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OGH vom 01.09.2017, 9Nc16/17b

OGH vom 01.09.2017, 9Nc16/17b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin Hon.Prof. Dr. Dehn und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen J*****, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 JN, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Melk vom verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache betreffend die Minderjährige J*****, an das Bezirksgericht Linz wird genehmigt.

Text

Begründung:

Die alleinige Obsorge für die Minderjährige kam bislang der Mutter zu, mit der sie auch im gemeinsamen Haushalt lebte, zunächst im Sprengel des Bezirksgerichts Melk, in der Folge ab September 2016 im Sprengel des Bezirksgerichts Linz. Im Juni 2017 verließ die Minderjährige nach einem Streit mit der Mutter den gemeinsamen Haushalt und zog zu den väterlichen Großeltern nach *****.

Mit Beschluss vom übertrug das Bezirksgericht Melk die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Linz. Dieses verweigerte die Übernahme unter Hinweis darauf, dass die Minderjährige sich bei ihren Großeltern im Sprengel des Bezirksgerichts St.Pölten aufhalte.

Das Bezirksgericht Melk übertrug daraufhin die Zuständigkeit an das Bezirksgericht St. Pölten, widerrief diese Übertragung jedoch in der Folge wieder.

Mit Schreiben vom beantragte der Kinder und Jugendhilfeträger Linz die Übertragung der Pflege und Erziehung für die Minderjährige. Bis zur Klärung der Situation sei eine Gefahr-in-Verzug-Maßnahme ausgesprochen worden und die Minderjährige den väterlichen Großeltern übergeben worden.

Das Bezirksgericht Melk legte im Hinblick auf die Verweigerung der Übernahme durch das Bezirksgericht Linz die Pflegschaftssache zur Entscheidung über die Zuständigkeit vor.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch der dem Pflegebefohlenen zugedachte Schutz voraussichtlich besser verwirklicht werden kann. Diese Voraussetzung liegt in der Regel vor, wenn die Pflegschaftssache jenem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt. Maßgebend ist immer das Kindeswohl. Dabei wird der pflegschaftsgerichtliche Schutz in der Regel am Besten durch das Gericht gewährleistet, in dessen Sprengel sich das Kind aufhält.

Im vorliegenden Fall war der Lebensmittelpunkt der Minderjährigen in Linz bei ihrer Mutter, der auch die alleinige Obsorge zukam. Dass sich die Minderjährige nunmehr im Rahmen einer Sofortmaßnahme bis zur Klärung der Situation, insbesondere der Frage, ob sie zur Mutter zurückkehrt, bei den väterlichen Großeltern aufhältig ist, ändert nichts daran, dass für die Beurteilung der weiteren Vorgangsweise insbesondere der Gegebenheiten bei der Mutter in Linz, wo die Minderjährige auch eine Lehrstelle annehmen möchte, wesentliche Bedeutung zukommt. Dazu kommt, dass der Kinder und Jugendhilfeträger Linz mit der Sache vertraut ist und die Übertragung der Pflege und Erziehung der Minderjährigen beantragt hat. Die Führung des Verfahrens durch das Bezirksgericht Linz erscheint daher derzeit dem Kindeswohl am ehesten zu entsprechen.

Die Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Linz ist daher zu genehmigen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0090NC00016.17B.0901.000

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