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OGH vom 30.08.2011, 10ObS75/11v

OGH vom 30.08.2011, 10ObS75/11v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Georg Eberl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. Gerhard Schafelner, Rechtsanwalt in St. Valentin, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 37/11d 27, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die am geborene Klägerin, die 1995 die Prüfung zur Stationsgehilfin erfolgreich abgelegt hatte (Stk 29 im Versicherungsakt), absolvierte eine vom bis zum dauernde Ausbildung zur Altenfachbetreuerin an der Altenbetreuungsschule des Landes Oberösterreich. Während dieser Ausbildung legte sie am an der Akademie für Gesundheitsberufe erfolgreich die kommissionelle Abschlussprüfung zur Pflegehelferin gemäß dem zweiten Abschnitt der Pflegehelferverordnung BGBl 1991/175 (PflHV) ab. Auch die Ausbildung zur Altenfachbetreuerin schloss sie mit einer kommissionellen Abschlussprüfung ab und ist seither berechtigt, die Berufsbezeichnung „Altenfachbetreuerin“ zu führen. Von bis war sie beim Sozialhilfeverband Linz Land in einem Bezirksaltenheim tätig. Obwohl sie ab Beginn dieses Dienstverhältnisses von ihrem Dienstgeber als Altenfachbetreuerin im Angestelltenverhältnis „geführt“ wurde, entsprach ihre Tätigkeit im Bezirksaltenheim derjenigen einer Pflegehelferin. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag liegen (neben sechs Beitragsmonaten als Verkäuferin) demnach 149 Beitragsmonate als Pflegehelferin. Aufgrund ihrer näher festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist die Klägerin nicht mehr in der Lage, den Beruf einer Pflegehelferin auszuüben, weil mit dieser Tätigkeit auch die Verrichtung schwerer Arbeiten verbunden ist; ferner reicht die bei der Klägerin bestehende, nur mehr durchschnittliche psychische Belastbarkeit nicht aus.

Im Rahmen der theoretischen Ausbildung zur Altenfachbetreuerin an der Altenbetreuungsschule des Landes Oberösterreich absolvierte die Klägerin 600 Stunden an Theorie und 832 Stunden an Praktika (letzteres an verschiedenen Bezirksaltenheimen und in einer Sozialstation), sowie eine Projektwoche in der Dauer von 100 Stunden sohin insgesamt 1.532 Stunden. Bei dem von der Klägerin besuchten Lehrgang zur Altenfachbetreuerin handelt es sich um eine kombinierte Ausbildung, in die auch Inhalte der Pflegehelferausbildung integriert sind. Ein Großteil der Fachinhalte der Ausbildung zur Pflegehelferin und jener zur Altenfachbetreuerin ist jeweils ident. Von den im Rahmen der Ausbildung zur Altenfachbetreuerin ausgewiesenen 600 Unterrichtseinheiten in Theorie sind nur 160 Unterrichtseinheiten als spezifisch für die Altenfachbetreuungsausbildung anzusehen (50 Unterrichtseinheiten Schulung in Umgang mit Krisen; 80 Unterrichtseinheiten Grundlagen der Gerontopsychologie und 30 Unterrichtseinheiten in Alterssoziologie Gerontologie). Die theoretische und praktische Ausbildung der Klägerin für den Bereich der Pflegehilfe dauerte jeweils 800 Stunden, sodass insgesamt für den Bereich der Ausbildung zur Pflegehelferin 1.600 Stunden absolviert wurden.

Das Erstgericht sprach aus, dass ab der Anspruch der klagenden Partei auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß sowie auf Zahlung einer vorläufigen Leistung in Höhe von 885,90 EUR monatlich dem Grund nach zu Recht bestehe und die jeweiligen Leistungen nach Aufgabe der Tätigkeit der Klägerin anfallen werden. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, die Klägerin habe eine Ausbildung als Pflegehelferin nach der Pflegehelferverordnung BGBl 1991/175 im Umfang von 1.600 Stunden in Ausbildung, Theorie und Praxis erfolgreich absolviert, habe diese Tätigkeit nicht nur vorübergehend ausgeübt und verfüge über gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten in diesem Beruf, wie sie in einem Lehrberuf verlangt würden. Sie genieße daher Berufschutz als Pflegehelferin. Zwar habe sie im Rahmen der kombinierten Ausbildung Altenfachbetreuerin/Pflegehelferin eine zusätzliche Ausbildung von 160 Unterrichtseinheiten für den Bereich Altenfachbetreuerin abgeschlossen; da diese Ausbildung aber den (in § 10 Abs 1 des Oö Altenbetreuungs Ausbildungsgesetzes) für eine Zusatzausbildung als Pflegehelfer genannten Anforderungen eines theoretischen Unterrichts in der Dauer von 250 Unterrichtseinheiten nicht entspreche und sie wie die Berufsprüfung ergeben habe als Altenfachbetreuerin keine entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten aufweise, habe sie keinen Berufsschutz als Altenfachbetreuerin erlangt.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Rechtlich ging es zusammengefasst davon aus, dass die Tätigkeit einer Pflegehelferin, die regelmäßig der Führung durch diplomiertes Krankenpflegerpersonal unterliege, keine Angestelltentätigkeit im Sinne des Angestelltengesetzes darstelle, sodass der Leistungsanspruch der Klägerin nach § 255 ASVG zu beurteilen sei. Eine einjährige Ausbildung zur Pflegehelferin im Ausmaß von 1.600 Stunden stelle keinen erlernten oder angelernten Beruf dar, weil kein einem Lehrberuf vergleichbares Ausbildungsniveau erreicht werde. Auch die Zusatzausbildung einer Pflegehelferin zur Altenfachbetreuerin im Ausmaß von 160 Stunden rechtfertige keine andere Beurteilung. Es komme weder ein Berufsschutz der Klägerin als Pflegehelferin noch als Altenfachbetreuerin in Betracht. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt stünden der Klägerin noch eine Reihe leichter Hilfstätigkeiten wie etwa jene einer Portierin, Museumswärterin offen; es seien ihr auch Sortier und Verpackungstätigkeiten in Leichtwarenbranchen zumutbar. Die Anforderungen an diese weit verbreiteten Verweisungstätigkeiten, die sich sowohl unter den Augen der Öffentlichkeit abspielten als auch allgemein bekannt seien, könnten als offenkundig iSd § 269 ZPO gelten.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

1. Die Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Anspruch der Klägerin auf Berufsunfähigkeitspension inhaltlich nach dem Invaliditätsbegriff des analog anzuwendenden § 255 ASVG zu beurteilen ist, wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen (RIS Justiz RS0084962 [T9, T 11]; 10 ObS 256/02y).

2. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass es sich beim Beruf einer Pflegehelferin oder eines Pflegehelfers bei einer Ausbildungsdauer von nur 1.600 Stunden in Theorie und Praxis (siehe § 5 Abs 2 der Pfleghelferverordnung BGBl 1991/175 PflHV) um keinen erlernten oder angelernten Beruf iSd § 255 Abs 1 und 2 ASVG handelt (10 ObS 117/00d, SSV NF 14/61). Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass die grundsätzliche Ausbildungsdauer zum Pflegehelfer nach den Bestimmungen des Gesundheits und Krankenpflegegesetzes BGBl I 1997/108 (GuKG) ein Jahr, für den Beruf des diplomierten Krankenpflegers hingegen drei Jahre (mindestens 4.600 Stunden Ausbildung in Theorie und Praxis) betrage, woraus sich ergebe, dass die mindestens dreijährige Ausbildung ganz offenkundig weitergehende Kenntnisse und Fähigkeiten vermittle (10 ObS 39/05s, SSV-NF 19/35 = DRdA 2006/22 zust Kalb ).

3. Für die Beurteilung des Berufsschutzes der Klägerin als Altenfachbetreuerin sind noch die Ausbildungsvorschriften des bis in Geltung gestandenen Oö Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes (LGBl 1992/59) und der Oö Altenbetreuungs AusbildungsVO (LGBl 1993/34) maßgebend (siehe § 16 des Oö Altenfachbetreuungs und Heimhilfegesetz 2002, LGBl 2002/54). Nach § 9 des Oö Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes hat die Ausbildung zum Altenbetreuer in einer Schule für Altenbetreuung zu erfolgen. Sie umfasst einen theoretischen (in einer Gesamtdauer von mindestens 600 Unterrichtseinheiten) und einen praktischen Teil (in einer Gesamtdauer von zumindest 400 Stunden) und wird mit einer kommissionellen Prüfung abgeschlossen. Für einen Pflegehelfer besteht gemäß § 10 Abs 1 des Oö Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes die Möglichkeit der Absolvierung einer Zusatzausbildung zum Altenfachbetreuer. Diese Zusatzausbildung hat durch eine Schule für Altenbetreuung zu erfolgen und soll insbesondere den Ausbildungsstand des Pflegehelfers (der Pflegehelferin) in den altenspezifischen Fächern durch einen theoretischen Unterricht in der Dauer von insgesamt 250 Unterrichtseinheiten ergänzen und vertiefen. Die Zusatzausbildung wird mit einer Prüfung, die höchstens zweimal wiederholt werden darf, abgeschlossen.

4.1. In den zur Frage des Berufsschutzes einer Altenfachbetreuerin ergangenen Entscheidungen 10 ObS 66/07i, SSV NF 21/49 bzw 10 ObS 74/09v, SSV NF 23/51 bejahte der Oberste Gerichtshof den Berufsschutz nach § 255 Abs 1 ASVG bei einer zweijährigen Ausbildung mit einem Stundenausmaß von 2.400 Stunden (10 ObS 66/07i) bzw 2.208 Stunden (10 ObS 74/09i), weil über die Ausbildung als Pflegehelferin hinausgehende und für ihre spezielle Tätigkeit erforderliche zusätzliche qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten in einem erheblichen Umfang erworben wurden.

4.2. Hingegen wurde ausgesprochen, dass ausgehend von einer durchschnittlichen Ausbildungsdauer einer Pflegehelferin von einem Jahr und 1.600 Stunden auch eine Zusatzausbildung einer Pflegehelferin zur Altenfachbetreuerin im Ausmaß von 250 (theoretischen) Unterrichtseinheiten (siehe § 5 Abs 1 und Abs 2 der Oö Altenbetreuungs Ausbildungsverordnung) kein einem Lehrberuf vergleichbares Ausbildungsniveau verleihe, das die Annahme rechtfertigen könnte, bei diesem Beruf handle es sich um einen erlernten oder angelernten Beruf iSd § 255 Abs 1 und Abs 2 ASVG (10 ObS 116/05i; 10 ObS 39/05s, SSV NF 19/35 = DRdA 2006/22 zust Kalb ; 10 ObS 187/09m; 10 ObS 39/09x). Dies wurde damit begründet, dass mit einer insgesamt nur knapp vierzehnmonatigen theoretischen und praktischen Ausbildung (im Gesamtausmaß von 1.850 Stunden) kein einem Lehrberuf vergleichbares Ausbildungsniveau erreicht werden könne.

5. Mit der dargelegten Rechtsprechung steht das Urteil des Berufungsgerichts im Einklang:

5.1. Die Klägerin, die über die Qualifikation einer Stationsgehilfin verfügte, hat an einer Altenbetreuungsschule des Landes Oberösterreich einen einjährigen, 1.532 Stunden umfassenden Ausbildungslehrgang zur Altenfachbetreuerin absolviert, der auch Inhalte der Pflegehelferausbildung umfasste; ein Großteil der Fachinhalte beider Ausbildungen war ident. Im Rahmen dieser kombinierten Ausbildung legte die Klägerin vorerst die kommissionelle Prüfung zur Pflegehelferin ab (§ 16 Abs 1 Z 2 PflHV). Nach Beendigung des Lehrgangs unterzog sie sich der kommissionellen Prüfung zur Altenfachbetreuerin. Das Erstgericht hat nun zur Dauer der Ausbildung zwar festgestellt, der kombinierte Ausbildungslehrgang an der Altenbetreuungsschule habe 1.532 Stunden umfasst, andererseits hat es aber auch die Feststellung getroffen, von der Klägerin seien für den Bereich der Ausbildung zur Pflegehelferin 1.600 Stunden absolviert worden. Wie eine einfache Kontrollrechnung ergibt (Stundenzahl bezogen auf den festgestellten Ausbildungszeitraum), ist letztere Feststellung jedoch nicht so zu verstehen, dass die Klägerin insgesamt 3.132 Stunden an Ausbildung genossen hätte (was sie auch selbst nie behauptet hat). Wie sich aus dem den Feststellungen zu Grunde liegenden berufskundlichen Sachverständigengutachten (Berufstest) vielmehr eindeutig ergibt, ist diese Feststellung nur dahin zu verstehen, dass der von der Klägerin an der Altenbetreuungsschule abgeschlossene Ausbildungslehrgang von seinen Lehrinhalten her jener 1.600 Stunden umfassenden Ausbildung zur Pflegehelferin entspricht, wie sie in § 5 Abs 2 PflHV vorgesehen ist.

Berücksichtigt man ausgehend von diesem Verständnis der Feststellungen die insgesamt bloß einjährige Ausbildungsdauer, steht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe als Pflegehelferin keine Fähigkeiten und Kenntnisse erworben, die qualitativ und quantitativ einem Lehrberuf entsprechen, mit der ständigen Rechtsprechung in Einklang.

6. Mit dem Vorwurf, das Berufungsgericht habe außer Acht gelassen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Ausbildung zur Altenfachbetreuerin neben den 160 Stunden an theoretischer Ausbildung auch 832 Stunden an Praktika und 100 Stunden Projektwochen absolvierte habe, setzt sich die Revision über die auch die praktische Ausbildung betreffende Feststellung hinweg, nach der ein Großteil der Fachinhalte der Ausbildung zur Pflegehelferin und jener zur Altenfachbetreuerin ident sind (siehe dazu auch das berufskundliche Sachverständigengutachten ON 13, auf dessen Seite 7 = AS 79). Insofern entfernt sich die Rechtsrüge vom festgestellten Sachverhalt (RIS Justiz RS0043312).

7. Dass die Anforderungen in den vom Berufungsgericht genannten Verweisungsberufen nicht so unzweifelhaft seien, dass sie der Entscheidung ohne Erörterung mit den Parteien zugrunde gelegt werden könnten (10 ObS 355/02g, SSV NF 16/131), hat die Revisionswerberin nicht geltend gemacht.

Da in der Revision keine Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO releviert werden, war mit einer Zurückweisung vorzugehen.