VfGH vom 23.09.2019, E450/2019
Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander hinsichtlich der Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz betreffend einen afghanischen Staatsangehörigen; keine ausreichende Auseinandersetzung mit der Konversion vom Islam zum Christentum
Spruch
I.Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II.Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I.Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1.Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und stammt aus der Provinz Logar. Er reiste im Jahr 2014 in den Iran und von dort weiter nach Österreich. Nach seiner Einreise in das Bundesgebiet stellte er am einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.1.Im Rahmen der am durchgeführten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, die Sicherheitslage in Afghanistan sei sehr schlecht, deshalb sei er geflüchtet. Sonst habe er keine weiteren Fluchtgründe. Im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am fügte er hinzu, er sei kurz vor seiner Ausreise aus Afghanistan vom "Islam zurückgetreten" (zuvor sei er Schiit gewesen) beziehungsweise aus dem "Islam ausgetreten" und nunmehr Christ. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan würde er aus diesem Grund "große Probleme" bekommen. Er habe Afghanistan verlassen, weil er in einem friedlichen Land leben wolle und niemanden töten wolle. In den Moscheen würden Leute aufgehetzt, andere zu töten und gegen andere Religionen zu kämpfen. Er habe dies nicht mehr ertragen.
1.2.In seinem Heimatdorf wüssten nunmehr viele Menschen, dass er in Österreich in die Kirche gehe. Seine Mutter habe das Dorf deshalb verlassen und lebe jetzt mit seiner Schwester und deren Verlobtem in Pakistan. Er könne auch nicht in das Dorf zurückkehren, weil man dort wisse, dass er in die Kirche gehe und "das Christentum akzeptiere". Er befürchte, deshalb große Probleme zu bekommen, ginge er zurück. Er könne nicht bei seinen Onkeln in seinem Heimatdorf leben, weil er Probleme bekäme, würden die Onkel mitkriegen, dass er "von seiner Religion zurückgetreten" sei.
2.Mit Bescheid vom wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz sowie jenen auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung und erklärte die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan unter Setzung einer Frist von 14 Tagen zur freiwilligen Ausreise für zulässig.
3.Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in der er im Wesentlichen vorbringt, die belangte Behörde habe Verfahrensvorschriften verletzt, den Sachverhalt rechtlich unrichtig gewürdigt und sei ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Die Behörde habe sich zudem mit dem konkreten Fluchtvorbringen und den vorgelegten Beweismitteln nicht hinreichend auseinandergesetzt.
4.Das Bundesverwaltungsgericht hat am eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der der Beschwerdeführer insbesondere zu den Gründen seines Religionswechsels befragt wurde.
5.Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde mit Erkenntnis vom als unbegründet abgewiesen. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes aus:
5.1.Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest, der Beschwerdeführer habe sich in Österreich ausführlich mit dem Christentum befasst und besuche regelmäßig die katholische Kirche. Hiezu habe er Nachweise vorgelegt. Er sei am römisch-katholisch getauft worden. Ein auf einer Glaubensüberzeugung beruhender innerer Entschluss, sich vom Islam abzuwenden und sich demgegenüber dem Christentum zuzuwenden bzw danach zu leben, habe jedoch nicht festgestellt werden können.
5.2.Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers gehe insgesamt hervor, dass er Afghanistan alleine wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen habe, wobei er diese schlechte Sicherheitslage der Religion und zwar dem Islam zuschreibe. Schon in Afghanistan habe er die – laut seinen eigenen Angaben dem Islam zurechenbare – Gewalt abgelehnt und die Moschee nicht besucht, weil er den Zusammenhang zwischen Religion und Gewalt ablehne. Grund seiner Ausreise sei aber nicht das "Ablehnen" der Religion, sondern die schlechte Sicherheitslage gewesen. Die nunmehrige Zuwendung zum Christentum beruhe laut den sehr ausweichenden und vagen Angaben des Beschwerdeführers allein auf dem Glauben, im Christentum gebe es im Unterschied zum Islam keine Gewalt und keine Tötung.
5.3.Der Beschwerdeführer übersehe, dass Religion mit Krieg und Frieden nicht gleichgesetzt werden könne, weshalb eine ablehnende Haltung zu Gewalt nicht ohne weiteres auch als innere religiöse Glaubenseinstellung verstanden werden könne; dass sich der Beschwerdeführer, der sich dezidiert gegen im Namen der Religion geübte Gewalt ausspreche und der selbst keinen Zusammenhang zwischen Religion und Gewalt sehen wolle, gerade allein aus diesem Grund einer neuen Religion zuwende und dort seinen "Frieden" finden wolle, überzeuge nicht. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass sich der Beschwerdeführer laut seinen eigenen Angaben bislang nie für Religion interessiert haben solle. Sonstige Gründe oder ein entsprechendes Schlüsselerlebnis, weshalb sich der Beschwerdeführer vom Islam abgewendet und demgegenüber dem Christentum zugewendet habe und danach lebe, habe der Beschwerdeführer nicht genannt; das plötzliche Interesse an Religion aus eigenem Antrieb könne deshalb nicht nachvollzogen werden. Auch das fehlende Bedürfnis, seiner Mutter seinen Glaubenswechsel und damit zweifellos eine wesentliche innere Veränderung in seinem Leben aus eigenem Antrieb mitzuteilen, könne mit der im Verfahren behaupteten Ernsthaftigkeit seines Glaubensübertrittes nicht in Einklang gebracht werden; vielmehr bringe der Beschwerdeführer umgekehrt seine eher gleichgültige Haltung zu Religion erneut deutlich zum Ausdruck. Sonstige Gründe, weshalb der Beschwerdeführer seiner Mutter diesen entscheidenden Schritt in seinem Leben vorenthalten wollen würde, seien nicht genannt worden. Letztlich sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seine ablehnende Haltung zu Gewalt bereits in Afghanistan gehabt habe und dort auch ohne weitreichende Konsequenzen kundgetan habe. Dass der Beschwerdeführer diese ablehnende Haltung zu Gewalt plötzlich selbst nicht mehr als Grund für eine Abkehr vom Islam verstanden wissen wolle, könne nicht nur nicht nachvollzogen werden, sondern es könnte daraus umgekehrt auch geschlossen werden, dass eine solche Einstellung keine Gefahr der Verfolgung in Afghanistan für den Beschwerdeführer nach sich ziehen würde.
5.4.Der vom Beschwerdeführer vorgetragene innere Entschluss, sich wegen der Gewalt vom Islam abzuwenden und dem Christentum zuzuwenden, habe nicht glaubhaft gemacht werden können. Daran ändere die zwischenzeitige Taufe des Beschwerdeführers nichts; auch der Umstand, dass er regelmäßig Gottesdienste besuche und er sich mittlerweile auch inhaltlich mit dem Christentum befasst habe, stehe dem nicht entgegen. Dies gehe nämlich nicht auf eine innere Glaubensüberzeugung, sondern auf andere Beweggründe zurück. Die Befragung weiterer Zeugen hiezu habe unterbleiben können, weil bereits die befragte Zeugin über den inneren Entschluss keine Auskunft habe geben können.
5.5.Sonstige individuelle Bedrohungen hätten auch nicht glaubhaft gemacht werden können; die von ihm in der Moschee erfahrenen Aufforderungen zum Töten seien nicht als Gefahr für den Beschwerdeführer, sondern nur als Grund für seinen Glaubenswechsel vorgebracht worden. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass – laut Angabe des Beschwerdeführers – die Zimmerkollegen in Österreich seine Familie und das Heimatdorf über seine Hinwendung zum christlichen Glauben informiert hätten. Dies sei insbesondere auch deshalb anzunehmen, weil seine Onkel noch immer vor Ort leben könnten. Zudem sei zu berücksichtigen, dass aus den Länderfeststellungen hervorgehe, dass der Beschwerdeführer selbst im Fall des Bekanntwerdens seiner kirchlichen Aktivitäten die Möglichkeit hätte, innerhalb von drei Tagen seinen "Glaubensübertritt" zu widerrufen, weshalb ihm selbst im Fall einer tatsächlichen Glaubensüberzeugung keine Gefahr der Verfolgung in Afghanistan drohen würde. Es seien daher insgesamt keine Feststellungen in Bezug auf vom Beschwerdeführer behauptete konkret ihn treffende Verfolgungshandlungen zu treffen gewesen. Dem Beschwerdeführer sei es also nicht gelungen, die von ihm behauptete Verfolgung, insbesondere auf Grund einer echten inneren Konversion glaubhaft zu machen.
5.6.Der Beschwerdeführer stamme aus der Provinz Logar, einer volatilen und umkämpften Provinz in Afghanistan. Wie festgestellt worden sei, fänden dort regelmäßig militärische Operationen, Luftangriffe und Zusammenstöße zwischen den Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften statt und es sei im Jahr 2017 sogar die höchste Anzahl an Anschlägen dort registriert worden. Insofern sei die Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers derart unsicher, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer allein durch seine dortige Anwesenheit Gefahr liefe, einer Verletzung des Art 3 EMRK ausgesetzt zu sein. Allerdings könne dem Beschwerdeführer ein Aufenthalt in der Stadt Mazar-e Sharif und damit zumindest eine innerstaatliche Fluchtalternative zugemutet werden. Die über den Flughafen erreichbare Hauptstadt der Provinz Balkh, Mazar-e Sharif, liege in einer der stabilsten und relativ ruhigen Provinzen Afghanistans. So würden dort im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen verzeichnet und es komme "nur" manchmal zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Eine Ansiedlung in dieser Stadt als innerstaatliche Fluchtalternative sei dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar. Die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse sei zwar sehr eingeschränkt, aber doch möglich und gesichert. Hinzu komme, dass der junge und erwerbsfähige Beschwerdeführer aus der Provinz Logar stamme und er dort auch den Großteil seines Lebens verbracht habe. Der Beschwerdeführer sei insofern nicht nur mit den Landessprachen, sondern auch mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut. Zudem könne der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit finanzieller Unterstützung seiner Familie rechnen. Es sei nicht ersichtlich, warum eine räumliche Trennung von der Familie dem entgegenstehen sollte. Außerdem könne er Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien (Länderberichte und persönliche Situation des Beschwerdeführers) führe daher im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif jedenfalls möglich und auch zumutbar sei.
5.7.Im vorliegenden Fall verfüge der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über keine Verwandten. Auch die vom Beschwerdeführer in Österreich seit knapp einem Jahr geführte nichteheliche Lebensgemeinschaft könne schon mangels (auch Aussicht auf ein) gemeinsamen Zusammenlebens nicht als derart eng im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gewertet werden, dass von einem schützenswerten Familienleben auszugehen sei. In Bezug auf sein Privatleben sei zu berücksichtigen, dass er sich seit dreieinhalb Jahren in Österreich befinde. Daraus lasse sich keine rechtlich relevante Bindung zum Staat Österreich ableiten. Dieser Aufenthalt sei zudem nur auf den Antrag auf internationalen Schutz gestützt gewesen. Es werde aber nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer die Zeit für Integration genutzt habe; es handle sich allerdings nicht um solche außergewöhnlichen Integrationsleistungen, die in Anbetracht der relativ kurzen Zeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet für seinen Verbleib in Österreich ausschlagen würden. Der Beschwerdeführer sei auch nicht selbsterhaltungsfähig, sondern lebe von der Grundversorgung. In Afghanistan sei er mit den Gepflogenheiten vertraut und seine Familie halte sich teilweise nach wie vor in Afghanistan auf. Er spreche in Afghanistan auch die Landessprache. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er von seinem Kulturkreis so weit entfernt sei, dass er sich nicht mehr zurechtfinden würde. Die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwögen im vorliegenden Fall die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet. Die Rückkehrentscheidung stelle keine Verletzung des Art 8 EMRK dar. Die Abschiebung sei zulässig und die Frist für die freiwillige Ausreise sei auf 14 Tage festzusetzen.
6.Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und im Recht aus Art 8 EMRK, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird. Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
6.1.Der Beschwerdeführer habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ausführlich dargelegt, weshalb er sich dem Christentum als Religion zugewendet habe. Er kenne Gebete und könne diese wiedergeben. Er besuche mit seiner Lebensgefährtin, die als Zeugin ausgesagt habe, regelmäßig Gottesdienste. Das Bundesverwaltungsgericht gelange in willkürlicher Weise zu dem Schluss, der Religionswechsel sei nicht von einer inneren Überzeugung des Beschwerdeführers getragen. Eine nachvollziehbare Begründung hiefür fehle allerdings; eine hinreichend intensive Prüfung sei unterlassen worden. Der Dompfarrer, der die Taufe des Beschwerdeführers vorgenommen habe, sei zu befragen gewesen.
6.2.Trotz eigener Feststellungen, dass Personen, die sich vom Islam abwenden, in Afghanistan Enthauptung drohe, gelange das Bundesverwaltungsgericht zu der Feststellung, der Beschwerdeführer könne in den Herkunftsstaat zurückkehren. Es unterlasse Feststellungen insbesondere dahingehend, ob dem Beschwerdeführer Repressalien auf Grund seiner Konversion drohten.
6.3.Das Bundesverwaltungsgericht unterlasse es auch, sich damit auseinanderzusetzen, dass der Beschwerdeführer über kein soziales Netz in Afghanistan verfüge; es stelle aber gleichzeitig fest, Rückkehrer könnten in Afghanistan hauptsächlich wegen der Solidarität ihrer Familienangehörigen überleben. Der Beschwerdeführer habe ausgesagt, seine Familie würde ihn nicht mehr unterstützen, weil er zum Christentum konvertiert sei.
6.4.Der Beschwerdeführer habe von Anfang an und konsistent angegeben, dass seine innere Abkehr vom Islam zu seiner Flucht geführt habe. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtige dies nicht hinreichend, wenn es dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit abspreche.
6.5.Das Erkenntnis verletze den Beschwerdeführer auch in seinem Recht aus Art 8 EMRK, weil er in Österreich eine Lebensgefährtin habe und in das Leben in Österreich "voll integriert" sei. Er sei in das Familienleben eingebunden und gehe zudem regelmäßig zu Gottesdiensten, Pfarrfesten und Prozessionen. Das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, sich mit der tatsächlichen Situation des Beschwerdeführers individuell auseinanderzusetzen; gleichzeitig berücksichtige das Bundesverwaltungsgericht nicht hinreichend, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keinen familiären Rückhalt mehr habe und über kein soziales Netz verfüge. Es fehle den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes jeglicher Begründungswert; es sei eine Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers aus Art 8 EMRK gegeben.
7.Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.
II.Erwägungen
1.Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2.Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001)oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
3.Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
3.1.Maßgeblich für die Gewährung von Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention sind – wie auch in § 3 Abs 2 AsylG 2005 zum Ausdruck kommt – nicht nur jene Gründe, die den Beschwerdeführer zum Verlassen des Herkunftsstaates bewogen haben, sondern auch jene, die zum Entscheidungszeitpunkt eine asylrelevante Verfolgung begründen können (vgl zB mwN).
3.2.Im vorliegenden Fall könnte eine Konversion des Beschwerdeführers einen solchen Grund darstellen. Für die Beurteilung, ob es sich bei der Konversion des Beschwerdeführers um eine Scheinkonversion handelt, kommt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wie jener des Verwaltungsgerichtshofes der Frage der inneren (Glaubens-)Überzeugung des Beschwerdeführers maßgebliche Bedeutung zu (vgl VfSlg 19.837/2013; ; , U2193/2013; ; , Ra 2017/18/0028). Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist die Glaubwürdigkeit der Konversion anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln (vgl zB VfSlg 19.837/2013). Sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, muss sich auf Grund der Persönlichkeit, aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins Einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, ein detaillierter Eindruck darüber verschafft werden, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht (vgl VfSlg 19.837/2013; ; , E2958/2017; , E4695/2018).
3.3.Diesen Anforderungen wird das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis nicht gerecht: Das Erkenntnis unterlässt eine Auseinandersetzung mit jenen Fragen, die es dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung zu seinem Wissen über das Christentum gestellt hat, und insbesondere eine solche mit den Antworten des Beschwerdeführers auf diese Fragen. Das Bundesverwaltungsgericht argumentiert, der Beschwerdeführer habe Afghanistan allein wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen, die er der Religion zuschreibe. Seine ablehnende Haltung zu Gewalt könne nicht als innere religiöse Glaubenseinstellung verstanden werden. Sonstige Gründe oder ein Schlüsselerlebnis, das zur Hinwendung zum Christentum geführt habe, seien nicht vorgebracht worden. Auch das fehlende Bedürfnis des Beschwerdeführers, seiner Mutter von seiner Konversion zu berichten, begründe seine Unglaubwürdigkeit. Da der innere Entschluss, sich vom Islam abzuwenden und sich dem Christentum zuzuwenden, nicht glaubwürdig sei – so das Bundesverwaltungsgericht –, komme es nicht darauf an, welchen religiösen Aktivitäten der Beschwerdeführer nachgehe und ob er sich inhaltlich mit dem Christentum beschäftigt habe. Diese Aspekte, die Aussagen der befragten Lebensgefährtin des Beschwerdeführers sowie eine Befragung weiterer Zeugen hätten außer Acht gelassen werden können, weil sie die innere Überzeugung des Beschwerdeführers ohnehin nicht hätten belegen können.
4.Diese Argumentation des Bundesverwaltungsgerichtes ist vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht nachvollziehbar. Das Bundesverwaltungsgericht hätte sich gerade mit dem abgefragten inhaltlichen Wissen des Beschwerdeführers, den Aussagen von Zeugen, den vorgebrachten Tatsachen in Hinblick auf die kirchlichen und religiösen Aktivitäten des Beschwerdeführers und seine Einbindung in die Gemeinde auseinandersetzen und diese Aspekte in die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers einbeziehen müssen. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass die Glaubwürdigkeit der inneren Überzeugung in einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände – hiezu nennt der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung ausdrücklich etwa Zeugenaussagen und die religiösen Aktivitäten der betroffenen Person (vgl zB VfSlg 19.837/2013) – zu beurteilen ist. Dem widerspricht die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichtes, das die mangelnde Überzeugungskraft des Beweggrundes zur Konversion genügen lässt und die übrigen Umstände wie das Wissen um das Christentum, die Besuche der Gottesdienste und die religiösen Aktivitäten sowie die Aussagen der Lebensgefährtin und die Befragung anderer Zeugen – etwa des Dompfarrers – unter Hinweis auf ihre vor dem Hintergrund der mangelnden Überzeugung des Beweggrundes anzunehmende Irrelevanz vollständig und ausdrücklich außer Acht lässt. Auf diese Weise hat das Bundesverwaltungsgericht der verfassungsrechtlichen Anforderung, die Glaubwürdigkeit des Glaubenswechsels im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln, nicht Genüge getan.
III.Ergebnis
1.Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung Fremder untereinander verletzt worden.
2.Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4.Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2019:E450.2019 |
Schlagworte: | Asylrecht, Ermittlungsverfahren, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung |
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