OGH vom 24.07.2014, 9Nc17/14w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. A***** R*****, vertreten durch Dr. Michael Kramer, Rechtsanwalt in Telfs, gegen die beklagte Partei D. S***** KG, *****, vertreten durch Torggler Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Anfechtung einer Kündigung und Feststellung (Streitwert: 166.004,80 EUR), über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag der klagenden Partei, anstelle des Arbeits- und Sozialgerichts Wien das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache des Arbeits- und Sozialgerichts Wien AZ 7 Cga 46/14f zu bestimmen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 780,18 EUR (darin 130,03 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Stellungnahme vom zu ersetzen.
Text
Begründung:
Am brachte der Kläger gegen die in Tirol ansässige Beklagte unter Inanspruchnahme des Wahlgerichtsstands nach § 4 Abs 1 ASGG beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eine Klage auf Anfechtung der von der Beklagten am ausgesprochenen Eventualkündigung und Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses ein (7 Cga 46/14f). Zur Begründung des Wahlgerichtsstands brachte der Kläger vor, sein Arbeitsort und gewöhnlicher Aufenthaltsort seien in Wien gelegen.
Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung waren zwischen den Parteien bereits mehrere Verfahren beim Arbeits- und Sozialgericht Wien anhängig: Eine Klage auf Anfechtung der von der Beklagten am zum ausgesprochenen Kündigung des Klägers (6 Cga 82/13s), eine Klage auf Zahlung von Bonus und Sachbezügen für das Jahr 2012 (6 Cga 119/13g) und eine Klage auf Zahlung von Gehaltsbonus für das Jahr 2013 (18 Cga 14/14f). In allen Verfahren hatte sich der Kläger auf den Wahlgerichtsstand nach § 4 Abs 1 ASGG berufen (OGH 8 Nc 41/14t).
Die vom Kläger in den Verfahren 6 Cga 82/13s (OGH 9 Nc 16/14y) und 18 Cga 14/14f (OGH 8 Nc 41/14t), je des Arbeits- und Sozialgerichts Wien erhobenen Anträge auf Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht wurden abgewiesen.
Im vorliegenden Verfahren wurde für den eine vorbereitende Tagsatzung anberaumt, eine Bestreitung der Klage hat die Beklagte bislang nicht vorgenommen.
Am gab der Kläger, der zunächst von einem in Wien ansässigen Rechtsanwalt vertreten wurde, bekannt, dass er nunmehr von einem Rechtsanwalt aus Telfs vertreten werde und stellte gleichzeitig den Antrag auf Delegierung des Verfahrens an das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht. Sein Hauptwohnsitz befinde sich in Tirol, seinen Nebenwohnsitz in Wien habe er am aufgegeben. Die Beklagte habe ebenfalls ihren Sitz in Tirol. Auch die überwiegende Anzahl der noch im Verfahren von ihm anzubietenden Zeugen hätten ihren Wohnort bzw gewöhnlichen Aufenthalt in Tirol. Eine Delegierung diene der Verbilligung des Verfahrens und einer Erleichterung des Gerichtszugangs. Auch sei er seit im Krankenstand und solle nach ärztlichem Anraten längere Wegstrecken vermeiden. Am müsse er sich einem operativen Eingriff unter Narkose unterziehen.
Die Beklagte sprach sich gegen die Delegierung aus. Der Delegierungsantrag sei nicht aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen, sondern, wie ein Interview des Klägers in einer ORF-Sendung zeige, aus prozesstaktischen Gründen erfolgt. Der Kläger habe zum Beweis seines Vorbringens bislang nur vier Zeugen angeboten, von denen zwei ihren Wohnsitz in der Nähe von Wien hätten. Gegen die Delegation spreche auch die Möglichkeit einer Verbindung des Verfahrens mit den drei anderen vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien anhängigen Verfahren. Die behauptete Reiseunfähigkeit des Klägers sei nicht bewiesen.
Das Erstgericht hält angesichts der Mehrzahl der vom Kläger beantragten Zeugen mit Wohnsitz in Tirol eine Delegierung für sinnvoll.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (stRsp; RIS Justiz RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung, eine Kostenverringerung oder eine Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (RIS Justiz RS0046333). Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung, dass die Delegierung gegen den Willen der anderen Partei nur dann auszusprechen ist, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RIS-Justiz RS0046589; RS0046324 ua).
Im Zeitpunkt der Klagseinbringung war dem Kläger die Kündigung seines Dienstverhältnisses und damit der Wegfall des Anlasses für seine Nebenwohnsitzbegründung in Wien ebenso bereits bekannt wie der Wohnort jener Personen, die für ihn im Rechtsstreit als Zeugen in Betracht kommen würden. Er verfügte über alle nun ins Treffen geführten Informationen, die zugunsten einer Klage am allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten in Innsbruck gesprochen hätten, hat sich aber dennoch für das Erstgericht entschieden. Mit einer Änderung der Verhältnisse lässt sich das Begehren, nun doch ein anderes als das selbst gewählte Gericht zur Verfahrensführung zu bestimmen, nicht begründen (8 Nc 41/14t).
Der Kläger hat bisher erst vier Zeugen tatsächlich zu konkreten Beweisthemen namhaft gemacht, von denen zwar zwei in Tirol, zwei aber in Niederösterreich, nahe Wien wohnen. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die einer Vernehmung weiter entfernt wohnender Zeugen im Wege einer Videokonferenz entgegenstünden. Die Beweisaufnahme im Wege der Videokonferenz gilt nach § 277 ZPO als eine Form der unmittelbaren Beweisaufnahme (vgl Rechberger in Rechberger , ZPO 4 § 277 Rz 2). Schließlich geht aus der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bestätigung nicht hervor, dass er eine Fahrt von Tirol nach Wien aus medizinischen Gründen zu vermeiden hätte.
Für die Annahme bloß prozesstaktischer Gründe des Delegierungsantrags liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Grundsätzlich ist auch kein Vorteil des Klägers in einer von der Beklagten vermuteten Prozessverschleppung zu sehen.
Angesichts dessen, dass eine Delegierung lediglich den Ausnahmefall bilden soll, liegen hier aber keine Umstände dafür vor, dass mit einer Delegierung eindeutig eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung oder Kostenreduzierung oder eine hinlängliche Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit einherginge. Der Antrag des Klägers ist daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO iVm § 58 ASGG. Der erfolglose Delegierungswerber hat dem Prozessgegner dessen notwendige Kosten seiner ablehnenden Äußerung zum Delegierungsantrag unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits zu ersetzen (RIS-Justiz RS0036025).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0090NC00017.14W.0724.000