OGH vom 28.08.2012, 14Os85/12z

OGH vom 28.08.2012, 14Os85/12z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richters Mag. Falmbigl als Schriftführer in der Strafvollzugssache des Maximilian P***** wegen bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe, AZ 184 BE 102/12h des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom , AZ 21 Bs 254/12z, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, und des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom , AZ 21 Bs 254/12z, verletzt, soweit darin die bedingte Entlassung des Maximilian P***** angeordnet und eine dreijährige Probezeit bestimmt wurde, §§ 46 Abs 1 und 48 Abs 1 StGB.

Der Beschluss wird in diesem Umfang ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom , GZ 141 Hv 13/12h 36, wurde Maximilian P***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 2 und 3, 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde der Vollzug eines Teils dieser Freiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom , GZ 184 BE 102/12h-7, wurde die bedingte Entlassung des Verurteilten aus dem unbedingten Teil der Freiheitsstrafe abgelehnt. Dagegen erhob der Verurteilte anlässlich der Bekanntgabe der Entscheidung Beschwerde, die er trotz entsprechenden Vorbehalts (ON 8 im Akt 184 BE 102/12h) nicht ausführte.

Maximilian P***** wurde nach Verbüßung des unbedingten Teiles der Freiheitsstrafe zur Gänze am , 8:05 Uhr, aus der Strafhaft entlassen (§ 148 Abs 2 StVG; ON 53 der Hv-Akten).

Mit Beschluss vom selben Tag, AZ 21 Bs 254/12z (ON 10 im Akt AZ 184 BE 102/12h) gab das Oberlandesgericht Wien seiner Beschwerde Folge und ordnete die bedingte Entlassung des Genannten nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG unter Setzung einer dreijährigen Probezeit nach § 48 Abs 1 StGB an, wobei es in der Begründung auf das urteilsmäßige Strafende am hinwies (BS 1).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht dieser Beschluss mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Zwar hat das Beschwerdegericht nach § 89 StPO außer den hier nicht in Rede stehenden Fällen des Abs 2 und Abs 2a dieser Bestimmung (hier iVm § 17 Abs 3 StVG) stets (also auch bei „Wegfall der Beschwer“, etwa nach Vollzug der angefochtenen Entscheidung) in der Sache zu entscheiden (ErläutRV 25 BlgNR 22. GP 75; vgl auch Pilnacek/Pleischl , Das neue Vorverfahren Rz 354; Fabrizy , StPO 11 § 89 Rz 3, 3 f; Nimmervoll , Beschluss und Beschwerde in der StPO, 191), dabei aber auch Umstände zu berücksichtigen, die nach dem bekämpften Beschluss eingetreten oder bekannt geworden sind (§ 89 Abs 2b erster und zweiter Satz StPO).

Hat ein Verurteilter die über ihn verhängte Strafe zur Gänze verbüßt, ist er ohne Bedingungen zu enthaften. Gegenstand einer Entscheidung nach § 46 Abs 1 StGB ist die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe, was zwingend einen noch zu vollziehenden Strafrest voraussetzt. Die Bestimmung einer Probezeit nach § 48 Abs 1 StGB kommt hinwieder nur bei bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe in Frage.

Indem sich das Oberlandesgericht trotz Kenntnis sowohl des errechneten als auch des tatsächlichen Strafendes (ON 53 der Hv-Akten; ON 1 S 9 im Akt 184 BE 102/12h) in seiner nach diesem Zeitpunkt getroffenen Entscheidung (vgl dazu RIS-Justiz RS0096901) nicht darauf beschränkte, die Gesetzmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses zu überprüfen ( Tipold , WK-StPO § 89 Rz 15 mwN), sondern nach Wegfall des diesbezüglichen Entscheidungsgegenstands darüberhinaus die bedingte Entlassung des Verurteilten unter Bestimmung einer Probezeit anordnete, hat es das Gesetz in §§ 46 Abs 1 und 48 Abs 1 StGB verletzt.

Der insoweit wirkungslose Beschluss war daher im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang zur Klarstellung zu beseitigen (RIS-Justiz RS0116267; Ratz , WK-StPO § 292 Rz 45).

Einer Verweisung der Sache an das Oberlandesgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts, mit dem seine bedingte Entlassung abgewiesen worden war, bedarf es entgegen der Ansicht der Generalprokuratur im Hinblick auf den verbleibenden Teil des Beschlusses nicht, weil sich das Beschwerdegericht insoweit § 89 StPO entsprechend mit dem Rechtsmittel meritorisch auseinandergesetzt und in seiner Begründung Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich verneint hat, wofür der gesamte Inhalt eines Beschlusses Raum bietet. Formvorschriften für den Spruch derartiger Beschlüsse kennt § 86 Abs 1 zweiter Satz StPO anders als etwa § 260 Abs 1 StPO für Strafurteile nicht (vgl 14 Os 108/08a).