei der Beklagten zur Abklärung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte SEG-Zulage für die Zweckmäßigkeit einer Delegierung zu sprechen scheine. Aus dem Beweisanbot ergebe sich ansonsten nur eine Zeugin mit Wohnort in Oberösterreich. Weiteres Beweisanbot, das eine Delegierung indizieren würde, liege nicht vor, die Beklagte habe sich ein solches aber vorbehalten.
Rechtliche Beurteilung
Folgendes war zu erwägen:
Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (stRsp; RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung, eine Kostenverringerung oder eine Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (vgl RS0046333). Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung, dass die Delegierung gegen den Willen der anderen Partei nur dann auszusprechen ist, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten allerParteien des Verfahrens gelöst werden kann (RS0046589; RS0046324 ua).
Soweit die Beklagte für ihren Standpunkt hier zwei Zeugen ins Treffen führt, die an ihrer Adresse zu laden und kurzfristig eher als für einen ganzen Tag abkömmlich seien, ist zu bedenken, dass die Möglichkeit einer Beweisaufnahme im Weg der Videokonferenz besteht. Der Gesetzgeber hat die Beweisaufnahme im Weg der Videokonferenz sogar zur unmittelbaren Beweisaufnahme erklärt (§ 277 ZPO; s auch Rechberger in Rechberger, ZPO5§ 277 Rz 2), sodass auch unter dem Aspekt des Unmittelbarkeitsgrundsatzes keine Bedenken dagegen bestehen. Die Zeugen der Beklagten müssten zur unmittelbaren Beweisaufnahme vor dem Erstgericht daher nicht in jedem Fall persönlich erscheinen. Dass im Hinblick auf die Gefahren- und Erschwerniszulage ein Lokalaugenschein notwendig wäre, geht aus dem bisherigen Klagsvorbringen nicht hervor, ein solcher wurde vom Kläger auch nicht beantragt. Da eine Delegierung lediglich den Ausnahmefall bilden soll, dafür insgesamt aber keine ausreichenden Umstände vorliegen, ist der Delegierungsantrag der Beklagten abzuweisen.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0090NC00044.19Y.1003.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.