OGH vom 27.08.2019, 9ObA98/19f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer und Wolfgang Jelinek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Körber-Risak Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei K***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwältin in Wien, wegen 357.227,02 EUR brutto sA und Feststellung (Streitwert 153.097,18 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 20/19y-18, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Zwischen den Parteien wurde in Punkt VIII. des Dienstvertrags vereinbart, dass der Kläger während einer Sperrzeit von einem Jahr nach Beendigung des Dienstverhältnisses durch ordentliche Kündigung durch den Kläger als Arbeitnehmer oder durch außerordentliche Kündigung durch die Beklagte als Arbeitgeber in keinem konkurrierenden Unternehmen tätig wird und weder unmittelbar noch mittelbar an der Gründung oder dem Betriebe eines solchen Unternehmens mitwirken oder sich beteiligen wird. Der Kläger verpflichtete sich weiters, sobald er beabsichtigt, während der Sperrzeit geschäftlich tätig zu werden, dies den Gesellschaftern der Beklagten vor der Eingehung bindender Verpflichtungen mitzuteilen und das Unternehmen, für das er tätig werden will, bekannt zu geben hat. Weiters heißt es in Punkt IX. des Dienstvertrags:
„1. Während der Dauer der Sperrzeit erhält [der Kläger] seine Bezüge gem. Punkt IV. fortbezahlt.
2. Die [Beklagte] kann auf die Einhaltung der Sperrzeit zur Gänze oder zum Teil verzichten. Durch einen solchen Verzicht erlischt ihre Fortzahlungspflicht gem. Zif. 1. mit dem Ende des auf die Verzichtserklärung zweitfolgenden Monats.
3. Eine Verzichtserklärung gem. Zif. 2. muss, falls die [Beklagte] kündigt, spätestens gleichzeitig mit der Kündigung abgegeben werden. Kündigt [der Kläger], so kann die Abgabe einer Verzichtserklärung durch die [Beklagte] spätestens am letzten Tag des der Kündigung folgenden Monats erfolgen.“
Der Vertrag endete durch Kündigung des Klägers zum . Der Kläger fordert nunmehr das sich aus Punkt XI.1. des Dienstvertrags ergebende Entgelt. Die Beklagte wendet dagegen ein, dass sie mit Schreiben vom einen Verzicht auf das Konkurrenzverbot erklärt habe.
Das Berufungsgericht sah das Klagebegehren als berechtigt an.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
1. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0042776). Das ist hier nicht der Fall.
2. Richtig ist, dass § 37 Abs 2 AngG von der Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber ausgeht und daher im vorliegenden Fall, in dem der Dienstnehmer gekündigt hat, nicht anzuwenden ist. Das Berufungsgericht hat auf diese Bestimmung aber ohnehin nur insoweit Bezug genommen, als sich daraus die von der Beklagten als wesentlich relevierte Verwendung der Begriffe „muss“ und „kann“ in Punkt IX.3. Satz 1 und 2 erklärt. „Muss“ stelle, so das Berufungsgericht, lediglich auf die zwingende Bestimmung des § 37 Abs 2 AngG ab.
Zur Auslegung der Regelung bei Dienstnehmerkündigung verwies das Berufungsgericht dagegen auf den eindeutigen Wortlaut der Regelung: „spätestens am letzten Tag des der Kündigung folgenden Monats“.
Die Ansicht der Beklagten, dass die Verzichtserklärung auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein müsse, nämlich wenn der Arbeitnehmer die geplante Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bekannt gebe, steht mit diesem eindeutigen Wortlaut in Widerspruch. Entgegen den Ausführungen in der Revision wird die Verpflichtung, die Absicht bekanntzugeben, (irgendein) anderes Dienstverhältnis einzugehen, durch diese Auslegung nicht sinnlos, da dem Kläger nur konkurrierende Tätigkeiten verboten sind und der Beklagten aufgrund dieser Informationspflicht eine gewisse Überwachungsmöglichkeit garantiert wird, welche Aktivitäten vom Kläger geplant sind.
Welche Konsequenzen ein allfälliger Verstoß des Klägers gegen die Vereinbarung nicht in konkurrierenden Unternehmen tätig zu werden, hätte, muss hier nicht geklärt werden.
2. Soweit die Beklagte damit argumentiert, dass die Entgeltfortzahlungsverpflichtung für ein Jahr als (offenbar eigenständiges) Dauerschuldverhältnis kündbar sein muss, ansonsten eine unzulässige Knebelung vorliegt, bleibt offen, was für sie aus der Annahme eines solchen (befristeten) Dauerschuldverhältnisses zu gewinnen wäre. Ein befristeter Vertrag, dazu noch ein befristetes Dauerschuldverhältnis, ist gerade nicht ordentlich kündbar, sondern nur aus wichtigem Grund, der die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für einen der Vertragsteile unzumutbar erscheinen lässt, vorzeitig auflösbar. Ein solcher wichtiger Grund wird von der Beklagten aber gar nicht behauptet.
3. Dass die Abgabe eines (teilweisen) Verzichts zwingend die Kenntnis darüber voraussetzt, welche Tätigkeit der Arbeitnehmer ausüben möchte, ist ebenfalls nicht überzeugend. Nach dem Vertrag sind dem Kläger ausschließlich konkurrierende Tätigkeiten untersagt. Dafür war die Beklagte bereit, ein Jahr über die Beendigung des Dienstverhältnisses hinaus das Entgelt weiter zu bezahlen. Zusätzlich hat sie sich die Möglichkeit vorbehalten, bei der tatsächlichen Beendigung des Vertrags die Situation nochmals zu bewerten und zu prüfen, ob sie die Nachteile einer allfälligen Konkurrenztätigkeit anstelle der Entgeltfortzahlung, zumindest teilweise etwa durch einen Verzicht auf nur einen Teil des Jahres, in Kauf nimmt.
Dass ein Verzicht offenkundig auch ohne konkret in Aussicht genommene neue Tätigkeit des Arbeitnehmers sinnvoll sein kann, ist schon daraus erkennbar, dass die Beklagte im konkreten Fall (wenn auch verspätet) einen solchen Verzicht abgegeben hat.
Das Argument, dass der vereinbarten Entgeltzahlung der Beklagten keine Gegenleistung gegenübersteht, ist schon deshalb nicht richtig, weil der Arbeitnehmer sich verpflichtet hat, die Ausübung einer konkurrierenden und damit auch nach Ansicht der Beklagten für ihr Unternehmen nachteiligen Tätigkeit zu unterlassen.
4. Dass die Vertragsklausel nicht für den Fall gelten soll, dass der Kläger zu einem Zeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, zu dem er bereits das Pensionsalter erreicht hat, lässt sich der Vereinbarung nicht entnehmen. Zum einen schließt das eine weitere berufliche Tätigkeit nicht aus – selbst die Beklagte hat mit dem Kläger über einen Konsulentenvertrag verhandelt –, zum anderen kann die Beklagte durch die Möglichkeit des Verzichts auch in diesem Fall ihre Interessen ausreichend wahren. Dass der Kläger während der Sperrfrist keine (konkurrierende) Tätigkeit ausgeübt hat, entspricht seinen vertraglichen Verpflichtungen und lässt keinen Rückschluss auf die (Un)Wirksamkeit der Vereinbarung zu.
Die in der Revision zitierte Entscheidung 9 ObA 84/88 beschäftigt sich mit der Frage von Treuepflichtklauseln bei Betriebspensionen. Ein Entfall des Konkurrenzverbots ab dem Zeitpunkt des Pensionsbezugs lässt sich daraus nicht ableiten.
5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00098.19F.0827.000 |
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