OGH vom 06.11.2014, 12Ns76/14v

OGH vom 06.11.2014, 12Ns76/14v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Dr. Oshidari als weitere Richter in der Strafsache gegen Nail A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, AZ 127 Hv 55/14k des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Anzeige der Ausgeschlossenheit des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp ist von der Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Nail A***** ausgeschlossen.

An Stelle der nunmehr als Vorsitzende einschreitenden Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger tritt Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat zu AZ 14 Os 105/14v über die im Spruch genannten Rechtsmittel zu entscheiden.

Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp ist Vorsitzender des zuständigen Senats 14. Er zeigte nach § 44 Abs 2 StPO an, dass der Lebensgefährte seiner Tochter im erstinstanzlichen Verfahren als Staatsanwalt eingeschritten ist und ersuchte um Prüfung seiner Ausgeschlossenheit.

Gemäß § 43 Abs 1 Z 1 StPO ist ein Richter vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn er selbst oder einer seiner Angehörigen (§ 72 StGB) im Verfahren unter anderem als Staatsanwalt tätig war.

Personen, die miteinander in Lebensgemeinschaft leben, werden gemäß § 72 Abs 2 StGB wie Angehörige behandelt, Kinder und Enkel einer von ihnen werden wie Angehörige auch der anderen behandelt. Diese Bestimmung normiert eine umfassende und abschließende Regelung (SSt 59/2). Ebensowenig wie eine Lebensgemeinschaft ein Angehörigenverhältnis zwischen den Kindern des einen und jenen des anderen Lebensgefährten begründet ( Jerabek in WK 2 StGB § 72 Rz 19), besteht ein solches gemäß § 72 Abs 1 StGB nur zwischen dem Richter und seiner Tochter selbst, nicht aber auch zu deren Lebensgefährten, weil infolge der taxativen Aufzählung in § 72 Abs 2 StGB dessen Anwendung auf die in Abs 1 leg cit geregelten Fälle nicht in Betracht kommt ( Triffterer , SbgK § 72 Rz 28 mwN).

Gemäß § 43 Abs 1 Z 3 StPO ist ein Richter vom gesamten Verfahren aber auch dann ausgeschlossen, wenn andere Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Die Bestimmungen über die Ausschließung stellen auf den äußeren Anschein ab. Entscheidend ist daher auch unter dem Aspekt der Z 3 leg cit nicht die subjektive Ansicht des betroffenen Richters oder des Ablehnenden, sondern die Frage, ob die äußeren Umstände geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler nahe liegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung zu wecken (vgl Lässig , WK-StPO § 43 Rz 10 f mwN). Dies ist angesichts des über seine Tochter bestehenden Naheverhältnisses zu dem in erster Instanz eingeschrittenen Staatsanwalt indiziert, sodass Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp im vorliegenden Verfahren ausgeschlossen ist.

Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé tritt aufgrund der laufenden Vertretungsregelung der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs an Stelle der nunmehr als Vorsitzende einschreitenden Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger (§ 45 Abs 2 StPO).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0120NS00076.14V.1106.000