OGH vom 19.08.2015, 13Os60/15w

OGH vom 19.08.2015, 13Os60/15w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zechner als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter P***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 38 Hv 142/14w 29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter P***** mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB idF BGBl I 2009/40 und § 15 StGB (I und V), der Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB und nach § 207a Abs 3 erster Fall StGB (II), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (III), des Vergehens des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b Abs 3 StGB (IV) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 4 Z 1 SMG (VI) schuldig erkannt.

Danach hat er in L***** und an anderen Orten

(I) im Herbst 2009 eine wehrlose Person, nämlich den nach übermäßigem Alkoholkonsum tief schlafenden Florian T*****, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihm eine geschlechtliche Handlung, nämlich den Oralverkehr, vornahm,

(II) im Herbst 2009 anlässlich der zu I beschriebenen Tat eine pornografische Darstellung einer mündigen minderjährigen Person hergestellt und im Anschluss daran besessen, indem er vom erigierten Penis des am geborenen Florian T***** eine Lichtbildaufnahme anfertigte und auf seinem Mobiltelefon speicherte,

(III) im Herbst 2009 Florian T***** durch gefährliche Drohung mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung zu einer Unterlassung genötigt, indem er ihm ankündigte, das angefertigte Lichtbild (II) im Zusammenhalt mit entsprechenden begleitenden Äußerungen mit dem Ziel zu verbreiten, Florian T***** gegenüber seiner Familie und seinem sonstigen sozialen Umfeld zu diskreditieren (US 8 und 26 f), falls er die Behörden oder andere Personen über die zu I beschriebene Tat informiere,

(IV) im Herbst 2009 eine Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, nämlich den am geborenen Florian T*****, unmittelbar durch die Zahlung von 300 Euro dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung, nämlich den Oralverkehr, an sich vornehmen zu lassen,

(V) im Sommer 2012 eine wehrlose Person, nämlich den tief schlafenden Florian T*****, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch zu missbrauchen versucht, dass er danach trachtete, eine geschlechtliche Handlung, nämlich den Oralverkehr, an ihm vorzunehmen sowie

(VI) vom bis zum wiederholt vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich THC hältiges Cannabis, „erworben und besessen und anderen überlassen“, wobei er dem am geborenen Alexander F*****, sohin einem damals Minderjährigen, den Gebrauch von Suchtgift ermöglichte und selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als der Minderjährige war.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 5a, 9 (richtig) lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt fehl.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 28 S 29 f) mehrerer Beweisanträge (ON 28 S 27 f) Verteidigungsrechte nicht verletzt:

Der Antrag, Armin W***** und Matthäus Pa***** zum Beweis dafür als Zeugen zu vernehmen, dass „Florian T***** im Sommer 2012, als der Angeklagte das Lokal 'K*****' gepachtet hatte, an den Angeklagten Bedrohungs SMS gerichtet hat, dass er tätlich gegen den Angeklagten wurde und im Lokal 'K*****' ein Fenster eingeschlagen hat und dass ab Sommer 2012 Streit zwischen dem Angeklagten und Florian T***** war und dass Florian T***** angekündigt hat, er wolle den Angeklagten fertigmachen“, ließ entgegen § 55 Abs 2 Z 1 StPO keinen Konnex zu schuld oder subsumtionsrelevanten Umständen erkennen.

Der Antrag auf „Einholung eines Kfz technischen Gutachtens unter Vornahme eines Augenscheines“ zum Nachweis dafür, dass „die Tat so wie vom Florian T***** beschrieben, gar nicht möglich gewesen wäre, da in diesem Fall der Angeklagte die Beifahrertüre öffnen hätte müssen und das Opfer mitwirken hätte müssen“, legte nicht dar, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und zielte solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung (RIS Justiz RS0118444).

Entsprechendes gilt für den Antrag auf Einholung eines neurologisch psychiatrischen Gutachtens. Dieser lässt nämlich nicht erkennen, warum es einem solchen Sachverständigen möglich sein sollte, ohne konkrete Angaben über einen Alkoholkonsum (vgl insbesondere ON 28 S 30 iVm ON 9 S 11) nachzuweisen, dass bei Florian T***** ein „Blutalkoholgehalt von zumindest 2,5 Promille bestand und dass bei einem derartigen Zustand faktisch Bewusstlosigkeit besteht und auf alle Fälle keine Erinnerungsfähigkeit mehr gegeben ist“ und dass „bei einem derartigen Zustand von 2,5 Promille Alkohol eine Peniserektion nicht mehr möglich ist“.

Der Antrag auf Einholung eines urologischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass „bei einem Blutalkoholgehalt von 2,5 Promille eine Peniserektion nicht mehr möglich ist“, basiert auf der spekulativen Prämisse einer entsprechenden Alkoholisierung und war schon deswegen für die Beurteilung des Tatverdachts ohne Bedeutung (§ 55 Abs 2 Z 1 StPO).

Der Antrag, Inspektor Pe***** als Zeugen zum Nachweis dafür zu vernehmen, dass (gemeint wohl: Florian T*****) „im Herbst 2012 den Angeklagten bezichtigt hat, Suchtgift zu konsumieren und dass er damals von allfälligen Missbrauchsvorwürfen gegenüber der Polizei nichts erwähnt hat“, wurde ebenfalls zu Recht abgewiesen, weil das Erstgericht die zu beweisenden Umstände ohnedies als erwiesen angesehen hat (ON 28 S 29 [RIS Justiz RS0099135]).

Das die Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.

Die Mängelrüge (Z 5) bezeichnet keine in der Hauptverhandlung vorgekommenen (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse, die das Erstgericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) übergangen haben soll, und bringt solcherart den Nichtigkeitsgrund der Urteilsunvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht prozessordnungskonform zur Darstellung (13 Os 138/03, SSt 2003/93; RIS Justiz RS0118316).

Indem die Beschwerde aus den vom Erstgericht logisch und empirisch einwandfrei gewürdigten (Z 5 vierter Fall) Angaben des Zeugen Florian T***** anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse zieht, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Auch durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird kein Fehler im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO dargetan (RIS Justiz RS0102162).

Das Erstgericht würdigte die Aussage des Zeugen Florian T***** eingehend (US 13 bis 23) und erörterte dabei auch innere Widersprüche (US 14). Hievon ausgehend war eine Auseinandersetzung mit sämtlichen Aussagedetails im Hinblick auf die Anordnung des § 270 Abs 2 Z 5 StPO, die Entscheidungsgründe gedrängt darzustellen, nicht geboten (RIS Justiz RS0098377).

Das unter dem Beschwerdepunkt I erstattete Vorbringen lässt keinen Bezug zu den Anfechtungskategorien des § 281 Abs 1 Z 5 StPO erkennen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich darin, anhand eigener Beweiswerterwägungen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Florian T***** in Frage zu stellen und bekämpft solcherart zur Gänze gleich einer Schuldberufung und damit unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter.

Rechts (Z 9 lit a) und Subsumtionsrüge (Z 10) wenden sich gegen den Schuldspruch III, wobei Erstere die Erfüllung des Grundtatbestands (§ 105 Abs 1 StGB), Letztere die Verwirklichung der Qualifikationsnorm (§ 106 Abs 1 Z 1 StGB) verneint.

Indem beide Rügen die Feststellung, Florian T***** sei Mitglied einer Clique gewesen (US 8 und 26 f), bestreiten und sich zudem über die Konstatierungen, wonach die in Rede stehende Drohung auch darauf gerichtet war, Florian T***** gegenüber seiner Familie und seinem sonstigen sozialen Umfeld zu diskreditieren (US 8 und 26 f), hinwegsetzen, verfehlen sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Hinzugefügt sei, dass die Feststellungen zum Schuldspruch VI auch die Subsumtion nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG tragen (US 12, vgl auch US 3). Da die Nichtvornahme dieser Subsumtion zum Vorteil des Angeklagten wirkt, hat sie auf sich zu beruhen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00060.15W.0819.000