OGH vom 21.04.2016, 9ObA99/15x

OGH vom 21.04.2016, 9ObA99/15x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Robert Hauser in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft vida, Johann Böhm-Platz 1, 1020 Wien, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwält_innen GmbH in Wien, gegen den Antragsgegner Fachverband der gewerblichen Dienstleister in der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Antrag auf Feststellung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag, der Oberste Gerichtshof möge feststellen,

1. dass allfällige Gehaltsdifferenzen, die sich aus einer Neuberechnung des Vorrückungsstichtags unter Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres (längstens jedoch ab Vollendung der Schulpflicht) liegenden, in § 35 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Ö***** (AVB) und in § 3 der B*****-Besoldungsordnung 1963 (BO) vorgesehenen Vordienstzeiten, nunmehr geregelt in § 53a BundesbahnG idF BGBl I 2015/64, welche bei Berechnung des Vorrückungsstichtags anzurechnen sind, und einer sich daraus ergebenden neuen Einstufung der betroffenen MitarbeiterInnen nach dem in Verhältnis zum bisher ausbezahlten Gehalt der MitarbeiterInnen ergeben, betreffend alle jene Arbeitnehmer, die

2.1. in einem aufrechten (aktiven) Dienstverhältnis zu einer Gesellschaft des Ö***** Konzerns stehen, die vom Verband der gewerblichen Dienstleister vertreten werden (9 ObA 15/15v), und auf welche die Bestimmungen der AVB zur Anwendung kommen, im Hinblick auf den von der Ö***** H***** AG am abgegebenen Verjährungsverzicht (Beilage ./E) noch nicht verjährt sind, es sei denn, diese Differenzen waren bereits am Tag der Abgabe des Verjährungsverzichts am dem Grunde oder der Höhe nach bereits verfallen oder verjährt;

2.2. bereits am einen Ruhegenuss nach den Bestimmungen des Bundesbahn Pensionsgesetzes (BB PG) bezogen haben, in der Zeit nach dem jedoch noch in einem aktiven Dienstverhältnis zu einer Gesellschaft des Ö***** Konzerns, die vom Verband der gewerblichen Dienstleister vertreten werden (9 ObA 15/15v), gestanden sind, im Hinblick auf den von der Ö***** H***** AG am abgegebenen Verjährungsverzicht (Beilage ./E) noch nicht verjährt sind, es sei denn, die Differenzen waren bereits am Tag der Abgabe des Verjährungsverzichts vom dem Grunde oder der Höhe nach bereits verfallen oder verjährt;

2.3. in einem aufrechten (aktiven) Dienstverhältnis zu einer Gesellschaft des Ö***** Konzerns stehen, die vom Verband der gewerblichen Dienstleister vertreten werden (9 ObA 15/15v), und auf welche die Bestimmungen der AVB zur Anwendung kommen, und deren unter 1. angeführten anzurechnenden Vordienstzeiten in einem Dienstverhältnis zu einer Gesellschaft des Ö***** Konzerns zurückgelegt wurden, im Hinblick auf den von der Ö***** H***** AG am (Beilage ./D) abgegebenen Verjährungsverzicht noch nicht verjährt sind, es sei denn, diese Differenzen waren bereits am Tag der Abgabe des Verjährungsverzichts vom dem Grunde oder der Höhe nach bereits verfallen oder verjährt,

wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer iSd § 54 Abs 2 ASGG. Der Antragsgegner ist zur Vertretung jener Nachfolgegesellschaften der Ö***** berufen, die den Geltungsbereich des Rahmenkollektivvertrags für Angestellte im Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung, in Information und Consulting betreffen. Die Entlohnung der Dienstnehmer dieser Nachfolgegesellschaften richtet sich nach den Allgemeinen Vertragsbedingungen für Angestellte bei den Ö***** (AVB) oder nach der Besoldungsordnung der Ö***** (BO).

Am klagte der Betriebsrat B***** Tirol/Vorarlberg zur AZ ***** des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits und Sozialgericht die Ö***** P***** AG gemäß § 54 Abs 1 ASGG auf Feststellung, dass die in § 53 AVB und die in § 3 BO angeführten Zeiten, welche bei Berechnung des Vorrückungsstichtags anzurechnen sind, auch dann anzurechnen sind, wenn sie seitens des Arbeitnehmers bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt wurden.

Das Landesgericht Innsbruck als Arbeits und Sozialgericht gab dem Klagebegehren mit Urteil vom statt.

Das Oberlandesgericht Innsbruck gab der Berufung der Ö***** P***** AG mit Urteil vom nicht Folge.

Die Ö***** P***** AG zog ihre dagegen gerichtete außerordentliche Revision mit Schriftsatz vom wieder zurück.

Von der Ö***** H***** AG wurde gegenüber dem Vorsitzenden ihrer Konzernvertretung während dieses Verfahrens zur Frage der Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr zunächst mit Schreiben vom folgender Verjährungsverzicht abgegeben:

„Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

in Folge der Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache Hütter () wird auch von ArbeitnehmerInnen der Gesellschaften des Ö ***** Konzerns behauptet, dass die in § 35 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Ö***** (AVB) und die in § 3 der B***** Besoldungsordnung 1963 (BO) vorgesehenen Vordienstzeiten, welche bei der Berechnung des Vorrückungsstichtages anzurechnen sind, bedingt durch die durch das Gleichbehandlungsgesetz 2004 (GlBG) neu geschaffene Rechtslage auch dann anzurechnen sind, wenn sie seitens des Dienstnehmers bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt wurden. Daraus seien ein Anspruch auf Neueinstufung der betroffenen MitarbeiterInnen sowie ein Anspruch auf Nachzahlung der sich daraus ergebenden Differenzen beim Gehalt seit Inkrafttreten des GlBG mit abzuleiten.

Dies wird vom Arbeitgeber allerdings bestritten, insbesondere die Neuberechnung des Vorrückungsstichtages unter Berücksichtigung von Vordienstzeiten, welche vor Inkrafttreten des neu erlassenen GlBG am liegen.

Hinsichtlich dieser Streitigkeit ist derzeit ein Feststellungsverfahren gem. § 54 Abs. 1 ASGG vor dem Landesgericht Innsbruck ( *****) anhängig.

Die Gesellschaften des Ö***** Konzerns sind bereit, einen Verjährungsverzicht für allfällige Gehaltsdifferenzen, die sich aus einer Neuberechnung des Vorrückungsstichtages unter Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten, die in einem Dienstverhältnis zum Unternehmen zurückgelegt wurden, und einer sich daraus ergebenden neuen Einstufung der betroffenen MitarbeiterInnen nach dem in Verhältnis zum bisher ausbezahlten Gehalt der MitarbeiterInnen ergeben haben, unter den nachfolgenden Bedingungen abzugeben:

Vom Verzicht auf die Einrede der Verjährung (Ablaufhemmung) persönlich erfasst sind DienstnehmerInnen, die in einem aufrechten (aktiven) Dienstverhältnis zu einer Gesellschaft des Ö ***** Konzerns stehen und auf welche die Bestimmungen der AVB zur Anwendung kommen.

Ausgenommen sind jene DienstnehmerInnen, deren Dienstverhältnis nach dem begründet wurde und welche dem Kollektivvertrag 'Dienst und Besoldungsordnung für die Bediensteten der österreichischen Privatbahnen' (DBO) unterliegen, sowie jene DienstnehmerInnen, deren Dienstverhältnis nach dem begründet wurde und welche dem neuen 'Kollektivvertrag für die Arbeitnehmer/innen der österreichischen Eisenbahnunternehmen' unterliegen.

Sachlich ausgenommen vom erweiterten Verjährungsverzicht sind allfällige Ansprüche dieser MitarbeiterInnen auf Differenzen, die am Tag der Abgabe dieses Verjährungsverzichtes dem Grunde oder der Höhe nach bereits verfallen oder verjährt sind. Es wird daher insbesondere nicht auf die Einrede der Verjährung hinsichtlich von Differenzbeträgen dem Grunde nach verzichtet, sofern die Verjährung diesbezüglich bereits am Tag der Abgabe dieser Erklärung eingetreten ist.

Dieser Verjährungsverzicht wird vorerst befristet bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des OLG Innsbruck in der Rechtssache ***** (Ablaufhemmung) an die beklagte Partei (Ö***** P***** AG) abgegeben.

Mit freundlichen Grüßen

Mag. P*****“

Infolge des Berufungsurteils gab die Ö***** H***** AG mit Schreiben vom folgenden Verjährungsverzicht ab:

„Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr; Verlängerung und Erweiterung des Verjährungsverzichts

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

in Bezug auf den mit Schreiben der Ö ***** H***** AG an den Vorsitzenden der Konzernvertretung vom abgegebenen Verjährungsverzicht für allfällige Gehaltsdifferenzen, die sich aus einer Neuberechnung des Vorrückungsstichtages unter Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten, die in einem Dienstverhältnis zum Unternehmen zurückgelegt wurden, und einer sich daraus ergebenen neuen Einstufung der betroffenen MitarbeiterInnen nach dem im Verhältnis zum bisher ausbezahlten Gehalt der MitarbeiterInnen ergeben haben, sind die Gesellschaften des Ö***** Konzerns bereit, die Wirksamkeit dieses Verjährungsverzichts unter den im zitierten Schreiben genannten Bedingungen (insbesondere hinsichtlich des erfassten Personenkreises und des sachlichen Umfanges) wie folgt zu verlängern:

Der ursprünglich vorerst befristet bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des OLG Innsbruck in der Rechtssache ***** (Ablaufhemmung) an die beklagte Partei (Ö***** P***** AG) abgegebene Verjährungsverzicht wird nunmehr inhaltlich unverändert befristet bis zum Ablauf von drei Monaten nach Rechtskraft des zu ergehenden OGH Urteils in Folge der außerordentlichen Revision gegen das Urteil des OLG Innsbruck *****, abgegeben.

Da in Folge der Entscheidungen durch den Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache Hütter () auch von den Arbeiternehmerlnnen der Gesellschaften des Ö***** Konzerns behauptet wird, dass die in § 35 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Ö***** (AVB) und die in § 3 der B***** Besoldungsordnung 1963 (BO) vorgesehenen Vordienstzeiten, welche bei Berechnung des Vorrückungsstichtages anzurechnen sind, bedingt durch die durch das Gleichbehandlungsgesetz 2004 (GlBG) neu geschaffene Rechtslage auch dann anzurechnen sind, wenn sie seitens des Dienstnehmers bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt wurden, und daraus ein Anspruch auf Neueinstufung der betroffenen MitarbeiterInnen sowie ein Anspruch auf Nachzahlung der sich daraus ergebenen Differenzen beim Gehalt seit Inkrafttreten des GlBG mit abzuleiten sei, sind die Gesellschaften des Ö*****-Konzerns trotz ausdrücklicher Bestreitung der Verpflichtung einer Neuberechnung des Vorrückungsstichtages unter Berücksichtigung von Vordienstzeiten, welche vor Inkrafttreten des neu erlassenen GlBG am liegen bereit, einen weiteren Verjährungsverzicht abzugeben.

Dieser erweiterte Verjährungsverzicht wird für allfällige Gehaltsdifferenzen, die sich aus einer Neuberechnung des Vorrückungsstichtages unter Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres (längstens jedoch ab Vollendung der Schulpflicht) liegenden, in § 35 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Ö***** (AVB) und in § 3 der B***** Besoldungsordnung 1963 (BO) vorgesehenen Vordienstzeiten, welche bei Berechnung des Vorrückungsstichtages anzurechnen sind, und einer sich daraus ergebenden neuen Einstufung der betroffenen MitarbeiterInnen nach dem in Verhältnis zum bisher ausbezahlten Gehalt der MitarbeiterInnen ergeben haben, unter den nachfolgenden Bedingungen abgegeben:

Vom Verzicht auf die Einrede der Verjährung (Ablaufhemmung) persönlich erfasst sind DienstnehmerInnen, die in einem aufrechten (aktiven) Dienstverhältnis zu einer Gesellschaft des Ö ***** Konzerns stehen und auf welche die Bestimmungen der AVB zur Anwendung kommen, sowie Ö***** Angestellte, die bereits einen Ruhegenuss nach den Bestimmungen des Bundesbahn-Pensionsgesetzes (BB PG) beziehen, im noch nicht von der Verjährung betroffenen Zeitraum jedoch noch in einem aktiven Dienstverhältnis zu einer Gesellschaft des Ö***** Konzerns standen.

Ausgenommen sind jene DienstnehmerInnen, deren Dienstverhältnis nach dem begründet wurde und welche dem Kollektivvertrag 'Dienst und Besoldungsordnung für die Bediensteten der österreichischen Privatbahnen' (DBO) unterliegen, sowie jene DienstnehmerInnen, deren Dienstverhältnis nach dem begründet wurde und welche dem neuen 'Kollektivvertrag für die Arbeitnehmer/innen der österreichischen Eisenbahnunternehmen' unterliegen.

Sachlich ausgenommen vom erweiterten Verjährungsverzicht sind allfällige Ansprüche dieser MitarbeiterInnen auf Differenzen, die am Tag der Abgabe dieses Verjährungsverzichtes dem Grunde oder der Höhe nach bereits verfallen oder verjährt sind. Es wird daher insbesondere nicht auf die Einrede der Verjährung hinsichtlich von Differenzbeträgen dem Grunde nach verzichtet, sofern die Verjährung diesbezüglich bereits am Tag der Abgabe dieser Erklärung eingetreten ist.

Dieser erweiterte Verjährungsverzicht wird ebenfalls befristet bis zum Auflauf von drei Monaten nach Rechtskraft des zu ergehenden OGH Urteils in Folge der außerordentlichen Revision gegen das Urteil des OLG Innsbruck, *****, abgegeben.

Mit freundlichen Grüßen

Mag. P*****“

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die am erfolgte Zurückziehung der außerordentlichen Revision durch die Antragsgegnerin im Verfahren des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits und Sozialgericht AZ ***** im Hinblick auf die Wirkung des Verjährungsverzichts einer rechtskräftigen Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof gleichzuhalten ist.

Am brachte die Antragstellerin beim Obersten Gerichtshof zu 9 ObA 15/15v (vormals 9 ObA 76/12k) einen ersten Feststellungsantrag gemäß § 54 Abs 2 ASGG ein.

Im bezughabenden Beschluss vom , 9 ObA 15/15v, stellte der Oberste Gerichtshof fest, dass jene Dienstnehmer der vom Fachverband der Schienenbahnen vertretenen Gesellschaften des Ö***** Konzerns, auf welche die Allgemeinen Vertragsbedingungen der Ö***** (AVB) oder die Besoldungsordnung der Ö***** (BO) zur Anwendung kommen und welche vor Vollendung des 18. Lebensjahres Vordienstzeiten gemäß § 35 AVB erworben haben, einen Anspruch auf Anrechnung dieser Zeiten betreffend die Ermittlung ihres Vorrückungsstichtags haben, wobei es bei der Neufestsetzung des jeweiligen Vorrückungsstichtags zu keiner Verlängerung des für die Vorrückung in den jeweils ersten drei Gehaltsstufen erforderlichen Zeitraums kommt.

Diese Entscheidung wurde der Antragstellerin am zugestellt.

Am brachte die Antragstellerin den vorliegenden zweiten Antrag mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Begehren ein und führte zusammengefasst aus, die Antragsgegnerin stehe angesichts der durchgehenden Kette von Verjährungsverzichten bzw dem verjährungshemmenden Umstand der Einbringung des Antrags nach § 54 Abs 2 ASGG vom zu Unrecht auf dem Standpunkt, dass die Verjährungsverzichte vom 1. 9. bzw obsolet seien und lediglich die Verjährungshemmung des § 54 Abs 5 ASGG im Zusammenhang mit der Antragstellung zu 9 ObA 15/15v beachtlich sei. Im Hinblick auf die Einbringung des gegenständlichen Antrags werde die Verjährung erneut gemäß § 54 Abs 5 ASGG gehemmt. Die Ansprüche seien nicht verjährt.

Die Antragsgegnerin beantragt die Zurück bzw Abweisung des Antrags und wendet dagegen ein, die Verjährungsverzichte seien angesichts des Verfahrens AZ ***** des Landesgerichts Innsbruck abgegeben worden, das die Rechtslage vor Einführung des § 53a BBG betroffen habe. Sie hätten „bis zum Ablauf von drei Monaten nach Rechtskraft des zu ergehenden OGH Urteils in Folge der Revisionserhebung“ gegolten. Der dreimonatige Fristablauf habe mit Rücknahme der Revision am begonnen. Die betroffenen Arbeitnehmer hätten aber bis keine individuellen Leistungsklagen erhoben, sodass bereits deshalb Verjährung eingetreten sei. Der zu 9 ObA 15/15v eingebrachte Feststellungsantrag habe keine Verjährungshemmung bewirkt, weil er sich nicht auf das alte Dienstrecht, sondern die Auslegung der mit BGBl I 129/2011 geschaffenen Neuregelung der Vordienstzeitanrechnung durch § 53a BBG und ihre Unionsrechtskonformität bezogen habe. Es habe daher ein anderer Sachverhalt vorgelegen. Selbst bei Annahme eines einheitlichen Sachverhalts könne der vorliegende Feststellungsantrag keine erneute Verjährungshemmung nach § 54 Abs 5 ASGG auslösen, weil das Verfahren 9 ObA 15/15v mit der Zustellung des rechtskräftig beendet worden sei, innerhalb der daran anknüpfenden Dreimonatsfrist keine individuellen Leistungsklagen eingebracht worden seien und nach der Entscheidung 9 ObA 505/89 eine weitere Feststellungsklage diese Frist nicht nochmals hemmen könne.

Rechtliche Beurteilung

Folgendes war vom Obersten Gerichtshof zu erwägen:

1. Gemäß § 54 Abs 2 ASGG können kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Rahmen ihres Wirkungsbereichs gegen eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer bzw der Arbeitgeber beim Obersten Gerichtshof einen Antrag auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen anbringen, die einen von namentlich bestimmten Personen unabhängigen Sachverhalt betreffen.

Der Antrag muss eine Rechtsfrage des materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach § 50 ASGG zum Gegenstand haben, die für mindestens drei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer von Bedeutung ist. Die Rechtsfrage kann beliebige materiell rechtliche Probleme betreffen, sofern sie in Arbeitsrechtssachen zum Tragen kommen, auch wenn es sich um keine rein arbeitsrechtlichen Rechtsfragen, sondern um allgemeine, auch auf andere Gebiete des Zivilrechts übergreifende Rechtsfragen wie zB Fälligkeit und Verjährung handelt (s schon Gamerith , Die besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 ASGG, DRdA 1988, 303 [313]; 9 ObA 505/89). Gemäß § 54 Abs 4 ASGG hat der Oberste Gerichtshof über den Feststellungsantrag auf der Grundlage des darin angegebenen Sachverhalts zu entscheiden.

Diese allgemeinen Voraussetzungen sind im Anlassfall gegeben. Hervorzuheben ist, dass dem Antrag auch nicht derselbe anspruchsbegründende Sachverhalt wie dem zu 9 ObA 15/15v entschiedenen Antrag zugrunde liegt, weil die Antragstellerin im vorliegenden Fall geklärt wissen will, ob sich die von der Antragsgegnerin vertretenen Gesellschaften des Ö***** Konzerns nun zu Recht auf die begrenzte Wirkung der Verjährungsverzichte vom 1. 9. bzw berufen.

2. Gemäß § 54 Abs 5 zweiter bis vierter Satz ASGG sind für die Dauer des Verfahrens über eine solche Feststellungsklage oder einen solchen Antrag alle Fristen zur Geltendmachung des Anspruchs des Berechtigten gehemmt. Nach Beendigung des Verfahrens steht dem Berechtigten zur Erhebung der Leistungsklage zumindest noch eine Frist von drei Monaten offen; war die ursprüngliche Frist kürzer, so steht dem Berechtigten nur diese offen. Der Beendigung steht das Ruhen des Verfahrens gleich.

Durch die Regelung des § 54 Abs 5 ASGG soll vermieden werden, dass die zur Leistungsklage Berechtigten bei längerer Dauer des Feststellungsverfahrens gezwungen werden, Leistungsklagen zu erheben, um nicht ihres Rechts verlustig zu gehen (RV 7 BlgNR 16. GP 48), würde doch sonst der Zweck der besonderen Feststellungsverfahren, die Austragung von Einzelrechtsstreitigkeiten zu vermeiden, vereitelt ( Neumayr in Neumayr/Reissner , ZellKomm 2 II ASGG § 54 Rz 12; Kuderna , ASGG 2 360). Die Bestimmung erfasst sowohl Verjährungs als auch Fallfristen. Nach herrschender Ansicht handelt es sich um die Anordnung einer Fortlaufshemmung, bei der der weitere Fristenlauf gehemmt ist, sodass dem Berechtigten nach Wegfall des Hemmungsgrundes, dh nach Beendigung des Verfahrens, die gesamte restliche Frist, zumindest aber noch drei Monate und bei kürzerer Frist noch diese offen steht ( Neumayr aaO § 54 Rz 12; Gamerith , DRdA 1988, 315; Kuderna , ASGG 2 352). Die Verfahrensbeendigung tritt mit Zustellung der nicht mehr anfechtbaren oder angefochtenen Entscheidung an alle Verfahrensparteien ein. Der durch die Fristenhemmung nach § 54 Abs 5 ASGG gewährte Schutz der individuellen Leistungsansprüche der einzelnen Berechtigten besteht jedenfalls im Wirkungsbereich der Parteien (§ 54 Abs 2 ASGG) unabhängig davon, ob das Verfahren durch eine Sach oder Formalentscheidung beendet wird (RIS Justiz RS0085749; s auch RS0085750 = 9 ObA 505/89; Kuderna , ASGG 2 361 f).

3. Der Verjährung kann nach § 1502 ABGB im Voraus nicht wirksam entsagt werden. Einem dennoch erfolgten Verjährungsverzicht kommt nach der Rechtsprechung daher die Wirkung zu, dass er vor Ablauf der bereits eingetretenen Verjährung grundsätzlich unwirksam ist, dem Forderungsberechtigten aber die Replik der Arglist auf eine erhobene Verjährungseinrede ermöglicht (2 Ob 92/11k; RIS Justiz RS0014828; R. Madl in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.02 § 1502 ABGB Rz 2; Mader/Janisch in Schwimann , ABGB 3 § 1502 Rz 1). Dies bedeutet, dass der Lauf der Verjährung eines von einem Verjährungsverzicht erfassten Anspruchs zwar nicht gehemmt wird und insofern dennoch verjähren kann, der Forderungsberechtigte aber dem die Verjährung einwendenden Schuldner die Gegeneinrede der Arglist entgegenhalten kann, wodurch diesem im Ergebnis keine wirksame Berufung auf die Verjährung möglich ist. Auf diese dogmatische Einordnung muss es hier jedoch nicht ankommen: Denn auch wenn die Antragstellerin die Feststellung begehrt, dass die im Spruch ersichtlichen Ansprüche im Hinblick auf die Verjährungsverzichte vom 1. 9. und „nicht verjährt“ sind, schließt der Antrag zwanglos das Verständnis mit ein, dass die von der Antragsgegnerin vertretenen Gesellschaften des Ö***** Konzerns wegen der Verjährungsverzichte lediglich nicht berechtigt sein sollen, verjährten Ansprüchen die Einrede der Verjährung wirksam entgegenzuhalten.

Damit ist die Reichweite der Verjährungsverzichte zu prüfen.

4. In personeller Hinsicht betraf die zu AZ ***** beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachte Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG die beim Betrieb B***** Tirol/Vorarlberg der Ö*****-P***** AG beschäftigten Mitarbeiter. Beide im Zuge dieses Verfahrens abgegebenen Verjährungsverzichte sind dagegen umfassend formuliert und beziehen sich auf alle dort genannten Mitarbeiter der Gesellschaften des Ö*****-Konzerns.

5. In zeitlicher Hinsicht sind die Verjährungsverzichte nach ihrem Wortlaut bis zum „Ablauf eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des OLG Innsbruck in der Rechtssache *****“ (Schreiben vom ) bzw „bis zum Ablauf von drei Monaten nach Rechtskraft des zu ergehenden OGH Urteils in Folge der außerordentlichen Revision gegen das Urteil des OLG Innsbruck *****“ (Schreiben vom ) befristet. Mangels anderer Anhaltspunkte kann ein zeitlich befristeter Verjährungsverzicht zunächst nicht anders verstanden werden, als dass sich der Schuldner bereit erklärt, bei einer Forderung auf den Einwand der Verjährung zu verzichten, wenn sie bis zum Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Auch die verfahrensgegenständlichen Verjährungsverzichte bedeuten daher zunächst nur, dass die von der Antragsgegnerin vertretenen Gesellschaften des Ö*****-Konzerns bereit waren, bei Dienstnehmerforderungen, die bei Abgabe der Verjährungsverzichte nicht verjährt waren und die bis zum Fristablauf gerichtlich geltend gemacht werden, keine Verjährungseinrede zu erheben. Für erst nach Fristablauf gerichtlich geltend gemachte Forderungen gelten die Verjährungsverzichte daher nicht (mehr).

6. Die Antragstellerin geht nun offenbar davon aus, dass die am erfolgte erste Antragstellung nach § 54 Abs 2 ASGG einer gerichtlichen Geltendmachung der Individualansprüche gleichzuhalten ist.

Unzweifelhaft besteht der gesetzliche Zweck eines Antrags nach § 54 Abs 2 ASGG in der kollektiven Klärung eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes. Daraus wäre für die Antragstellerin nur dann etwas zu gewinnen, wenn die Verjährungsverzichte als solche dahin zu verstehen sind, dass der Verjährungseinwand auch dann nicht erhoben wird, wenn die von den Verzichten erfassten Individualansprüche Gegenstand eines künftigen Feststellungsverfahrens iSd § 54 Abs 2 ASGG sind. Für ein solches Verständnis bietet aber schon der Wortlaut der Verjährungsverzichtserklärungen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Ihm stünde aber auch die Bedeutung eines Feststellungsverfahrens nach § 54 Abs 2 ASGG entgegen, weil dieses lediglich der Klärung abstrakter arbeitsrechtlicher Fragen dient (s Neumayr in ZellKomm 2 § 54 ASGG Rz 1) und der Wert der Entscheidung auch nicht in einer erweiterten Rechtskraftwirkung für Individualansprüche von Arbeitnehmern, sondern lediglich auf faktischer Ebene in ihrem Gewicht liegt (s RIS-Justiz RS0085545; Neumayr aaO Rz 11).

7. Dass sich nach Abgabe der Verjährungsverzichte eine Änderung der Rechtslage durch die Einführung des § 53a BBG ergab, die bezüglich derselben Ansprüche arbeitnehmerseitig einen weiteren Klarstellungsbedarf hervorrief, ändert daran nichts, weil die neue Bestimmung erst nach Abgabe der Verjährungsverzichte in Kraft trat, die Verjährungsverzichte damit aber ohne neuerliche Verlängerung nicht von vornherein dahin verstanden werden konnten, dass die Gesellschaften des Ö***** Konzerns auch diese Klärung abzuwarten bereit waren.

Andere Gründe, die ein weitergehendes Verständnis der Verjährungsverzichte nahelegen würden, bringt die Antragstellerin nicht vor.

8. Dass mit der Einbringung des ersten Feststellungsantrags nach § 54 Abs 2 ASGG am laufende Verjährungsfristen gehemmt wurden, resultiert aus der beschriebenen Wirkung des § 54 Abs 5 ASGG, nicht aber aus den Verjährungsverzichten vom 1. 9. bzw , weil diesen, wie dargelegt, schon grundsätzlich keine hemmende Wirkung zukommt (sondern dem Verzichtenden lediglich die Berufung auf den Einwand der Verjährung versagt) und die zeitliche Wirkung der Verzichte auch nicht über den rechtskräftigen Abschluss der nach § 54 Abs 1 ASGG geführten Feststellungsklage (+ drei Monate) hinausging. Die hemmende Wirkung des Feststellungsantrags nach § 54 Abs 2 ASGG vom konnte daher nur jene Ansprüche erfassen, die zum Zeitpunkt dieser Antragstellung nicht verjährt waren.

9. Im Hinblick auf die Mitarbeiter der von der Antragsgegnerin vertretenen Gesellschaften des Ö***** Konzerns mit Ausnahme jener des Betriebs B***** Tirol/Vorarlberg betraf die Hemmungswirkung des am eingebrachten Feststellungsantrags bei einer dreijährigen Verjährungsfrist die nach dem , nicht aber davor fällig gewordenen Ansprüche. Im Hinblick auf die Mitarbeiter des Betriebs B***** Tirol/Vorarlberg trat die Hemmungswirkung dagegen schon mit der am eingebrachten Klage nach § 54 Abs 1 ASGG ein und wurde mit der Einbringung des ersten Feststellungsantrags nach § 54 Abs 2 ASGG vom lediglich prolongiert. Auch dies ist aber keine Wirkung der Verjährungsverzichte, sondern Folge der gesetzlich angeordneten Hemmungswirkung des § 54 Abs 5 ASGG.

10. Das Interesse der Antragstellerin liegt nach dem Inhalt des hier beantragten Spruchs in der Feststellung, dass die Ansprüche der darin genannten Arbeitnehmer im Hinblick auf die von der Ö*****-H***** AG abgegebenen Verjährungsverzichte vom und nicht verjährt sind. Da den Verjährungsverzichten, wie dargelegt, aber eine solche Bedeutung nicht zukommt, ist der vorliegende Antrag abzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00099.15X.0421.000