VfGH vom 12.03.2015, E4/2014

VfGH vom 12.03.2015, E4/2014

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im Anlassfall hinsichtlich der Entscheidung über die Verhängung der Schubhaft und der Anhaltung; Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch den Fortsetzungsausspruch mangels Entscheidung binnen einer Woche; teils Zurückweisung und Ablehnung der Beschwerde

Spruch

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Der Beschwerdeführer ist durch Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt worden, weil die Feststellung, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, nicht binnen einer Woche erging.

Im Übrigen ist der Beschwerdeführer durch Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Die Beschwerde wird daher insoweit abgewiesen.

3. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Erkenntnisses wendet, zurückgewiesen.

4. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Libanon, reiste am aus der Schweiz kommend in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde am gemäß § 39 Abs 3 Z 1 des Bundesgesetzes über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005FPG), BGBl I 100 idF BGBl I 114/2013, zur Sicherung der Zurückschiebung nach § 45 leg.cit. festgenommen und in weiterer Folge angehalten. Am stellte der Beschwerdeführer im Rahmen einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag wurde über ihn mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 76 Abs 2 Z 4 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung bzw. der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Im Rahmen der diesem Bescheid angefügten Rechtsmittelbelehrung wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass ihm gegen diesen Bescheid die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht offen stehe, die innerhalb von zwei Wochen nach seiner Zustellung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einzubringen sei.

Gegen die "Verhängung der Schubhaft und der Anhaltung seit " wurde gemäß § 22a des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 68/2013, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Die Beschwerde wurde am beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebracht und von diesem an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet, wo sie am einlangte.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde gemäß § 76 Abs 2 Z 4 FPG iVm § 22a Abs 1 BFA VG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 22a Abs 3 BFA VG stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen (Spruchpunkt III.). Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wurde gemäß § 35 Abs 3 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (VerwaltungsgerichtsverfahrensgesetzVwGVG), BGBl I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, abgewiesen (Spruchpunkt II.) sowie ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B VG zulässig sei (Spruchpunkt IV.). Das Erkenntnis wurde dem Zustellbevollmächtigten des Beschwerdeführers am per Fax übermittelt.

Begründend führt das Bundesverwaltungsgericht aus, es sei im Fall des Beschwerdeführers eine Mehrzahl an Faktoren gegeben, die in einer Gesamtschau einen Sicherungsbedarf ergäben. So habe der Beschwerdeführer in Österreich keinen Wohnsitz, gehe keiner Beschäftigung nach und habe in Österreich weder Verwandte noch Bekannte, er verfüge über kein gültiges Reisedokument und über sehr eingeschränkte Barmittel. Der Beschwerdeführer habe sich nach eigenen Angaben auch bereits zweimal fremdenpolizeilichen Maßnahmen der Schweizer Behörden entzogen. Auf Grund des aufgezeigten Sachverhalts komme die Anwendung gelinderer Mittel nicht in Betracht. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz werde abgewiesen, da die vorliegende Beschwerde abgewiesen werde und der Beschwerdeführer unterlegene Partei sei.

Da die Schubhaft zum Entscheidungszeitpunkt noch andauere, sei gemäß § 22a BFA-VG festzustellen, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Da keinerlei Umstände hervorgetreten seien, die eine Änderung jener Faktoren,

welche zur Inschubhaftnahme geführt hätten, annehmen ließen, seien diese Voraussetzungen unzweifelhaft zu bejahen, zumal das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bereits ein Wiederaufnahmeersuchen an die Schweiz gestellt und ein Ausweisungsverfahren eingeleitet habe. Die Revision sei hingegen zulässig, da die vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers behauptete Fristverletzung durch das Bundesverwaltungsgericht bestritten werde. Hinsichtlich der Frage, wo die Beschwerde einzubringen sei bzw. wann der Fristenlauf des § 22a Abs 2 BFA-VG beginne, liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf persönliche Freiheit und auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

4. Das Bundesverwaltungsgericht erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

5. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litb B VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 22a Abs 1 bis 3 BFA-VG idF BGBl I 68/2013 ein. Mit Erkenntnis vom , G151/2014 ua., hob er § 22a Abs 1 und 2 BFA-VG als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass § 22a Abs 3 BFA-VG nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

II. Rechtslage

Die für die Beurteilung des vorliegenden Anlassfalles maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. § 7 Abs 1 BFA VG, BGBl I 87/2012 idF BGBl I 68/2013, lautet:

"Bundesverwaltungsgericht

§7. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§3 Abs 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs 1 Z 1 und 2.

(2) […]."

2. § 22a Abs 3 BFA VG, BGBl I 87/2012 idF BGBl I 68/2013, lautet:

"(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen."

3. § 76 FPG, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 87/2012, der dem 8. Hauptstück des FPG angehört, lautet auszugsweise:

"8. Abschnitt

Schubhaft und gelinderes Mittel

Schubhaft

§76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Anordnung zur Außerlandesbringung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

(1a) Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Das Bundesamt kann über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Rückkehrentscheidung erlassen wurde;

2. gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 27 AsylG 2005 eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(2a) Das Bundesamt hat über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen ihn eine zurückweisende Entscheidung gemäß §§4a oder 5 AsylG 2005 und eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung oder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den gemäß § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 13 Abs 2 BFA-VG nicht nachgekommen ist;

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§2 Abs 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder

6. sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs 2 Z 1 bis 4 vorliegt,

und die Schubhaft für die Sicherung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.

(3) Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(4) –(6) […]"

4. § 12 und 20 VwGVG, BGBl I 33/2013, lauten:

"Schriftsätze

§12. Bis zur Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht sind die Schriftsätze bei der belangten Behörde einzubringen. Dies gilt nicht in Rechtssachen gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B VG."

"Schriftsätze

§20. Die Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B VG und die sonstigen Schriftsätze im Verfahren über diese sind unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen. In allen sonstigen Verfahren sind die Schriftsätze ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht unmittelbar bei diesem einzubringen."

III. Erwägungen

Die Beschwerde ist teilweise begründet:

1.1. Gemäß Art 140 Abs 7 B VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zugrunde liegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

1.2. Soweit mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses die Beschwerde gemäß § 76 Abs 2 Z 4 FPG iVm § 22a Abs 1 BFA-VG abgewiesen wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde also durch Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).

Nach der Aufhebung des § 22a Abs 1 und 2 BFA VG durch den Verfassungsgerichtshof aus Anlass der vorliegenden Beschwerde sind im Anlassfall, soweit sich die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen die "Verhängung der Schubhaft" mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom richtet, die allgemein für Beschwerden gegen Bescheide geltenden Bestimmungen anzuwenden. Demnach bildet die Grundlage für die Erhebung einer Beschwerde gegen den vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassenen Schubhaftbescheid an das Bundesverwaltungsgericht nunmehr § 7 Abs 1 Z 1 BFA VG. Soweit sich die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen die "Anhaltung seit " wendet, liegt hingegen eine Beschwerde gegen die behauptete Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor (vgl. § 7 Abs 1 Z 3 BFA VG). Die Beurteilung, ob die Anhaltung des Beschwerdeführers im Zeitraum zwischen dem und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes einen (etwa vom zugrunde liegenden Bescheid nicht mehr gedeckten) Akt unmittelbarer Zwangsgewalt oder eine bloße Vollstreckungsmaßnahme darstellt (vgl. VfSlg 10.978/1986 mwH, 12.340/1988; ua., Rz 39) obliegt – nach Aufhebung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, soweit die Beschwerde abgewiesen wurde, – dem Bundesverwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren.

2. Soweit ausgesprochen wurde, dass gemäß § 22a Abs 3 BFA VG die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorlägen (Spruchpunkt III.), wurde der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt:

2.1. Gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit sowie gemäß Z 2 leg.cit. über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.

2.2. Aus dem im Anlassfall anzuwendenden – nicht als verfassungswidrig aufgehobenen – § 22a Abs 3 BFA VG ergibt sich indes (arg: "jedenfalls"), dass das Bundesverwaltungsgericht aus Anlass jeder Beschwerde – sei sie nun gegen einen Bescheid oder gegen die behauptete Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gerichtet – einen Ausspruch über das Vorliegen der für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zu treffen hat.

2.3. Das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes, mit dem darüber entschieden wird, dass eine Festnahme oder Anhaltung einer Person rechtmäßig war oder ist, verletzt das durch Art 1 ff. des Bundesverfassungsgesetzes vom über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl 684, (im Folgenden: PersFrSchG) und durch Art 5 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit), wenn es gegen die verfassungsgesetzlich festgelegten Erfordernisse der Festnahme bzw. Anhaltung verstößt, wenn es in Anwendung eines verfassungswidrigen, insbesondere den genannten Verfassungsvorschriften widersprechenden Gesetzes erlassen wurde oder wenn es gesetzlos oder in denkunmöglicher Anwendung einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Rechtsgrundlage ergangen ist; ein Fall, der nur dann vorläge, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (VfSlg 13.708/1994, 15.131/1998, 15.684/1999 und 16.384/2001).

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ist auch verletzt, wenn die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entgegen dem verfassungsgesetzlich festgelegten Erfordernis des Art 6 Abs 1 letzter Satz PersFrSchG nicht binnen einer Woche ergangen ist. Aus der Anordnung in Art 6 Abs 1 letzter Satz PersFrSchG, dass die Entscheidung binnen einer Woche zu ergehen hat, erfließt für den vorliegenden Anlassfall die Verpflichtung des erkennenden Verwaltungsgerichtes, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, dass auch im Rahmen eines Verfahrens über die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid seine Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Freiheitsentzuges gemäß § 22a Abs 3 BFA VG möglichst bald, spätestens innerhalb einer Woche dem Beschwerdeführer (gegebenenfalls seinem Rechtsvertreter) und der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde zugeht (vgl. VfSlg 13.893/1994, 14.193/1995, 18.081/2007, 18.964/2009).

2.4. Die gemäß Art 6 Abs 1 letzter Satz PersFrSchG gebotene Frist von einer Woche ist grundsätzlich ab dem Einlangen einer Beschwerde bei der zuständigen Behörde zu berechnen (vgl. VfSlg 18.081/2007 mH auf Kopetzki , Art 6 PersFrG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, Rz 46ff. sowie insb. Rz 50, wonach der Fristenlauf im Falle eines antragsbedürftigen Verfahrens mit der Antragstellung bzw. mit dem Einlangen des Antrags bei der zuständigen Behörde beginnt).

Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Verfassungsgesetzgeber unabhängig von behördeninternen Manipulationen eine einwöchige Frist als Obergrenze festgelegt hat (vgl. VfSlg 18.081/2007, 18.964/2009). Dass nunmehr (anders als etwa nach dem mit außer Kraft getretenen § 82 Abs 3 FPG, wonach die eingebrachte Beschwerde dem zur Entscheidung berufenen unabhängigen Verwaltungssenat spätestens zwei Tage nach dem Einlangen vorzuliegen hatte) Bestimmungen über die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht fehlen bzw. das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bescheidbeschwerde gemäß § 14 VwGVG dazu ermächtigt wäre, innerhalb von zwei Monaten eine Beschwerdevorentscheidung zu treffen, ändert daran nichts. Für die Berechnung der einwöchigen Entscheidungsfrist des Art 6 Abs 1 letzter Satz PersFrSchG ist jedenfalls jener Zeitpunkt maßgeblich, zu dem eine Beschwerde zuerst bei einer zuständigen Stelle einlangt.

2.5. Gemäß § 12 VwGVG sind Schriftsätze – außer in Rechtssachen gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B VG – bis zur Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht bei der belangten Behörde einzubringen. Dies gilt daher auch für die Bescheidbeschwerde. Beschwerden gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sind gemäß § 20 VwGVG unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen. Abweichende Bestimmungen hinsichtlich der Einbringung von Beschwerden in Angelegenheiten der Schubhaft bestehen nicht. Die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers brachte am beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom und gegen die Anhaltung ein. Dem Bundesverwaltungsgericht wurde die Beschwerde am zur Entscheidung vorgelegt.

Im vorliegenden Fall wurde (auch) eine Beschwerde gegen die Verhängung der Schubhaft mit Bescheid erhoben, die gemäß § 12 VwGVG beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einzubringen ist; dieses ist sohin zuständige Stelle im Sinne der vorstehenden Erwägungen. Die einwöchige Entscheidungsfrist des Art 6 Abs 1 letzter Satz PersFrSchG begann daher mit dem Einlangen der Beschwerde beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, sohin am , zu laufen. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hatte folglich – da sich der Beschwerdeführer weiterhin in Schubhaft befand – spätestens am zu ergehen. Sie wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers jedoch erst am per Fax zugestellt und ist damit erst nach Ablauf der gemäß Art 6 Abs 1 letzter Satz PersFrSchG gebotenen Frist von einer Woche ergangen.

Der Beschwerdeführer wurde daher dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Aufrechterhaltung des Freiheitsentzuges nicht binnen einer Woche erging.

2.6. Durch die begehrte Aufhebung der verspätet ergangenen Entscheidung könnte die Rechtsverletzung aber nicht beseitigt, sondern insoweit sogar verschärft werden, als die im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ergehende Entscheidung nur noch später ergehen könnte. Der Verfassungsgerichtshof hat sich deshalb auf den Ausspruch zu beschränken, dass eine Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) stattgefunden hat (vgl. VfSlg 18.014/2006 mwN, 18.964/2009).

2.7. Im Übrigen aber hat das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren nicht ergeben, dass die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Fortsetzungsausspruches an einem weiteren in die Verfassungssphäre reichenden Mangel leidet. Angesichts des Umstandes, dass sowohl für die Anordnung als auch für die Aufrechterhaltung der Schubhaft eine – aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles unbedenkliche – gesetzliche Grundlage vorliegt und das Bundesverwaltungsgericht die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft aus verfassungsrechtlicher Sicht nachvollziehbar begründet hat, liegt keine (weitere) Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) vor.

Insoweit ist die Beschwerde daher abzuweisen.

3. Gemäß § 88a Abs 2 Z 1 VfGG ist eine Beschwerde gegen Aussprüche gemäß § 25a Abs 1 VwGG, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B VG zulässig ist, nicht zulässig. Die Beschwerde – die das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ausdrücklich zur Gänze anficht – ist daher insoweit, sohin hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Erkenntnisses, zurückzuweisen.

4. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses wendet, abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs 2 B VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Kostenersatz zu Recht unter Verweis auf § 35 Abs 3 VwGVG abgewiesen hat, nicht anzustellen.

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer wurde durch Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt.

Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben.

2. Soweit ausgesprochen wurde, dass gemäß § 22a Abs 3 BFA VG die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorlägen (Spruchpunkt III.), wurde der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses abgewiesen.

3. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt IV. der angefochtenen Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen.

4. Im Übrigen – sohin hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses – wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG bzw. § 19 Abs 3 Z 1 iVm § 31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. Die teilweise Erfolglosigkeit der Beschwerde kann dabei außer Betracht bleiben, da dieser Teil keinen zusätzlichen Prozessaufwand verursacht hat (vgl. VfSlg 16.760/2002). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:E4.2014