OGH vom 21.06.2017, 9Nc11/17t

OGH vom 21.06.2017, 9Nc11/17t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn und Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ernst Kohlbacher, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei J*****, vertreten durch Felfernig & Graschitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.130,60 EUR sA, über den Delegierungsantrag der beklagten Partei den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag der beklagten Partei, anstelle des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht das Arbeits- und Sozialgericht Wien zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht AZ 32 Cga 53/17k zu bestimmen, wird abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrer am beim Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachten Klage begehrt die bei Salzburg ansässige Klägerin vom in Wien wohnhaften Beklagten die Rückforderung von Provisionen wegen Stornos aus dem Geschäftsvermittlungsvertrag.

Der Beklagte bestreitet den Klagsanspruch und beantragt die Delegierung der Rechtssache an das Arbeits- und Sozialgericht Wien. Dazu bringt der Beklagte vor, sämtliche Vertragsstornokunden seien ausschließlich in Wien bzw im Umfeld von Wien aufhältig; deren Einvernahme sei für das Verfahren unverzichtbar. Er selbst sei – abgesehen von diversen Quartals- bzw Motivationsseminaren – ausschließlich in Wien und Wien-Umgebung tätig und noch nie am Sitz der Klägerin gewesen. Die Klagsführung in Salzburg sei weder zweckmäßig noch erleichtere sie den Gerichtszugang bzw die Amtstätigkeit. Die Führung vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien erleichtere und verbillige den Rechtsstreit.

In ihrer Äußerung zum Delegierungsantrag des Beklagten verweist die Klägerin darauf, dass die Einvernahme der Kunden zu den Storni nicht erforderlich sei; selbst wenn aber eine solche notwendig werde, so könne dies eine Delegierung nicht rechtfertigen. Die Geschäftsführerin der Klägerin sei jedenfalls zu vernehmen und auch die Kanzlei des Klagevertreters sei in Salzburg. Das Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht sei bereits seit Jahren mit den Rechtsangelegenheiten und regelmäßig gleichlautenden Vertragsgrundlagen und Provisions-abrechnungen der Klägerin vertraut, weshalb auch nicht angenommen werden könne, dass ein Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien zu einer rascheren Entscheidung führe.

Das den Delegierungsantrag vorlegende Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht sprach sich mangels Zweckmäßigkeit gegen den Delegierungsantrag des Beklagten aus.

Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS-Justiz RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung, eine Kostenverringerung oder eine Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (RIS-Justiz RS0046333). Die Delegierung gegen den Willen der anderen Partei ist daher nur dann auszusprechen, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RIS-Justiz RS0046589).

Im vorliegenden Fall haben die Klägerin ihren Sitz und der Klagevertreter seinen Kanzleisitz bei bzw in Salzburg. Der Beklagte wohnt in Wien, der Beklagtenvertreter hat seinen Kanzleisitz ebenfalls in Wien. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Einvernahme auswärtiger Zeugen im Wege der Videokonferenz sind bei einer Verfahrensführung in Salzburg keine höheren (zB Fahrt-)Kosten zu erwarten. Technische oder andere Gründe, die einer Vernehmung der auswärtigen Zeugen per Videokonferenz entgegenstehen würden, sind nicht ersichtlich (vgl auch 9 Nc 9/17y). Die Beweisaufnahme im Wege der Videokonferenz hat der Gesetzgeber sogar zur unmittelbaren Beweisaufnahme erklärt (§ 277 ZPO). Anhaltspunkte dafür, dass eine Verfahrensbeschleunigung durch die Delegierung erreicht werden könnte, liegen nicht vor; das Landesgericht Salzburg ist seit mehreren Jahren mit gleichgelagerten Fällen befasst (vgl 8 Nc 15/17y; 9 Nc 19/13p; 8 Nc 38/13z ua).

Auch im vorliegenden Fall liegen insgesamt keine ausreichenden Umstände zu Gunsten aller Parteien dafür vor, dass mit einer Delegierung eindeutig eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung, Kostenreduzierung oder eine hinlängliche Erleichterung des Gerichtszugangs einherginge.

Der unbegründete Delegierungsantrag des Beklagten ist daher abzuweisen.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0090NC00011.17T.0621.000

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.