OGH vom 17.12.2012, 9Nc36/12m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon. Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** A*****, vertreten durch B S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei U*****, vertreten durch DLA PIPER WEISS TESSBACH Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 5.260.209,24 EUR, im Verfahren über die Befangenheitsanzeige des Hofrats des Obersten Gerichtshofs ***** Dr. G***** vom über den Antrag der klagenden Partei auf Übermittlung der Befangenheitsanzeige den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Das genannte Mitglied des Senats zeigte selbst Gründe an, aus denen allenfalls der objektive Anschein der Befangenheit entstehen könnte (für die Beklagte bzw Konzerngesellschaften der Beklagten erstattete Gutachten).
Der für die Behandlung dieser Befangenheitsanzeige zuständige erkennende Senat hat diese Anzeige bereits mit Beschluss vom als berechtigt beurteilt und die Befangenheit festgestellt. Damit ist das Mitglied rechtswirksam aus dem Senat ausgeschieden und das Verfahren über diese Anzeige beendet.
Nunmehr beantragt die Klägerin die Übermittlung der Befangenheitsanzeige und aller damit im Zusammenhang stehenden Aktenstücke.
Eine Übermittlung von Aktenstücken an Parteien ist nicht vorgesehen. Auch wurde das Verfahren über die Befangenheitsanzeige bereits rechtskräftig beendet.
Ergänzend ist zu bemerken, dass das Ablehnungsverfahren bisher weitgehend ganz allgemein als einseitiges Verfahren gesehen wurde (zB 1 Ob 46/89; 1 Ob 191/00w; 4 Ob 328/00i; 4 Ob 193/03s, Fasching , Lehrbuch des österreichischen Zivilprozessrechts 2 [1990] Rz 165; Ballon in Fasching / Konecny 2 I [2000] § 24 Rz 1; Mayr in Rechberger 3 § 24 JN Rz 1). Art 87 Abs 3 B VG verbürgt das Recht auf den gesetzlichen Richter ( Piska in Korinek / Holoubek , Österreichisches Bundesverfassungsrecht [Loseblatt] Art 87/3 B VG Rz 12; zum [relativen] Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 2 ZPO RIS Justiz RS0039916). Dies mag bei einem Ablehnungsantrag einer Partei, bei dem dem Recht des Ablehnungswerbers auf ein Verfahren vor einem unparteiischen Gericht (Art 6 EMRK), das im Weg der Ablehnung ein Abweichen von der Geschäftsverteilung erforderlich machen kann, ein in gleicher Weise verfassungsrechtlich begründetes Recht der anderen Partei gegenüber steht, für eine Zweiseitigkeit des Ablehnungsverfahrens sprechen (so 4 Ob 143/10y). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Richter selbst seine Befangenheit anzeigt. So hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom zu 9 Nc 9/12s die besondere Funktion der Anzeige durch den Richter selbst verdeutlicht. Liegt dieses doch einerseits in der Vorsorge für eine den Ansprüchen des Art 6 EMRK, aber auch des Art 47 der Grundrechtecharta entsprechende Gerichtsbarkeit, aber aus dienstrechtlicher Sicht auch in der Entbindung des Richters von seinen Dienstpflichten iSd § 57 Abs 1 RStDG. Insoweit wird einem Richter, der sich etwa wegen seiner persönlichen Beziehung zu einer Verfahrenspartei zur Wahrnehmung einer unparteiischen Amtsausübung nicht in der Lage sieht, auch eine subjektive Rechtsposition eingeräumt (vgl zur Rechtsmittellegitimation Mayr in Rechberger aaO § 24 JN Rz 4). Daraus lässt sich aber kein Anspruch auf Beteiligung der Verfahrensparteien im Sinne einer Übermittlung der Befangenheitsanzeige nach rechtskräftiger Entscheidung darüber ableiten.
Fundstelle(n):
LAAAE-13670