VfGH vom 12.06.2015, E458/2015
Leitsatz
Entzug des gesetzlichen Richters durch einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes über die Zurückweisung der Beschwerde eines Mitbewerbers um eine Schulleiterstelle; Parteistellung der in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber
Spruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Beschluss im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Beschluss wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesministerin für Bildung und Frauen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule St. Johann. Der Beschwerdeführer bewarb sich – mit drei weiteren Personen – um die im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom ausgeschriebene Leiterstelle an der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule Hallein. In den vom Kollegium des Landesschulrates für Salzburg erstatteten Besetzungsvorschlag wurden drei dieser Personen aufgenommen, darunter der Beschwerdeführer als an zweiter Stelle gereihter. Mit Bescheid der Bundesministerin für Bildung und Frauen vom wurde die Leiterstelle der an erster Stelle gereihten Mitbewerberin des Beschwerdeführers verliehen und die Bewerbung des Beschwerdeführers abgewiesen.
Das Bundesverwaltungsgericht wies die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers mit Beschluss vom mit der Begründung als unzulässig zurück, dass dem Beschwerdeführer nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ; , 2012/12/0147) allein ein subjektives Recht auf Ernennung eines in den Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerbers, nicht aber ein subjektives Recht auf Ernennung zukomme.
2. In seiner gegen diese Entscheidung gerichteten, auf Art 144 B VG gestützten Beschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung (u.a.) im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
3. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor und nahm von der Erstattung einer Äußerung Abstand.
4. Die Bundesministerin für Bildung und Frauen hat weitere Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
5. Die beteiligte Partei hat eine Äußerung erstattet, in der dem Beschwerdevorbringen insbesondere unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ; , 2005/12/0176) entgegengetreten wird.
II. Rechtslage
§§207 und 207m des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl 333, idF BGBl I 147/2008, lauten – auszugsweise – wie folgt:
"Ausschreibungspflicht
§207. (1) Der Besetzung einer freien Planstelle für eine leitende Funktion hat ein Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren voranzugehen.
(2) Leitende Funktionen sind die eines Direktors, Direktorstellvertreters, Abteilungsvorstandes, Fachvorstandes und Erziehungsleiters."
"Gemeinsame Bestimmungen für die Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren nach diesem Abschnitt
§207m. (1) […]
(2) Der Bewerber hat keinen Rechtsanspruch auf Verleihung der ausgeschriebenen Planstelle. Er hat in den Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren nach den §§203 bis 203l und den §§207 bis 207k keine Parteistellung."
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes verletzt, wenn das Verwaltungsgericht eine ihm gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn es in gesetzwidriger Weise seine Zuständigkeit ablehnt, etwa indem es zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).
3. Wie der Verfassungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen (vgl. zB VfSlg 12.782/1991, 15.926/2000, 19.061/2010; jüngst auch im Lichte der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ) ausgesprochen hat, kommt Bewerbern im Verfahren zur Verleihung einer Schulleiterstelle – ungeachtet der Rechtsnatur ihres Dienstverhältnisses (vgl. VfSlg 19.670/2012) – Parteistellung iSd § 3 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG) bzw. § 8 AVG zu, wenn sie in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag aufgenommen wurden. Die in einen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber bilden eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft; sie haben ein Recht auf Teilnahme an dem durch den Besetzungsvorschlag konkretisierten Verwaltungsverfahren. Aus rechtsstaatlicher Sicht kann die Verwaltungsbehörde nicht als befugt angesehen werden, durch einen der Rechtskontrolle nicht unterworfenen Verleihungsakt unter den in den gesetzlich vorgesehenen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerbern eine Auswahl zu treffen.
Diesem Ergebnis steht nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch § 207m Abs 2 2. Satz BDG 1979 nicht entgegen, da diese Bestimmung so auszulegen ist, dass einem Bewerber mit der Aufnahme in einen kraft Art 81b B VG verbindlichen Besetzungsvorschlag jedenfalls Parteistellung zukommt (vgl. mwN).
4. Der Beschwerdeführer war in den (verbindlichen) Besetzungsvorschlag des Kollegiums des Landesschulrates für Salzburg aufgenommen. Daher kam ihm im Verfahren zur Verleihung der Schulleiterstelle Parteistellung zu.
5. Da das Bundesverwaltungsgericht mit der bekämpften Entscheidung die Parteistellung verneinte und seine Beschwerde als unzulässig zurückwies, verweigerte es dem Beschwerdeführer gegenüber zu Unrecht eine Sachentscheidung.
IV. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Beschluss im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
2. Der Beschluss ist daher aufzuheben.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88a Abs 1 iVm § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2015:E458.2015