OGH vom 24.08.2022, 14Os83/22w

OGH vom 24.08.2022, 14Os83/22w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Turner in der Strafsache gegen Dipl.-Ing. * S* wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 115 Hv 4/22h-123, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dipl.Ing. * S* der Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (I.A.), jeweils mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 2 StGB (I.B.), des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I.C.1., II.B.) und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB (I.C.2.), eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (II.A.) und mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III.) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W*

I.A./ Handlungen, die geeignet sind, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen Person, und zwar dem am * 2009 geborenen * K*, vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen, indem er

1./ am dem Genannten einen Pornofilm vorführte, in dem Personen beim Geschlechtsverkehr und sonstigen geschlechtlichen Handlungen zu sehen waren;

2./ von bis dem Genannten in 30 Angriffen Pornofilme oder animierte Comic-Pornofilme vorführte, in denen Personen beim Geschlechtsverkehr und sonstigen geschlechtlichen Handlungen zu sehen waren, sowie vor dem Genannten bis zum Samenerguss masturbierte;

B./ von bis den unmündigen K* dazu verleitet, in 30 Fällen eine geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen, indem die beiden über Aufforderung des Angeklagten gemeinsam masturbierten, wobei der Angeklagte K* während des Masturbierens beobachtete und ihm Anweisungen erteilte;

C./ Von bis

1./ am unmündigen K* in mehreren Angriffen außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er seinen Penis mit zwei Fingern betastete, um ihn abzumessen oder „anzuschauen“, dem Genannten zumindest einmal ein Kondom über dessen Penis zog und in drei Angriffen den Handverkehr an ihm durchführte;

2./ mit dem unmündigen K* in zwei Angriffen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung zu unternehmen versucht, indem er den Genannten jeweils fragte, ob er den Oralverkehr an ihm vornehmen dürfe, wobei er den Oralverkehr im Fall einer bejahenden Antwort unmittelbar im Anschluss vollzogen hätte;

II./ am mit dem unmündigen K* oder von ihm

A./ eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung dadurch unternommen, dass er an ihm den Oralverkehr durchführte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) des Genannten, und zwar eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung, verbunden mit einer leichten depressiven Symptomatik, zur Folge hatte;

B./ außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung dadurch vornehmen lassen, dass er ihn im Anschluss an die zu Punkt II.A./ genannte Handlung aufforderte, ihm jetzt auch „etwas Gutes zu tun“, woraufhin der Genannte am Angeklagten den Handverkehr bis zum Samenerguss durchführte;

III./ durch die zu I.B./, I.C./ und II./ genannten Handlungen mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person, mehrfach geschlechtliche Handlungen vorgenommen oder von einer solchen Person an sich vornehmen lassen und, um sich geschlechtlich zu erregen und zu befriedigen, diese dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Das Erstgericht stützte die jeweiligen Feststellungen zum Tatgeschehen (im Wesentlichen) auf die Aussage des Opfers K* (US 11 ff) und die teilgeständige Verantwortung des Angeklagten (US 11 ff) sowie zu den die Gefährdungseignung iSd § 208 Abs 1 StGB begründenden tatsächlichen Umständen auf das äußere Tatgeschehen und die allgemeine Lebenserfahrung (US 13). Die subjektive Tatseite leiteten die Tatrichter aus dem äußeren Tatgeschehen und (wiederum) dem Teilgeständnis des Angeklagten sowie hinsichtlich des eine schwere Körperverletzung umfassenden Vorsatzes aus dem Ersuchen des K* um eine Pause von den Übergriffen, dem dennoch erfolgten Andrängen des Beschwerdeführers und seiner Lebenserfahrung (US 15 f). Indem die Beschwerde ohne Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen (vgl aber RISJustiz RS0119370) eine Scheinbegründung behauptet, die „nur scheinbar durch die teilgeständige Verantwortung gestützt“ werde, weil der Beschwerdeführer aufgrund Vernachlässigung und sexueller Übergriffe in der eigenen Kindheit eine „falsche Realitätswahrnehmung“ habe, wird eine offenbar unzureichende, also den Kriterien der Logik und Empirie widersprechende Begründung (vgl dazu RISJustiz RS0116732), nicht aufgezeigt, sondern die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Schuldberufung kritisiert.

[5] Mit dem Einwand, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich der die Gefährdungseignung iSd § 208 Abs 1 StGB begründenden Umstände (US 7) und der Qualifikation nach § 206 Abs 3 erster Fall StGB (US 9) würden der Aussage des Angeklagten über die genannten Kindheitserfahrungen widersprechen, bekämpft die weitere Beschwerde (nominell Z 5 dritter Fall) ebenfalls bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (vgl RISJustiz RS0119089 [T1, T7]).

[6] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) jeweils das Vorliegen der subjektiven Tatseite bestreitet, orientiert sie sich nicht am Urteilssachverhalt (US 7 bis 10; vgl aber RISJustiz RS0099810).

[7] Sofern die Beschwerde mit der Behauptung mangelnder Vorwerfbarkeit in subjektiver Hinsicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 StGB abzielen sollte (der Sache nach Z 9 lit b), bezeichnet sie in der Hauptverhandlung vorgekommene, darauf hindeutende Indizien nicht deutlich und bestimmt (vgl aber RISJustiz RS0116735).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[9] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00083.22W.0824.000

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