OGH vom 25.11.2011, 9Nc19/11k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon. Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Firmenbuchsache der H***** GmbH, *****, über den von 1. der Gesellschaft und 2. ihrer Geschäftsführerin H*****, beide vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, gestellten Antrag auf Ablehnung des Hofrats des Obersten Gerichtshofs ***** Dr. ***** K***** den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Ablehnungsantrag wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Beschlüssen des Landesgerichtes Feldkirch als Handelsgericht vom , GZ 47 Fr 1568/11g 23, 24, wurden über die im Spruch genannte Gesellschaft und ihre Geschäftsführerin wegen Verletzung der Offenlegungspflicht nach den §§ 277 ff UGB Zwangsstrafen verhängt. Das Oberlandesgericht Innsbruck gab mit Beschluss vom , AZ 3 R 87/11k, 3 R 88/11g, den dagegen gerichteten Rekursen keine Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.
Im Rahmen ihres dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurses lehnten die Gesellschaft und die Geschäftsführerin den zur Entscheidung über Ablehnungsanträge zuständigen 9. Senat des Obersten Gerichtshofs sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs ***** Dr. ***** K***** als befangen ab. Letzterer setze sich literarisch für eine immer extremere Verschärfung der Offenlegungspflichten nach dem UGB ein, erachte die Richtlinie nicht ausreichend effektiv umgesetzt und suche unter Zitierung eigener Aufsätze den Eindruck zu vermitteln, „das Schrifttum“ verlange eine effektivere Ausgestaltung. Auch verschweige er, dass das Publizitätsrichtlinie Gesetz (PuG) 2006 eine Konfrontation mit der damals ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs dargestellt habe, der Oberste Gerichtshof ausdrücklich gegen die Novelle des PuG 2006 Stellung bezogen habe und auch der Europäische Gerichtshof Erleichterungen der Bilanzregeln für zulässig ansehe. Der 9. Senat sei befangen, weil er im Parallelverfahren AZ 6 Ob 64/11x Hofrat K***** entgegen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die bei der Beurteilung eines Ablehnungsgrundes einen „objective approach“ verlange, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob die von Hofrat K***** verfassten Publikationen bei einem neutralen Beobachter noch den Eindruck einer neutralen Haltung vermitteln, verweigert und Hofrat K***** nicht als befangen erachtet habe.
Bereits im Parallelverfahren erachtete sich Hofrat K***** in einer Stellungnahme für nicht befangen. Er sei nicht nur in der wissenschaftlichen Diskussion, sondern auch und gerade im Rahmen seiner richterlichen Tätigkeit stets für neue Argumente offen und gegebenenfalls zur Revision seines Standpunkts bereit. Auch im vorliegenden Verfahren erklärte er sich für nicht befangen.
Soweit der Ablehnungsantrag den 9. Senat des Obersten Gerichtshofs betrifft, wurde er mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 6 Nc 18/11s, als unzulässig zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Soweit der Ablehnungsantrag Hofrat K***** betrifft, ist er nicht berechtigt .
Befangenheit liegt vor, wenn ein Richter an eine Rechtssache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt, somit eine Hemmung zu unparteiischer Entscheidung durch sachfremde psychologische Motive gegeben ist. Auch wenn grundsätzlich schon der Anschein einer Befangenheit genügt, so setzt ein solcher voraus, dass konkrete Umstände dargetan werden, die geeignet erscheinen, aus der Sicht eines objektiven Beurteilers die volle Unbefangenheit des betreffenden Richters aus persönlichen Gründen in Zweifel zu ziehen (RIS Justiz RS0096914; RS0096880). Das Vertreten einer, sei es auch in der Rechtsprechung abgelehnten, Rechtsmeinung bildet im Allgemeinen keinen Ablehnungsgrund. Ebenso ist es kein Ablehnungsgrund, wenn der Richter schon eine bestimmte Rechtsansicht in einem Rechtsstreit geäußert (RIS Justiz RS0045916; s auch RS0111290) oder in Form wissenschaftlicher Abhandlungen veröffentlicht hat (RIS Justiz RS0045916 [T2] = 4 Ob 36/89). Eine Besorgnis der Befangenheit liegt erst dann vor, wenn der abgelehnte Richter zu erkennen gegeben hätte, dass er nicht bereit wäre, seine damals vertretene Rechtsansicht erneut selbstkritisch zu überprüfen und gegebenenfalls seine Meinung zu ändern (RIS Justiz RS0036155).
Nach diesen Grundsätzen gibt der Umstand, dass sich Hofrat K***** wenn auch nicht im Sinne der Antragsteller bereits literarisch zu den rechtlichen und faktischen Gegebenheiten beim Vollzug der Offenlegungspflichten nach den §§ 277 ff UGB geäußert hat, keinen Grund zur Annahme, dass er sich bei einer Entscheidung über das Rechtsmittel der Antragsteller von sachfremden Motiven leiten lassen könnte. Der Ablehnungsantrag bietet auch keine Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund seiner Publikation keine Bereitschaft mehr hätte, unter dem Eindruck des Rechtsmittels seine Rechtsansicht erneut kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls seine Meinung zu ändern.
Dem steht ohne einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Revisionsrekursvorbringen zu den Offenlegungspflichten vorzugreifen auch die einzige von den Ablehnungswerbern angeführte Publikation von Hofrat K***** („*****“, *****) nicht entgegen: Es ist nicht zu erkennen, warum es unsachlich wäre, im Umstand, dass die Hälfte der Unternehmen ihre Bilanzen entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht publiziert, Effizienzdefizite im Vollzug und „weiteren Handlungsbedarf“ zu sehen. Die Beschreibung der gesetzlichen Verschärfung der Offenlegungspflichten („Für die Offenlegungspflicht verletzende Gesellschaften weht aufgrund der Novellierung des § 283 UGB durch das PuG sowie der neueren Judikaturentwicklung ein deutlich rauerer Wind“) hat primär publizistisch deskriptiven, allenfalls auch warnenden Charakter. Die vermeintliche Befangenheit von Hofrat K***** ist nicht daraus ableitbar.
Bereits im Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 6 Nc 18/11x, wurde überdies dargelegt, dass die Ablehnungswerber auch jeglichen Nachweis für ihre Behauptung schuldig geblieben sind, es widerspreche der Rechtsprechung des EGMR, von einer Partei den unmöglichen Beweis zu verlangen, dass ein Richter zu erkennen gegeben hätte, dass er nicht bereit wäre, seine Rechtsansicht erneut selbstkritisch zu überprüfen und gegebenenfalls seine Meinung zu ändern.
Dem Ablehnungsantrag ist daher ein Erfolg zu versagen.