VfGH vom 09.12.2015, E50/2015 ua
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Bestrafung der Beschwerdeführer wegen Übertretung einer ortspolizeilichen Verordnung betreffend ein Alkoholverbot in Innsbruck; Alkoholverbot an bestimmten Orten der Stadt verhältnismäßige Maßnahme zur Eindämmung der mit dem Alkoholkonsum einhergehenden konkreten örtlichen Missstände
Spruch
I. Die Beschwerdeführer sind durch das jeweils angefochtene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
II. Die Beschwerden werden abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführer durch das jeweils angefochtene Erkenntnis in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerden und Vorverfahren
1. Mit Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes Tirol wurden die Strafbescheide der Bürgermeisterin der Stadt Innsbruck gegen die beiden nunmehrigen Beschwerdeführer mit näheren Maßgaben bestätigt. Ihnen wurde wegen Verstoßes gegen das "Alkoholverbot" gemäß § 2 der ortspolizeilichen Verordnung zum Alkoholverbot, beschlossen und ergänzt durch Beschlüsse des Gemeinderates der Stadt Innsbruck am bzw. am , [im Folgenden: Alkoholverbots-VO] jeweils eine Geldstrafe auferlegt, weil sie am um 16 Uhr in der Maria-Theresien-Straße vor der Annasäule in Innsbruck, also an einem Ort, an dem das Alkoholverbot gemäß der Alkoholverbots-VO gilt, gemeinsam Alkohol in Form von Wein konsumiert hätten.
2. Zum Erstbeschwerdeführer:
2.1. In seinem Erkenntnis gegen den Erstbeschwerdeführer führt das Landesverwaltungsgericht aus, dass der Erstbeschwerdeführer durch sein Verhalten, in der Maria-Theresien-Straße mit einem Glas Wein mit dem Zweitbeschwerdeführer angestoßen und Wein getrunken zu haben, "zweifelsfrei in objektiver Hinsicht" der Alkoholverbots-VO zuwidergehandelt habe und es ihm nicht gelungen sei, verschuldensausschließende Umstände im Sinne des § 5 Abs 1 VStG glaubhaft zu machen. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.
2.2. Gegen dieses Erkenntnis erhebt der Erstbeschwerdeführer Beschwerde gemäß Art 144 B VG, in der er die Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK und im Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art 5 StGG sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetz- bzw. verfassungswidrigen Verordnung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt. Wörtlich führt er dazu Folgendes aus:
"Schon aus den erläuternden Bemerkungen zur vorliegenden Verordnung geht hervor, dass es zur Abwehr der Missstände, deren Beseitigung sich diese Verordnung zum Ziel setzt, bereits Sanktionsnormen in landesgesetzlichen Bestimmungen (Tiroler Landes-Polizeigesetz LGBl Nr 60/1976 idF LGBl Nr 1/2014, 4. Abschnitt 'Wahrung des öffentl. Anstandes') gibt. Alkoholmissbrauch samt allen negativen Begleiterscheinungen für das Gemeinschaftsleben ist ein generelles Problem und kein Innsbruck-spezifisches und au[ch] schon gar nicht auf die Maria-Theresien-Straße in Innsbruck beschränkt.
Die Alkoholverbotsverordnung der Stadt Innsbruck schießt über [ihre] Zielsetzung weit hinaus, wenn sie z. Bsp. unter Strafe stellt, dass jemand, der auf Urlaub fährt, eine geöffnete Weinflasche, die er nicht wegschütten will, über die Straße zum Nachbarn bringt.
Mit der Alkoholverbotsverordnung greift die Stadt Innsbruck in Bereiche ein, die als allgemeine rechtspolitische Anliegen dem formellen, parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten sind und von diesem bereits geregelt wurden. Die im konkreten Fall präjudizielle Verordnung sanktioniert – wie in obigem Beispiel dargestellt – Verhalten, das keinen Missstand darstellt und gesellschaftlich in keinster Weise verpönt ist.
[…] Insoweit die vorliegende Verordnung jedermann das grundsätzlich friedliche und niemanden störende Konsumieren von Alkohol im öffentlichen Raum verbietet (Alkohol zu konsumieren ist eine Handlung, die im öffentlichen Raum grundsätzlich erlaubt ist)[,] greift der Staat in unzulässiger Weise in die persönliche Autonomie des Beschwerdeführers ein, sein Recht, Entscheidungen bezüglich des eigenen Lebens ohne Einmischung des Staates zu treffen und Beziehungen zu anderen aufzubauen. Durch das angefochtene Erkenntnis bzw. die Anwendung der Alkoholverbotsverordnung der Stadt Innsbruck (deren § 1 und 2) wurde der Beschwerdeführer daher in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) verletzt.
[…] Die in § 1 der ortspolizeilichen Verordnung zum Alkoholverbot[,] beschlossen durch den Gemeinderat der Stadt Innsbruck am und [,] angeführten Tatbestände sollten im Hinblick auf deren beabsichtigten Zweck als ortspolizeiliche Verordnung verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass sie ausschließlich der Missstandsbekämpfung dienen.
Das Verhalten des Beschwerdeführers, der für ein Foto lediglich in kultivierter Form sein Glas erhoben hat, um gegen die betreffen Verordnung zu protestieren, welche seiner Meinung nach eine Einschränkung der Bürgerrechte, eine Privatisierung und Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes und Diskriminierung ärmerer Bürgerinnen und Bürger zur Folge hat, ist ein legitimer Akt der freien Meinungsäußerung und erreicht nicht die Qualität eines Missstandes i. Se. der angewandten Verbotsnorm […]. Durch die Verhängung einer Geldstrafe für dieses Verhalten wurde der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG) verletzt." (Zitat ohne die Hervorhebung im Original)
3. Zum Zweitbeschwerdeführer:
3.1. In seinem Erkenntnis gegen den Zweitbeschwerdeführer führt das Landesverwaltungsgericht Tirol nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus, dass der objektive Tatbestand des in der Alkoholverbots-VO normierten Verbotes jedenfalls erfüllt sei und ein Ausnahmetatbestand nach § 1 Z 1 und 2 der Alkoholverbots-VO nicht vorliege. In subjektiver Hinsicht sei dem Zweitbeschwerdeführer nur Fahrlässigkeit anzulasten, zumal er sich wegen verfassungsrechtlicher Bedenken bereits im Begutachtungsverfahren und bei der Beschlussfassung im Gemeinderat gegen die Alkoholverbots-VO ausgesprochen habe. Die Übertretung nach der Alkoholverbots-VO ermögliche ihm nunmehr, die Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof auf ihre Verfassungskonformität überprüfen zu lassen. Die Verordnung leide weder an formellen noch an materiellen Mängeln, die verfassungsrechtlichen Bedenken des Zweitbeschwerdeführers teile das Landesverwaltungsgericht Tirol nicht. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.
3.2. Gegen dieses Erkenntnis erhebt der Zweitbeschwerdeführer Beschwerde gemäß Art 144 B VG, in der er die Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK und im Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art 5 StGG sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetz- bzw. verfassungswidrigen Verordnung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt. Wörtlich führt er dazu insbesondere Folgendes aus:
"Der Eingriff in das Recht auf Eigentumsfreiheit ist aus Sicht des Beschwerdeführers entweder zumindest denkunmöglich oder durch eine nicht verfassungskonforme Interpretation der angewendeten ortspolizeilichen Verordnung erfolgt. Ausschließlich Sachverhalte, die als Missstände zu qualifizieren sind, können gemäß Art 118 Abs 6 B VG Gegenstand einer ortspolizeilichen Verordnung sein. Das Trinken eines Glas Weins kann aus Sicht des Beschwerdeführers keinen solchen Missstand darstellen.
[…]
Das Trinken von Alkohol kann nur dann tatbildlich sein, wenn dadurch einer der genannten Missstände erfüllt werden könnte. Da der Beschwerdeführer weder Flaschen oder Dosen zurückgelassen oder zerschlagen, keine PassantInnen angepöbelt und belästigt, seine Notdurft nicht im öffentlichen Straßenraum verrichtet, die Umgebung nicht mit Erbrochenem verunreinigt und weder gegrölt, geschrien oder sich aggressiv verhalten hat oder dies zu erwarten gewesen wäre, wurde die ortspolizeiliche Verordnung zumindest denkunmöglich oder nicht verfassungskonform angewandt, da durch die Bestrafung des Beschwerdeführers kein Missstand abgewehrt wurde.
Aus Sicht des Beschwerdeführers ist zu prüfen, ob die ortspolizeiliche Verordnung zum Alkoholverbot vom und gem. § 19 Abs 3 des Stadtrechts der Landeshauptstadt Innsbruck den Anforderungen des Art 118 Abs 6 B VG genügt. Die Verordnung stellt den 'Konsum und die Mitnahme von alkoholischen Getränken' unter Strafe. Die Ausnahmen etwa 'in behördlich genehmigten Gastgärten' und auch die Stellungnahme der Behörde belegen, dass Konsum und Mitnahme von Alkohol an sich nicht als Missstand gewertet wird. In der Verordnung werden damit die abzuwehrenden Missstände nicht näher umschrieben. Sämtliche abschließend im Bericht der Behörde aufgeführten Missstände sind Inhalt von entsprechenden Regelungen im Tirole[r] Landespolizeigesetz."
4. Das Landesverwaltungsgericht Tirol legte in beiden Verfahren die Gerichtsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragte, die Beschwerden abzuweisen.
Die Bürgermeisterin der Stadt Innsbruck legte in beiden Verfahren die Verwaltungsakten vor, beantragte, die Beschwerden zurück- bzw. abzuweisen und erstattete je eine Gegenschrift, in der sie den Beschwerdebehauptungen insbesondere Folgendes entgegenhält:
Die Erweiterung des am beschlossenen Alkoholverbotes auf die Maria-Theresien-Straße, in der die Beschwerdeführer Alkohol konsumiert hätten, sei zur Beseitigung eines das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Missstandes erforderlich gewesen. In dieser von Fußgängern stark frequentierten Straße seien nämlich gemäß einem Bericht des Stadtmagistrates der Stadt Innsbruck ausgetrunkene Flaschen zurückgelassen und Passanten angepöbelt worden. Auch sei dort "gegrölt und herumgeschrien", im öffentlichen Straßenraum die Notdurft verrichtet und die Umgebung mit Erbrochenem verunreinigt worden. Es sei mitunter für andere Personen nicht möglich gewesen, die in der Maria-Theresien-Straße vorhandenen Sitzgelegenheiten zu benutzen. Angesichts der geschilderten Missstände sei es sachlich gerechtfertigt, dass das Alkoholverbot auch Personen wie die Beschwerdeführer erfasse. Zum Schutz der Interessen anderer Personen sei es zumutbar, in einem örtlich eng begrenzten Bereich auf den Konsum von Alkohol zu verzichten. Ebenso wenig verstoße die Alkoholverbots-VO gegen bestehende Bundes- oder Landesgesetze. Die bestehenden Verbote, insbesondere jene des Tiroler Landes-Polizeigesetzes, reichten nicht aus, um das örtliche Gemeinschaftsleben störende Missstände in Folge Alkoholkonsums in den von der Alkoholverbots-VO erfassten Bereichen ausreichend abzuwehren oder zu beseitigen. Auch sei das Alkoholverbot zur Missstandsabwehr geeignet und verhältnismäßig.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1. § 19 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975, LGBl 53 idF LGBl 121/2011 lautet:
"Ortspolizeiliche Verordnungen
(1) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hat die Stadt das Recht, nach freier Selbstbestimmung ortspolizeiliche Verordnungen zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Mißstände zu erlassen und die Nichtbefolgung solcher Verordnungen als Verwaltungsübertretung zu erklären.
(2) Verordnungen nach Abs 1 dürfen nicht gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen des Landes und des Bundes verstoßen.
(3) Die Nichtbefolgung einer solchen ortspolizeilichen Verordnung kann als Verwaltungsübertretung erklärt und mit einer Geldstrafe bis zu 2.000,- Euro bedroht werden. Die Strafgelder fließen der Stadt zu."
2. Die ortspolizeiliche Verordnung zum Alkoholverbot wurde vom Gemeinderat der Stadt Innsbruck am beschlossen. Erfasst von dem Verbot war zunächst die Umgebung des Hauptbahnhofes. Am wurde das Alkoholverbot auf drei weitere Orte in der Stadt Innsbruck (Maria-Theresien-Straße, Bozner Platz und Terminal Innrain) erweitert. Die Alkoholverbots-VO lautet:
"Alkoholverbot
(Gemeinderatsbeschluss vom und )
Gemäß § 19 Abs 1 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975, LGBl Nr 53/1975, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl Nr 130/2013, wird zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstände wie folgt verordnet:
§1
Auf den Flächen der in den Planbeilagen 1 bis 4 rot umrandeten und rot gekennzeichneten Straßen, Wege und Plätze sind der Konsum und die Mitnahme von alkoholischen Getränken verboten. Die Planbeilagen 1 bis 4 bilden einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung.
Hievon ausgenommen sind:
1. Der Konsum und die Mitnahme alkoholischer Getränke
a) in behördlich genehmigten Gastgärten während der Betriebszeiten
b) im Rahmen und im Umfang von behördlich erlaubten öffentlichen Veranstaltungen und bewilligten Gelegenheitsmärkten
2. Die Mitnahme alkoholischer Getränke
a) in Kraftfahrzeugen
b) in ungeöffneter Verpackung des herstellenden oder vertreibenden Unternehmens
§2
Wer den Bestimmungen des § 1 zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist gemäß § 19 Abs 3 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck, LGBl Nr 53/1975, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl Nr 130/2013, mit einer Geldstrafe bis zu € 2.000,-- zu bestrafen.
§3
Diese Verordnung tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.
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III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 Abs 1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen – zulässigen – Beschwerden erwogen:
Die Beschwerden sind nicht begründet.
1. Bedenken gegen die den angefochtenen Entscheidungen zugrunde liegenden Rechtsvorschriften sind – aus Sicht der Beschwerdefälle – nicht entstanden:
1.1. Rechtsgrundlage für die Alkoholverbots-VO ist § 19 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck iVm Art 118 Abs 6 B VG. Demnach hat die Stadt Innsbruck das Recht, in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstände zu erlassen sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären.
Die Befugnis, ortspolizeiliche Verordnungen zu erlassen, hat die Stadt Innsbruck (konkret der Gemeinderat nach § 18 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck) wahrgenommen und die Alkoholverbots-VO 2008 erlassen und mit Gemeinderatsbeschluss vom um drei weitere Verbotszonen (siehe Planbeilage 2 bis 4 unter Pkt. II.2.) erweitert. § 1 der Verordnung idF 2014 verbietet es, an den in den Planbeilagen zur VO gekennzeichneten öffentlichen Orten alkoholische Getränke zu konsumieren und [gemeint wohl: zum Konsum] mitzunehmen. Von diesem Verbot sind in den Z 2 und 3 des § 1 der Alkoholverbots-VO Ausnahmen vorgesehen, die den Konsum und/oder die Mitnahme alkoholischer Getränke erlauben. § 2 der Alkoholverbots-VO erklärt iVm § 19 Abs 3 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck ein Zuwiderhandeln als Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu € 2.000,– zu ahnden ist.
1.2. Ein wesentliches Vorbringen beider Beschwerdeführer ist, dass die Alkoholverbots-VO überschießend sei. Sie erfasse nicht nur das örtliche Gemeinschaftsleben störende Missstände, sondern auch Verhaltensweisen, die nicht als Missstand zu werten seien, wie etwa das "friedliche" Trinken eines Glases Wein, das niemanden störe und auch sonst keine für das Gemeinschaftsleben nachteiligen Folgen nach sich ziehe.
1.3. Vorauszuschicken ist, dass das Alkoholverbot eine Maßnahme ist, deren Erlassung als Angelegenheit der örtlichen Sicherheitspolizei nach Art 118 Abs 3 Z 3 B VG in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fällt. Dass Alkoholmissbrauch ein "generelles Problem" und kein "Innsbruck-spezifisches" sei, wie der Erstbeschwerdeführer meint, steht der Regelung dieser Angelegenheit im Rahmen der örtlichen Sicherheitspolizei nicht entgegen (vgl. VfSlg 19.665/2012), ist doch bloß maßgeblich, dass auch die sonstigen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zur Erlassung einer ortspolizeilichen Verordnung erfüllt sind.
Maßgeblich ist demnach, ob es sich um eine Regelung handelt, die geeignet ist, einen spezifischen, das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Missstand in dieser Gemeinde zu bekämpfen.
Um eben eine solche Maßnahme handelt es sich hier:
Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Verordnungsakten ergibt sich, dass nach Neugestaltung der Maria-Theresien-Straße als Fußgängerzone Missstände, die das übliche Maß an Belästigungen überschritten, gehäuft auftraten. Dies führte dazu, dass die Benützung der öffentlichen Plätze durch die Allgemeinheit stark beeinträchtigt war.
In einem Bericht des Stadtmagistrates Innsbruck vom werden die durch Alkoholkonsum bedingten Übelstände in der Maria-Theresien-Straße wie folgt beschrieben:
"Seit Umgestaltung der Maria-Theresien-Straße (Ausbau als reine Fußgängerzone) hat sich insbesondere im südlichen Bereich bei den dortigen Sitzgelegenheiten eine Gruppe von alkoholsuchtkranken Personen etabliert. Diese Personengruppe ruft mannigfaltige Missstände hervor. So werden ausgetrunkene Flaschen und Dosen zumeist auf den öffentlichen Straßenflächen zurückgelassen, teilweise auch zerschlagen, sodass bis zur folgenden Straßenreinigung Glassplitter herumliegen. In alkoholisiertem Zustand – Bierflaschen bzw. Bierdosen in der Hand haltend – werden Passanten angebettelt und angepöbelt sowie – naturgemäß junge Frauen – belästigt. Im öffentlichen Straßenraum wird die Notdurft verrichtet, die Umgebung wird mit Erbrochenem verunreinigt, es wird gegrölt und herumgeschrieen. Teilweise werden auch aggressive Verhaltensweisen […] beobachtet. Durch diese Verhaltensweisen ist es Personen, die nicht dieser Personengruppe angehören[,] teilweise gar nicht mehr möglich[,] die vorhandenen Sitzgelegenheiten zu nutzen."
Die gleichen Missstände wie in der Maria-Theresien-Straße herrschten nach dem Bericht des Stadtmagistrates auch an den beiden anderen Orten (Bozner Platz und Terminal Innrain), auf die das Alkoholverbot 2014 erweitert wurde. Dass auch 2008 der gleiche Missstand im Bahnhofsbereich vorlag, der zur Erlassung der Alkoholverbots-VO geführt hatte, belegen die Verordnungsakten ebenso.
Vor dem Hintergrund dieser "Analysen" hat der Verfassungsgerichtshof nicht das Bedenken, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer ortspolizeilichen Verordnung nicht vorlagen.
1.4. Auch verstößt die Alkoholverbots-VO nicht gegen bestehende Bundes- oder Landesgesetze. Zwar erfasst das Tiroler Landes-Polizeigesetz, LGBl 60/1976, Verhaltensweisen, die (auch) durch die ortspolizeiliche Alkoholverbots-VO hintangehalten werden sollen, wie die Erregung ungebührlichen Lärms, die Verletzung des öffentlichen Anstandes oder aufdringliches oder aggressives Betteln. Diese allgemeinen gesetzlichen Regelungen reichen jedoch in bestimmten Teilen der Landeshauptstadt Innsbruck nicht aus, um dem mit dem Alkoholkonsum einhergehenden konkreten örtlichen Missstand in Innsbruck abzuhelfen (vgl. VfSlg 19.207/2010 mwN).
1.5. Somit bleibt die Frage, ob das in der Alkoholverbots-VO normierte Alkoholverbot eine verhältnismäßige Maßnahme ist, um einen das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Missstand abzuwehren oder zu beseitigen (vgl. VfSlg 11.726/1988, 11.926/1988, 14.384/1995).
Daran, dass das in der ortspolizeilichen Verordnung normierte Alkoholverbot geeignet ist, die die örtliche Gemeinschaft störenden Folgen von Alkoholkonsum hintanzuhalten, besteht für den Verfassungsgerichtshof kein Zweifel.
1.6. Auch der Umstand, dass – wie die Beschwerdeführer meinen – das Verbot in den von der Verordnung erfassten Bereichen sogar das Trinken bloß eines Glases Wein verbietet, macht die Verordnung nicht verfassungswidrig.
Wenn die Beschwerdeführer unter dem Titel der Unsachlichkeit ins Treffen führen, dass in den im Verbotsbereich liegenden Gewerbebetrieben der Konsum von Alkohol demgegenüber gestattet sei, übersehen sie, dass Gastgewerbetreibende zahlreiche Verpflichtungen treffen, die geeignet sind, übermäßigen Alkoholkonsum und dessen Folgen zu bekämpfen (zB § 112 Abs 5 GewO), weshalb die Ausnahme sachlich gerechtfertigt ist.
Die Alkoholverbots-VO mit ihrer klaren Anordnung ist eine Maßnahme, die geeignet ist, die Störung des Gemeinschaftslebens auf den in der Verordnung bezeichneten öffentlichen Flächen zu verhindern.
2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen der angefochtenen Entscheidungen würden diese die von den Beschwerdeführern geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte nur verletzen, wenn das Verwaltungsgericht das Gesetz oder die Verordnung in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall der nur dann vorläge, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg 15.001/1997, 16.113/2001, 16.701/2002).
§1 der Alkoholverbots-VO verbietet den Konsum von Alkohol auf in der Verordnung bezeichneten öffentlichen Flächen. Die Beschwerdeführer haben, wie schon die Selbstanzeige zeigt, auf einer dieser Flächen Alkohol getrunken. In Ansehung dieses Sachverhaltes und des Wortlautes der Alkoholverbots-VO ist die Annahme des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, dass die Beschwerdeführer durch ihr Verhalten den Tatbestand des § 1 Alkoholverbots-VO erfüllt haben, jedenfalls denkmöglich.
Gleiches trifft auf die Verneinung des Vorliegens von die Strafbarkeit der Beschwerdeführer ausschließenden Umständen zu. Dass der vorgebrachte Beweggrund für die Übertretung der Alkoholverbots-VO, gegen das Alkoholverbot zu protestieren, an der Strafbarkeit nichts ändert, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden; andernfalls wäre es nämlich nur allzu leicht, das als verfassungskonform erkannte Verbot (vgl. Pkt. III.1.) in der Praxis zu unterlaufen.
IV. Ergebnis
1. Die behauptete Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.
2. Die Beschwerden sind daher abzuweisen und gemäß Art 144 Abs 3 B VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2015:E50.2015