OGH vom 29.07.2010, 9Nc24/10v

OGH vom 29.07.2010, 9Nc24/10v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K***** A*****, vertreten durch Plankel Mayrhofer Partner, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch die Kraft Winternitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 15.410,88 EUR sA, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Arbeitsrechtssache wird an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht überwiesen.

Text

Begründung:

Die in Graz wohnhafte Klägerin begehrt mit ihrer beim Arbeits und Sozialgericht Wien eingebrachten Klage Zahlung des Ausgleichsanspruchs von 15.410,88 EUR sA gemäß § 24 HVertrG 1993. Nach dem Einspruch der Beklagten gegen den vom Erstgericht erlassenen Zahlungsbefehl und einem Schriftsatzwechsel der Parteien beantragte die Klägerin in der darauf folgenden Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung, in der noch keine Personalbeweise aufgenommen wurden, die Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht. Die von ihr beantragten Zeugen seien wie sie selbst im Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz wohnhaft. Prozessökonomische Erwägungen sprächen daher für eine Delegierung.

Die Beklagte sprach sich gegen die beantragte Delegierung aus und verwies insbesondere darauf, dass es der Klägerin bei Einbringung der Klage gemäß § 4 Abs 1 ASGG freigestanden wäre, die Zuständigkeit des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht in Anspruch zu nehmen. Es lägen keine wesentlichen, nachträglich entstandenen Gründe vor, die nun eine Delegierung zweckmäßig erscheinen lassen. Die Delegierung, die ausschließlich im Interesse der Klägerin liege, solle nicht dazu dienen, sich einem offenbar unbeliebt gewordenen Richter oder Gerichtssprengel zu entziehen („Forum Shopping“).

Das Arbeits und Sozialgericht Wien legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Delegierungsantrag der Klägerin vor und sprach sich in seiner Stellungnahme für die beantragte Delegierung aus.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag der Klägerin ist gerechtfertigt.

Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Richtig ist, dass eine Delegierung nur den Ausnahmefall darstellen darf und nicht zu einer Durchbrechung der an sich maßgeblichen gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen soll. Gegen den Willen der anderen Partei kann die Delegierung daher nur dann ausgesprochen werden, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zugunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RIS Justiz RS0046589 ua).

Davon ist hier auszugehen. Nicht nur die Klägerin selbst, sondern auch die sechs von ihr beantragten Zeugen haben ihren Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz. Dass die Beklagte einen Zeugen aus Wien namhaft machte, fällt demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht. Zielsetzung der Delegierung ist eine wesentliche Verkürzung und/oder Verbilligung des Verfahrens sowie eine Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit. Das wird hier durch eine Delegierung des Verfahrens an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz erreicht, weil in diesem Fall der überwiegende Teil des Beweisverfahrens vor dem dann erkennenden Gericht durchgeführt werden kann, ohne dass die aus dem Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz stammenden Zeugen eine weite und kostspielige Anreise in Kauf nehmen müssen. Von der damit erreichbaren Verfahrenskonzentration, Kosten- und Zeitersparnis profitieren beide Parteien.

Es ist richtig, dass die Klägerin gemäß § 4 Abs 1 Z 1 lit a und c ASGG die Klage bereits von Anfang an beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht hätte einbringen können. Richtig ist auch, dass diese Vorgangsweise zweckmäßiger gewesen wäre, weil die Klägerin voraussehen hätte können, dass die von ihr namhaft gemachten Zeugen im Sprengel dieses Gerichts wohnen. Das ändert aber nichts daran, dass es auch im gegenwärtigen Verfahrensstadium noch zweckmäßig ist, die Rechtssache an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht zu delegieren, weil im Sprengel dieses Gerichts der Großteil der zu vernehmenden Zeugen wohnt. Es gibt keinen Grundsatz, dass nicht mehr delegiert werden dürfte, wenn der Kläger die Unzweckmäßigkeit seiner Vorgangsweise hätte voraussehen können (9 Nc 2/10h ua). Für das Vorbringen der Beklagten, die Delegierung solle nicht dazu dienen, sich einem offenbar unbeliebt gewordenen Richter oder Gerichtssprengel zu entziehen („Forum Shopping“), gibt es fallbezogen keine Anhaltspunkte.