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OGH vom 22.01.2018, 9Nc24/17d

OGH vom 22.01.2018, 9Nc24/17d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen N***** S***** P*****, geboren am ***** 2008, *****, Spanien, vertreten durch die Mutter Mag. M***** A***** P***** A*****, wohnhaft ebendort, infolge Vorlage des Akts 232 Nc 33/17t des Bezirksgerichts Graz-Ost, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache durch das Bezirksgericht GrazOst an das Bezirksgericht Liesing wird nicht genehmigt.

Text

Begründung:

Die Pflegschaftssache ist seit dem Jahr 2013 beim Bezirksgericht GrazOst anhängig. Der Minderjährige lebte zum Zeitpunkt der Einleitung der Unterhaltssache mit seiner obsorgeberechtigten Mutter im Sprengel dieses Gerichts. Der Vater, dessen in diesem Verfahren gestellten Anträge auf Hinterlegung des Unterhalts bei Gericht und Herabsetzung des Unterhalts (ON 127) noch offen sind, wohnt im Sprengel des Bezirksgerichts Liesing.

Der Minderjährige ist mit seiner Mutter vermutlich nach Spanien verzogen.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom (ON 129) übertrug das Bezirksgericht GrazOst die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache „zur Gänze gemäß § 114 Abs 2 JN“ an das Bezirksgericht Liesing und sprach aus, dass die Übertragung mit der Übernahme der übertragenen Geschäfte durch das Bezirksgericht Liesing wirksam werde. Das Bezirksgericht Liesing lehnte die Übernahme der Pflegschaftssache ab.

Das Bezirksgericht GrazOst legte den Akt dem Obersten Gerichtshof „als gemeinsames übergeordnetes Gericht gemäß § 47 JN“ zur Entscheidung über die Zuständigkeit vor.

§ 29 JN gilt auch für das Außerstreitverfahren. Die einmal begründete Zuständigkeit des Pflegschaftsgerichts bleibt daher auch bei nachträglichen Sachverhaltsänderungen bestehen (RISJustiz RS0046068). Die Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 44 JN kommt daher nicht in Frage, wenn das angerufene Gericht – wie im vorliegenden Fall – zum Zeitpunkt der Antragstellung zuständig war (vgl RISJustiz RS0123195). Die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht ist nur auf dem in § 111 JN vorgezeichneten Weg möglich (4 Nc 15/06b). Der vom Bezirksgericht GrazOst gefasste Beschluss ist im Sinn dieser Bestimmung zu verstehen. Der Oberste Gerichtshof hat daher nicht über einen negativen Kompetenzkonflikt iSd § 47 JN zu entscheiden, sondern über die Genehmigung der Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN. Das Bezirksgericht Liesing, das die Übernahme der Zuständigkeit verweigerte, musste daher darüber auch nicht Beschluss fassen, sondern es genügte, dass es seine Weigerung kundtat (9 Nc 1/05d; RISJustiz RS0047011).

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 Abs 1 JN ist nur dann zu genehmigen, wenn sie im Interesse des Pflegebefohlenen liegt. Ausschlaggebendes Kriterium der Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache für Minderjährige ist stets das Kindeswohl (RISJustiz RS0047074). Die Übertragung der Zuständigkeit liegt dann im Interesse des Kindes, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Kind zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird (RISJustiz RS0046929).

Diese Voraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung nicht erfüllt, wenn sich Mutter und Kind im Ausland aufhalten und der Vater in einem anderen inländischen Gerichtssprengel wohnt. Eine Zuständigkeitsübertragung läge hier nur im Interesse des Vaters (4 Nc 104/02k; 4 Nc 39/04d; 4 Nc 15/06b; 3 Nc 13/06a; 3 Nc 31/09b = RISJustiz RS0049144 [T4]). Auch im Hinblick darauf, dass § 111 JN als Ausnahmebestimmung zu § 29 JN grundsätzlich restriktiv auszulegen ist (9 Nc 9/16x mwN; RISJustiz RS0046929 [T20]), war die Übertragung der Zuständigkeit nicht zu genehmigen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0090NC00024.17D.0122.000
Schlagworte:
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