TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 23.07.2013, 10ObS77/13s

OGH vom 23.07.2013, 10ObS77/13s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter KR Hermann Furtner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Ing. Mag. Dr. Roland Hansely, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist Straße 1, wegen Ausgleichszulage, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 79/12d 54, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom , GZ 25 Cgs 191/09z 42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Im vorliegenden Rechtsstreit ist die Frage der Höhe einer der Klägerin für den Zeitraum vom bis zustehenden Ausgleichszulage bzw die Frage der Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung eines für den genannten Zeitraum allenfalls entstandenen Überbezugs strittig.

Die Klägerin bezog von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt in der Zeit vom bis eine Alterspension in Höhe von 346,95 EUR brutto monatlich. Weiters erhielt sie von der beklagten Partei vorschussweise an Ausgleichszulage für den Zeitraum vom bis 709,04 EUR monatlich und für den Zeitraum vom bis 352,75 EUR monatlich ausbezahlt.

Mit Bescheid vom stellte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt unter anderem fest, dass für den Zeitraum vom bis kein Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage bestehe, der für die Zeit vom bis (richtig: ) entstandene Überbezug an Ausgleichszulage in Höhe von 8.697,84 EUR rückgefordert und in Raten von 58 EUR von der monatlichen Leistung abgezogen werde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage zuletzt mit dem sinngemäßen Begehren, die beklagte Partei zur Zahlung einer Ausgleichszulage in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom bis zu verpflichten sowie festzustellen, dass sie nicht zum Rückersatz eines Überbezugs an Ausgleichszulage in Höhe von 8.697,84 EUR für den Zeitraum vom bis verpflichtet sei. Sie brachte im Wesentlichen vor, ihr bis Februar 2010 im gemeinsamen Haushalt lebender Ehegatte beziehe zwar seit eine Alterspension, er habe aber im Jahr 2007 über keine sonstigen Einkünfte verfügt. Er sei zwar Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der H***** Handels GmbH, beziehe aber als handelsrechtlicher Geschäftsführer keine Geschäftsführerbezüge, weil er im Hinblick auf die schlechte wirtschaftliche Lage der Gesellschaft auf die Auszahlung von Geschäftsführerbezügen verzichtet habe. Im Körperschaftssteuerbescheid 2007 vom seien Einkünfte aus Gewerbebetrieb der H***** Handels GmbH in Höhe von 14.892,88 EUR ausgewiesen. Nach Abzug von 11.169,66 EUR als steuerrechtlichen Verlustabzug verbleibe ein steuerpflichtiger Jahresgewinn 2007 in Höhe von 3.723,22 EUR. Da im Jahresabschluss der H***** Handels GmbH zum ein Bilanzverlust in Höhe von 1.726.530,85 EUR ausgewiesen sei und eine Gewinnausschüttung an die Gesellschafter erst möglich sei, wenn ein Bilanzgewinn ausgewiesen sei, sei für das Jahr 2007 keine Gewinnausschüttung an den Ehegatten der Klägerin erfolgt. Da es sich bei der H***** Handels GmbH um eine Kapitalgesellschaft und damit um ein eigenes Steuersubjekt handle, sei eine Zurechnung des Jahresgewinns 2007 laut Körperschaftssteuerbescheid an den Ehegatten der Klägerin als Gesellschafter nicht möglich.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens sowie die Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung des Überbezugs an Ausgleichszulage für das Jahr 2007 in Höhe von 8.697,84 EUR in monatlichen Raten zu jeweils 58 EUR. Sie wendete im Wesentlichen ein, für das Jahr 2007 sei von einem Einkommen des Ehegatten der Klägerin aus Gewerbebetrieb in Höhe von 10.743,68 EUR auszugehen. Der Verlustabzug dürfe im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung bei der Feststellung der Einkünfte des Ehegatten der Klägerin im gegenständlichen Zeitraum nicht berücksichtigt werden. Das Einkommen der Klägerin sowie das anrechenbare Einkommen des Ehegatten der Klägerin aus selbständiger Erwerbstätigkeit überstiegen die Höhe des für die Klägerin in Betracht kommenden Richtsatzes. Die als vorläufige Leistung gewährte Ausgleichszulage sei daher zurückzufordern.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin eine Ausgleichszulage in gesetzlicher Höhe im Zeitraum vom bis zu bezahlen, ebenso ab, wie das weitere Begehren der Klägerin, es werde festgestellt, dass ihre Pflicht zum Rückersatz des Überbezugs an Ausgleichszulage in der Höhe von 8.697,84 EUR für den Zeitraum vom bis nicht zu Recht bestehe. Über Antrag der beklagten Partei ergänzte das Erstgericht seinen Urteilsspruch dahin, dass es die Klägerin zur Rückzahlung des Überbezugs an Ausgleichszulage in Höhe von 8.697,84 EUR in monatlichen Raten zu jeweils 58 EUR verpflichtete.

Es stellte im Wesentlichen noch fest, dass die Klägerin mit ihrem Ehegatten bis Februar 2010 im gemeinsamen Haushalt lebte. Der Ehegatte der Klägerin bezog ab von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eine Alterspension in Höhe von 374,85 EUR monatlich. Er ist seit Alleingesellschafter und (jedenfalls) bis auch alleiniger Geschäftsführer der H***** Handels GmbH mit Sitz in Wien. Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Im Körperschaftssteuerbescheid 2007 sind für dieses Unternehmen Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 14.892,88 EUR brutto ausgewiesen. Nach Abzug von Körperschaftssteuer und Sozialversicherungsbeiträgen ergibt sich ein Gewinn von 10.743,68 EUR netto. Körperschaftssteuerrechtlich verbleibt nach Verrechnung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 14.892,88 EUR mit dem Verlustabzug in Höhe von 75 % ein steuerpflichtiges Jahreseinkommen 2007 von 3.723,22 EUR. Die Bilanz der H***** Handels GmbH weist zum bei einer Bilanzsumme von 34.889 EUR ein negatives Eigenkapital von 1.689.194,43 EUR bei Verbindlichkeiten gegenüber dem Ehegatten der Klägerin als Alleingesellschafter von 1.720.115,84 EUR auf. Zum Stichtag wies die Bilanz Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern in Höhe von 1.711.941,22 EUR auf. Der Umsatz der H***** Handels GmbH betrug im Jahr 2007 618.161,23 EUR. Die Aufwendungen für Wareneinkauf beliefen sich auf ca 548.000 EUR, sonstige Aufwendungen (im Wesentlichen Miete und Reisespesen) betrugen ca 47.000 EUR. Im Jahr 2007 kam es zu keiner Gewinnausschüttung. Der Ehegatte der Klägerin ließ sich weder sein Gesellschafterdarlehen verzinsen oder zurückzahlen noch ein (buchhalterisch dokumentiertes) Geschäftsführergehalt auszahlen.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass der Unternehmensgewinn, der aus dem Körperschaftssteuerbescheid ersichtlich sei, vermindert um die gesetzlichen Abzüge als Nettoeinkommen des Ehegatten der Klägerin bei der Berechnung des Anspruchs auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen sei, weil er dessen Vermögen real steigere. Im Übrigen verbiete es der subsidiäre, sozialhilfeähnliche Charakter der Ausgleichszulage, dass der Pensionsberechtigte von sich aus auf realisierbare Leistungen anderer Art verzichte. Die H***** Handels GmbH weise zwar Verbindlichkeiten in Höhe von 1.711.941,22 EUR auf, allerdings nur gegenüber ihrem Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer, der sich diesen Betrag weder verzinsen noch zurückzahlen lasse. Dieser Umstand sowie die Tatsache, dass sich der Geschäftsführer bei einem Jahresumsatz von ca 618.000 EUR auch kein Geschäftsführergehalt auszahlen lasse, widersprächen allen Gepflogenheiten des Wirtschaftslebens. Diese Umsatzgröße rechtfertige vielmehr (nach den Erfahrungen des Gerichts im Hinblick auf die Anwendung des § 292e EO) die Annahme eines angemessenen Geschäftsführergehalts von jedenfalls ca 3.000 EUR brutto monatlich. Es liege daher unter Berücksichtigung der festgestellten finanziellen Verhältnisse der H***** Handels GmbH durch die Geltendmachung von Ausgleichszulage Rechtsmissbrauch vor. Eine gegenteilige Auffassung hätte letztlich zur Folge, dass die Ausgleichszulage das dem Geschäftsführer zustehende Einkommen substituiere und damit zumindest mittelbar das Unternehmen finanziere.

Die Rückforderung der zu Unrecht gewährten Ausgleichszulage in der festgestellten Höhe gründe sich auf § 107 Abs 1 ASVG. Auch der Abzug in Höhe der monatlichen Raten von jeweils 58 EUR sei berechtigt, weil sich auch unter Abzug dieser Raten ein verbleibendes Resteinkommen von zumindest 90 % des anzuwendenden Richtsatzes ergebe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, der subsidiäre sozialhilfeähnliche Charakter der Ausgleichszulage verbiete es, dass der Pensionsberechtigte (hier der Ehegatte) von sich aus auf realisierbare Einkünfte verzichte. Im vorliegenden Fall sei wesentlich, dass die GmbH, deren Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der Ehegatte der Klägerin gewesen sei, im Jahr 2007 einen Gewinn (nach Steuern und Abgaben) in der Höhe von 10.743,68 EUR erwirtschaftet habe und dieser Gewinn vom Ehegatten der Klägerin als eigene Einkünfte (in der Form eines Geschäftsführerbezugs oder einer Gewinnausschüttung) realisiert hätte werden können. Bei dem nicht ausgeschütteten Gewinn könne von einer realen Vermögenssteigerung des Ehegatten der Klägerin gesprochen werden. Es werde nämlich damit das vom Ehegatten der Klägerin als Alleingesellschafter der Gesellschaft zur Verfügung gestellte Kapital (teilweise) bedeckt, sodass festgestelltermaßen von einem Nettogewinn von 10.743,68 EUR gesprochen werden könne, welcher grundsätzlich im Ausgleichszulagenrecht zu berücksichtigen sei. Bei einer solchen Fallkonstellation werde auch nicht der Judikatur widersprochen, wonach der Pensionsberechtigte nicht verpflichtet sei, seinen Vermögensstamm anzugreifen oder Vermögenswerte zu „versilbern“, also sein Kapital fruchtbringend anzulegen. Die beklagte Partei habe daher zu Recht den gewährten Vorschuss („vorläufige Leistung“) im Wege der gesetzlich eingeräumten Aufrechnung (§ 103 Abs 1 Z 3 ASVG) zurückgefordert.

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht die Frage entschieden habe, wie eine Konstellation in der gegebenen Fallgestaltung ausgleichszulagenrechtlich zu beurteilen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die Revisionswerberin erblickt eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darin, dass bereits das Erstgericht einen Vermögenszuwachs beim Ehegatten der Klägerin ohne ausreichendes Vorbringen der beklagten Partei und ohne Vorliegen entsprechender Beweisergebnisse angenommen habe. Die rechtsvernichtende Einwendung des möglichen Geschäftsführergehalts in Höhe von 3.000 EUR monatlich (§ 292e EO) hätte von der beklagten Partei als Tatsache, daher als Zahlungsfluss, behauptet und bewiesen werden müssen.

Weiters macht die Revisionswerberin geltend, der Ausgleichszulagenwerber sei nach ständiger Rechtsprechung nicht verpflichtet, Vermögenswerte zu versilbern oder sein Kapital fruchtbringend anzulegen. Nur die tatsächlich bezogenen Einkünfte vermindern seinen Anspruch auf Ausgleichszulage. Der Ehegatte könne daher als Geschäftsführer einer GmbH nicht dazu verhalten werden, finanzielle Vorteile aus der GmbH zu ziehen, insbesondere wenn die Gesellschaft über massives negatives Eigenkapital verfüge. Aufgrund der Bilanzdaten der H***** Handels GmbH würde bei einem Gewinn von lediglich 3.723,22 EUR die Auszahlung eines Geschäftsführerentgelts in der vom Erstgericht geschätzten Höhe unter Umständen strafrechtliche Folgen nach sich ziehen, da etwaige Gläubigerinteressen durch überhöhte Entnahmen und dem einhergehenden Liquiditätsentzug der GmbH geschädigt werden könnten. Auch eine Anrechnung nicht „ausgeschütteter Gewinne“ oder sonstiger unterbliebener Fruchtziehung aus der GmbH verstoße gegen den Regelungszweck des § 292 ASVG und die erwähnte Rechtsprechung. Im Übrigen seien der Klägerin Vermögenszuwächse aus der H***** Handels GmbH angerechnet worden, welche von keinem Vorbringen der beklagten Partei gedeckt seien. Die Vorinstanzen hätten die negative Feststellung treffen müssen, dass von der beklagten Partei zu Unrecht behauptete Einkünfte des Ehegatten der Klägerin nicht festgestellt werden könnten. Schließlich könne ein im Raum stehender Rechtsmissbrauch des Ehegatten der Klägerin nicht zu Lasten der Klägerin gehen, weil dadurch im Ergebnis eine Art Sippenhaftung geschaffen werde.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

1. Ein Anspruch auf Ausgleichszulage besteht gemäß § 292 Abs 1 und 2 ASVG, wenn die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und gegebenenfalls des Nettoeinkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten und der gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Unterhaltsansprüche die Höhe des für den Pensionsberechtigten gemäß § 293 ASVG geltenden Richtsatzes nicht erreicht. Unter Nettoeinkommen im Sinne dieser Bestimmung ist, sofern nicht einer der in § 292 Abs 4 bis 13 ASVG geregelten Sonderfälle vorliegt, nach § 292 Abs 3 ASVG die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge zu verstehen.

2. Der Ausgleichszulagenrichtsatz im Sinn des § 293 ASVG ist jener Betrag, der das „konventionelle Existenzminimum“ des Pensionsberechtigten (und des mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten) sichern soll. Für Ehegatten, die im gemeinsamen Haushalt leben, hat der Gesetzgeber einen eigenen „Familienrichtsatz“ (§ 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG) geschaffen, da er sie auch im Ausgleichszulagenrecht als Wirtschaftsgemeinschaft behandelt. Es ist daher bei der Feststellung eines Anspruchs auf Ausgleichszulage gemäß § 292 Abs 2 ASVG auch das gesamte Nettoeinkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen (vgl zuletzt 10 ObS 38/12d mwN). Gegen die Regelung über den sogenannten Familienrichtsatz bestehen nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs keine verfassungsrechtlichen Bedenken (RIS Justiz RS0084859).

2.1 Ehegatten, die im gemeinsamen Haushalt leben, werden vom Gesetzgeber als Wirtschaftsgemeinschaft behandelt. Mit Rücksicht darauf, dass bestimmte fixe Kosten (zB Kosten für Wohnung, Heizung, Beleuchtung usw) auch bei gemeinsamer Lebensführung nur einfach auflaufen, liegt der Familienrichtsatz nicht unerheblich unter der Summe der Richtsätze für zwei getrennt lebende Personen (vgl 10 ObS 201/03m, SSV NF 17/103 mwN).

2.2 Der Familienrichtsatz korrespondiert mit der Berücksichtigung des Nettoeinkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten nach § 292 Abs 2 ASVG. Die Definition des Nettoeinkommens in § 292 Abs 3 ASVG ist daher auch für das Einkommen des Ehegatten nach Abs 2 dieser Bestimmung maßgebend. Maßgebend ist abgesehen von den Fällen, in denen eine der Ausnahmen (Abs 4) oder Sonderregelungen zur Anwendung kommen (Abs 5 bis 13) stets die Summe aller Einkünfte der betreffenden Person in Geld oder Geldeswert, wobei ein Ausgleich mit Verlusten sowie eine Verminderung um die gesetzlichen Abzüge stattzufinden hat ( Pfeil in SV Komm § 292 ASVG Rz 17 f).

3. Nettoeinkommen ist im Sinn des § 292 Abs 3 ASVG jenes Einkommen, das als Aktivsaldo aus allen Einkommensarten letztlich verfügbar ist. Das ist jener Betrag, der dem Pensionisten real zur Verfügung steht. Es kommt daher nicht auf seine gesetzlichen oder vertraglichen Ansprüche an, sondern auf die ihm tatsächlich zukommenden Einkünfte ( Ziegelbauer in Sonntag [Hrsg], ASVG 4 § 292 Rz 11 mwN). Eine Ausnahme besteht lediglich im Hinblick auf rechtsmissbräuchlich nicht realisierte Ansprüche ( Pfeil in SV Komm § 292 ASVG Rz 18 mwN). Der Pensionist ist aber nicht verpflichtet, zur Verminderung seines Anspruchs auf Ausgleichszulage überhaupt ein Einkommen zu erzielen oder sich auf Einkunftsarten zu beschränken, die Erträge abwerfen. Der „Anspannungsgrundsatz“ kommt bei der Einkommensermittlung nicht zum Tragen, solange nicht Rechtsmissbrauch vorliegt ( Ziegelbauer in Sonntag [Hrsg], ASVG 4 § 292 Rz 12 mwN).

3.1 Der sozialversicherungsrechtliche Ein-kommensbegriff ist nicht mit dem steuerrechtlichen ident, jedoch können zur Ermittlung des maßgeblichen Nettoeinkommens die steuerrechtlichen Vorschriften in Einzelfällen herangezogen werden. So ist es etwa bei selbständig Erwerbstätigen im Ausgleichszulagenrecht gerechtfertigt, vom steuerlichen Gewinn, vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge auszugehen, weil dieser Betrag dem Pensionsberechtigten real zur Verfügung steht. Besondere steuerrechtliche Begünstigungen, die nur aus wirtschaftlichen Gründen vorgesehen sind (wie etwa Verlustvorträge etc) werden nicht berücksichtigt. Nach der Definition in § 292 Abs 3 erster Satz ASVG wird das Nettoeinkommen als Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit den Verlusten verstanden, wobei dieser Betrag lediglich um die gesetzlichen Abzüge zu vermindern ist (Steuern, Abgaben, Umlagen und Beiträge vgl Ziegelbauer in Sonntag [Hrsg], ASVG 4 § 292 Rz 13 f mwN).

3.2 Vor Berücksichtigung der Einkünfte ist ein „Ausgleich mit Verlusten“ durchzuführen. Daher sind bei Pensionsberechtigten, die Einkünfte aus mehreren Einkunftsarten beziehen, Verluste aus der einen mit Gewinnen aus einer anderen Einkunftsquelle gegenzurechnen, sodass auf das wirtschaftliche Gesamtergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher Einkunftsarten abzustellen ist. Ergibt sich daraus ein negativer Einkommenssaldo, schließt dies aber lediglich eine Anrechnung von Einkünften aus und führt nicht zu einem höheren Ausgleichszulagenanspruch ( Pfeil in SV Komm § 292 ASVG Rz 21 mwN). Es darf daher der Anspruch auf Ausgleichszulage durch Verluste aus anderen Einkunftsarten gegenüber einem Fall, in dem der Ausgleichszulagenwerber neben dem Pensionseinkommen über keinerlei Einkünfte verfügt, nicht erhöht werden (10 ObS 187/89, SSV NF 3/129). Eine Pension des Ehegatten des Ausgleichszulagenwerbers ist der eigenen Pension somit ungeschmälert, also ohne zuvor beim Ehegatten einen Ausgleich der Pension mit Verlusten vorzunehmen, hinzuzurechnen (10 ObS 337/97z, SSV NF 12/21). Verluste, die in vorangegangenen Wirtschaftsjahren entstanden sind, schmälern die für die Ermittlung der Ausgleichszulage maßgeblichen Einkünfte nicht (vgl RIS Justiz RS0085328; RS0057922).

4. Es ist daher im vorliegenden Fall mit Recht nicht strittig, dass die vom Ehegatten der Klägerin seit bezogene Alterspension bei der Berechnung des Anspruchs der Klägerin auf Ausgleichszulage als Nettoeinkommen (§ 292 Abs 2 ASVG) ungeschmälert zu berücksichtigen ist. Strittig ist lediglich die Frage, ob darüber hinaus auch ein Einkommen des Ehegatten der Klägerin aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen ist.

4.1 Die beklagte Partei hat dazu in ihrer Klagebeantwortung (ON 5) konkret vorgebracht, dass sich die Klägerin auf ihren Anspruch auf Ausgleichszulage für das Jahr 2007 Nettoeinkünfte ihres Ehegatten aus Gewerbebetrieb laut Körperschaftssteuerbescheid 2007 in Höhe von 10.743,68 EUR anrechnen lassen müsse. Die Vorinstanzen sind dieser Argumentation der beklagten Partei im Ergebnis gefolgt und haben dazu die Ansicht vertreten, dass die H***** Handels GmbH, deren Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der Ehegatte der Klägerin gewesen sei, im Jahr 2007 einen Gewinn (nach Steuern und Abgaben) in der Höhe von 10.743,68 EUR erwirtschaftet habe und dieser Gewinn vom Ehegatten der Klägerin als eigene Einkünfte (in der Form eines Geschäftsführerbezugs oder einer Gewinnausschüttung) realisiert hätte werden können. Bei dem nicht ausgeschütteten Gewinn könne von einer realen Vermögenssteigerung des Ehegatten der Klägerin gesprochen werden, weil damit das vom Ehegatten der Klägerin als Alleingesellschafter der Gesellschaft zur Verfügung gestellte Kapital (teilweise) bedeckt werde, sodass von einem im Ausgleichszulagenrecht zu berücksichtigenden Nettogewinn von 10.743,68 EUR für das Jahr 2007 ausgegangen werden könne.

4.2 Diesen Ausführungen der Vorinstanzen ist entgegenzuhalten, dass eine unmittelbare Zurechnung des im Körperschaftssteuerbescheid 2007 für die H***** Handels GmbH ausgewiesenen Jahresgewinns an den Ehegatten der Klägerin nicht möglich ist, weil es sich dabei um unterschiedliche Rechtssubjekte handelt und eine unmittelbare Zurechnung eines Einkommens eines anderen Rechtssubjekts auch im Ausgleichszulagenrecht nicht vorgesehen ist. Der Ehegatte der Klägerin könnte lediglich über die Auszahlung von Geschäftsführerbezügen oder über eine Gewinnausschüttung zu Einkünften aus der H***** Handels GmbH gelangen. Das Erstgericht hat dazu festgestellt, dass es im Jahr 2007 zu keiner Gewinnausschüttung gekommen ist und der Ehegatte der Klägerin auch kein („buchhalterisch dokumentiertes“) Geschäftsführergehalt bezogen hat.

4.3 Die Klägerin hat dazu bereits in ihrer Klage vorgebracht, dass das von ihrem Ehegatten betriebene Unternehmen keinen Gewinn abwerfe und es auch zu keiner Gewinnausschüttung komme, sodass ein weiteres Einkommen ihres Ehegatten (neben seinem Pensionsbezug) nicht bestehe. Weiters machte die Klägerin ausdrücklich geltend, dass ihr Ehegatte aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft keine Geschäftsführerbezüge erhalten habe und es im Hinblick auf den Bilanzverlust der Gesellschaft in Höhe von rund 1,8 Mio EUR zum auch zu keiner Gewinnausschüttung für das Jahr 2007 an den Ehegatten der Klägerin als Alleingesellschafter gekommen sei (vgl dazu das entsprechende Vorbringen der Klägerin in ihren Schriftsätzen vom , ON 15, und , ON 39). Die beklagte Partei hat dieses Vorbringen der Klägerin, insbesondere auch den Umstand, dass es mangels Vorliegens eines Bilanzgewinns zu keiner Gewinnausschüttung für das Jahr 2007 gekommen ist (vgl § 35 Abs 1 Z 1 GmbHG), inhaltlich nicht bestritten und insbesondere auch nicht sinngemäß geltend gemacht, dass der Ehegatte der Klägerin ein Geschäftsführergehalt tatsächlich bezogen bzw rechtsmissbräuchlich auf die Auszahlung eines Geschäftsführergehalts und auf eine Gewinnausschüttung verzichtet habe.

4.4 Ein Verzicht auf Einkünfte ist zwar zulässig, vermindert den Anspruch auf Ausgleichszulage aber dann, wenn der Verzicht offenbar den Zweck hatte, den Versicherungsträger zu schädigen. Ein Rechtsmissbrauch liegt in diesem Zusammenhang schon vor, wenn das unlautere Motiv des Verzichts die lauteren Motive eindeutig überwiegt. Der subsidiäre sozialhilfeähnliche Charakter der Ausgleichszulage verbietet es im Allgemeinen, dass der Pensionsberechtigte von sich aus auf realisierbare Leistungen anderer Art verzichtet. Auch wenn ein Bezieher einer Ausgleichszulage die Durchsetzung gesetzlicher oder vertraglicher Ansprüche ohne ausdrücklichen oder stillschweigenden Verzicht unterlässt, obwohl sie möglich und zumutbar wäre und er sie auch durchsetzen würde, wäre der Ausfall nicht durch die Ausgleichszulage gedeckt, so sind diese Ansprüche bei Berechnung der Ausgleichszulage zu berücksichtigen. Nur wenn der Verzicht auf die Geltendmachung von vertraglichen oder gesetzlichen Ansprüchen in der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erfüllung durch den dazu Verpflichteten begründet ist, ist er für den Anspruch auf Ausgleichszulage beachtlich. In diesem Fall ändert sich nämlich an der Einkommenssituation des Pensionisten nichts (vgl Ziegelbauer in Sonntag [Hrsg], ASVG 4 § 292 Rz 32 f mwN).

4.5 Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist eine nach den Umständen des Einzelfalls zu klärende Rechtsfrage. Die dargelegten Grundsätze gelten nicht nur für einen unmittelbaren Verzicht auf Ansprüche mit Einkommenscharakter, sondern auch für die Nichtgeltendmachung eines durch Gesetz (oder Vertrag) eingeräumten Anspruchs auf eine Geldleistung. Der in der Regel nicht strittige Verzicht ergibt allerdings noch keinen Beweis des ersten Anscheins für ein unlauteres Motiv des Verzichts oder für ein eindeutiges Überwiegen unlauterer Motive. Rechtsmissbrauch wird jedenfalls nicht vermutet, sondern ist von dem darzutun und zu beweisen, der sich darauf beruft (10 ObS 153/95, SSV NF 9/76 = DRdA 1996/38, 393 [ M. Binder ]; 10 ObS 161/91, SSV NF 7/19 mwN). Nach der Rechtsprechung hat somit der Versicherungsträger, der sich auf einen solchen Rechtsmissbrauch beruft, nach der auch in Sozialrechtssachen geltenden Grundregel, dass jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen beweisen muss, die objektive Beweislast für die Umstände zu tragen, aus denen sich ein eindeutiges Überwiegen der unlauteren Motive des Verzichtenden ergibt (10 ObS 190/04w, SSV NF 19/15 mwN).

5. Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann bestand im Hinblick auf den festgestellten Bilanzverlust der H***** Handels GmbH zum kein Anspruch des Ehegatten der Klägerin auf Gewinnausschüttung für das Geschäftsjahr (= Kalenderjahr) 2007. Die beklagte Partei hat aber auch gar nicht den ihr obliegenden Beweis für einen rechtsmissbräuchlichen Verzicht des Ehegatten der Klägerin auf Gewinnausschüttung bzw Auszahlung eines Geschäftsführergehalts für das Geschäftsjahr 2007 angetreten bzw erbracht. Damit kommt aber entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen eine Anrechnung von Einkünften des Ehegatten der Klägerin aus selbständiger Erwerbstätigkeit (Gewerbebetrieb) auf den Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage für das Jahr 2007 nicht in Betracht.

6. Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren ausgehend von der soeben dargelegten Rechtsansicht den Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage für das Jahr 2007 ohne Berücksichtigung der von der beklagten Partei geltend gemachten Einkünfte des Ehegatten der Klägerin aus selbständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von 10.743,68 EUR mit den Parteien zu erörtern und sodann über das Begehren der Klägerin auf Ausgleichszulage sowie über eine allfällige Rückersatzverpflichtung der Klägerin an zu viel bezogenem Vorschuss an Ausgleichszulage neuerlich zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2013:010OBS00077.13S.0723.000