OGH vom 24.06.2020, 10ObS77/20a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Mag. Martin Reihs, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1030 Wien, Haidingergasse 1, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Krankengeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 138/19s13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom , GZ 24 Cgs 154/18i8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Sozialrechtsstreits ist die Gewährung eines höheren Krankengeldes an den Kläger als das ihm zuerkannte von 15,28 EUR täglich ab dem bis zum . Strittig ist, ob für die Berechnung dieses Anspruchs gemäß § 41 Abs 1 AlVG auf den letzten tatsächlichen Notstandshilfebezug des Klägers abzustellen ist (Standpunkt der Beklagten) oder ob von einem ab fiktiv gebührenden höheren Notstandshilfeanspruch auszugehen ist, weil mit der Novelle des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, BGBl I 2017/157, die Anrechnung des Partnereinkommens auf diesen Anspruch abgeschafft wurde (Standpunkt des Klägers).
Der Kläger bezog im Zeitraum von bis Notstandshilfe in Höhe von 15,28 EUR täglich.
Von bis war der Kläger arbeitsunfähig infolge Krankheit. Er bezog in diesem Zeitraum von der Wiener Gebietskrankenkasse ein Krankengeld in Höhe von 15,28 EUR täglich.
Mit Bescheid vom wies die Wiener Gebietskrankenkasse den Antrag des Klägers auf Gewährung eines höheren Krankengeldes als 15,28 EUR täglich für die Zeit ab dem ab.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Zuerkennung eines höheren Krankengeldes als 15,28 EUR täglich ab dem . Mit Wirksamkeit ab sei die Berücksichtigung des Partnereinkommens bei der Berechnung der Notstandshilfe (§ 36 Abs 2 und 3 AlVG) abgeschafft worden. Die Notstandshilfe werde von Amts wegen ohne Anrechnung des Partnereinkommens ab neu bemessen und ausgezahlt. Der Kläger hätte ohne Anrechnung des Partnereinkommens und des Familienzuschlags ab einen Anspruch auf Notstandshilfe in Höhe von 30,69 EUR täglich gehabt. Da ihm aber auch über den hinaus ein Krankengeld in Höhe der ursprünglich unter Anrechnung des Partnereinkommens ermittelten Notstandshilfe bezahlt worden sei, werde er als Arbeitsloser, der infolge Krankheit arbeitsunfähig sei, in unsachlicher Weise schlechter behandelt als ein arbeitsfähiger Arbeitsloser.
Dagegen wandte die Beklagte ein, dass Krankengeld gemäß § 41 Abs 1 AlVG in der Höhe der zuletzt nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz bezogenen Leistung gebühre. Der letzte Notstandshilfebezug vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit am habe 15,28 EUR täglich betragen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Zuerkennung eines höheren Krankengeldes als 15,28 EUR täglich für den Zeitraum von bis ab. Die Höhe des dem Kläger gebührenden Krankengeldes ergebe sich aus § 41 Abs 1 AlVG nach dem letzten tatsächlichen Bezug an Notstandshilfe, woran die Novellierung des AlVG mit BGBl I 2017/157 nichts ändere.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts mit ausführlicher Begründung. Die Revision ließ es mit der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zutreffenden Begründung zu, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage fehle.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers, mit der er die Stattgebung der Klage anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.
Mit der hier zu lösenden Rechtsfrage und den auch hier vom Revisionswerber vorgetragenen Argumenten hat sich der Oberste Gerichtshof erst jüngst in der Entscheidung vom , 10 ObS 11/20w, auseinandergesetzt. Die dortigen Ausführungen lassen sich zusammengefasst im Wesentlichen wie folgt wiedergeben:
1.1 Maßgeblich für die Beurteilung des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs ist die Bestimmung des § 41 Abs 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl 1977/609 (AlVG) idF des SRÄG 2013, BGBl I 2013/67 (§ 79 Abs 130 AlVG), wonach das Krankengeld in der Höhe der zuletzt (tatsächlich) bezogenen Leistung nach dem AlVG gebührt (ohne Berücksichtigung eines allfälligen Zusatzbetrags gemäß § 20 Abs 6 AlVG).
1.2 Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass der letzte tatsächliche Bezug des Klägers nach dem AlVG vor Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit am (§ 120 Z 2 ASVG) der Bezug der Notstandshilfe in Höhe von 15,28 EUR pro Tag war. Ein weiterer Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit – § 41 Abs 1 letzter Satz AlVG verweist auf § 139 Abs 3 ASVG – lag nicht vor.
2.1 Mit der Änderung des AlVG durch die Novelle BGBl I 2017/157 wurde die Anrechnung des Partnereinkommens bei der Berechnung der Notstandshilfe durch die Novellierung des § 36 Abs 2 und 3 AlVG abgeschafft. Mit dieser Novellierung sollte eine Ungleichbehandlung der durch die Anrechnung des Partnereinkommens überwiegend benachteiligten Frauen endgültig beendet werden. Ab entfiel auch der Anspruch auf Kranken und Pensionsversicherung für Personen, die ausschließlich wegen Berücksichtigung des Partnereinkommens keinen Anspruch auf Notstandshilfe haben.
2.2 Aus § 81 Abs 14 Satz 2 AlVG ergibt sich, dass eine amtswegige Umstellung auf die Notstandshilfe für Personen, die am nur aufgrund der bisher erfolgten Einrechnung des Partnereinkommens keinen Anspruch auf Notstandshilfe hatten (§ 34 AlVG aF), mit dann nicht erfolgte, wenn der Anspruch auf Notstandshilfe – wie im Fall des Klägers – zu diesem Zeitpunkt ruhte.
3.1 Es liegt kein Hinweis vor, dass der Gesetzgeber mit diesen Änderungen auch die Höhe des Anspruchs auf Krankengeld nach § 41 Abs 1 AlVG dessen Bezugs ändern wollte. § 41 Abs 1 AlVG wurde nämlich durch das BGBl I 2017/157, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinwies, nicht geändert. Eine Grundlage für die vom Kläger gewünschte Berechnung des Krankengeldes gemäß § 41 Abs 1 AlVG nach einer bloß fiktiven Höhe eines Notstandsbezugs per findet sich im Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung nicht.
3.2 Das Krankengeld nach dem AlVG soll nur den infolge des Eintritts des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit eingetretenen Ausfall des sonst weiterlaufenden Bezugs nach dem AlVG kompensieren (10 ObS 115/92 SSVNF 6/111). Eine Änderung der familiären Situation oder des Einkommens wird nach der Absicht des Gesetzgebers nicht während des Krankengeldbezugs, sondern erst im Zeitpunkt des Fortbezugs der Leistung aus dem AlVG nach dem Wegfall des Krankengeldbezugs (bzw des Ruhenstatbestands) wirksam. Bereits vor der Novelle BGBl I 2017/157 führte daher nicht einmal eine – selbst gravierende – Änderung der Familien oder Einkommensverhältnisse (etwa die Trennung vom Partner) zu einer Änderung der Höhe des Krankengeldes nach dem AlVG. Um so weniger ist dies für eine Situation wie die vorliegende anzunehmen, in der eine Rechtsänderung nicht die Höhe des Anspruchs auf Krankengeld nach dem AlVG, sondern lediglich jene der Notstandshilfe betrifft, die überdies im hier strittigen Zeitraum wegen des Krankengeldbezugs ruhte (§ 16 Abs 1 lit a AlVG).
4.1 Die vom Revisionswerber behauptete Gleichheitswidrigkeit des § 41 Abs 1 AlVG liegt nicht vor. Gesetzgeberisches Ziel des § 41 Abs 1 AlVG ist nur der Erhalt des letzten Leistungsbezugs nach dem AlVG im Fall eines Krankengeldanspruchs. Eine Durchschnittsbetrachtung, die den Ausfall des Arbeitsverdienstes ausgleichen soll, wird im Bereich der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen. Folgte man dem Standpunkt des Klägers, wäre dieser gegenüber Krankengeldbeziehern, deren familiäre oder Einkommensverhältnisse sich aus anderen Gründen als jenem des Wegfalls der Einrechnung des Partnereinkommens verändern, ohne dass dies zu einer Neubemessung des Krankengeldes nach dem AlVG führt, besser gestellt.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00077.20A.0624.000 |
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