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VfGH vom 11.06.1980, B20/78

VfGH vom 11.06.1980, B20/78

Sammlungsnummer

8827

Leitsatz

Studienförderungsgesetz; keine Bedenken gegen § 13 Abs 1 und § 31; keine Gleichheitsverletzung; kein Eingriff in die Berufswahlfreiheit

Spruch

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Der Beschwerdeführer richtete an die zuständige Studienbeihilfenbehörde ein Ansuchen um Gewährung einer Studienbeihilfe nach dem Studienförderungsgesetz, BGBl. 421/1969 (idF des Bundesgesetzes BGBl. 182/1974, im folgenden abgekürzt StudFG), für das Studienjahr 1974/75.

Obwohl der Antrag von ihm am zur Post gegeben wurde, hatte der Beschwerdeführer durch Manipulationen versucht, den Eindruck zu erwecken, als ob der der Tag der Postaufgabe gewesen sei.

Wegen dieser Verfälschung des Postaufgabedatums wurde der Beschwerdeführer mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 1. Feber 1977 wegen des Vergehens der Urkundenfälschung (zum Beweis eines Rechtes, nämlich der fristgerechten Antragstellung nach dem StudFG) nach § 223 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde für eine Probezeit in der Dauer von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Der Antrag des Beschwerdeführers ist bei der Studienbeihilfenbehörde erster Instanz am eingelangt.

b) Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom , Z 56.037/44-17/77, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom gem. § 13 Abs 1 StudFG als verspätet zurückgewiesen.

c) Gegen diesen Bescheid richtet sich die unter Berufung auf Art 144 B-VG erhobene und unter B343/77 protokollierte Beschwerde.

2. a) Der Beschwerdeführer hat am (für das Studienjahr 1975/76) und am (offenbar für das Sommersemester 1976 und das Wintersemester 1976/77 weitere Anträge auf Zuerkennung einer Studienbeihilfe gestellt. Da über diese Anträge von der zuständigen erstinstanzlichen Studienbeihilfenbehörde nicht innerhalb der Frist von drei Monaten nach § 13 Abs 5 StudFG entschieden und auf Verlangen des Beschwerdeführers die Zuständigkeit zur Entscheidung gem. § 73 Abs 2 AVG 1950 auf den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung übergegangen war, hat dieser mit dem Bescheid

aa) vom , Z 56037/50-17/77, den Antrag des Beschwerdeführers vom und

bb) vom , Z 56037/70-17/77, den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Zuerkennung einer Studienbeihilfe gemäß § 31 StudFG abgewiesen.

b) Gegen den Bescheid vom richtet sich die unter B375/77 und gegen den Bescheid vom die unter B20/78 protokollierte (und mit der Beschwerde B375/77 in den wesentlichen Teilen wörtlich übereinstimmende) Beschwerde.

3. In den Beschwerden wird die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht und beantragt, die angefochtenen Bescheide kostenpflichtig aufzuheben, in eventu die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Zur Beschwerde B343/77:

a) Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers unter Berufung auf § 13 Abs 1 StudFG als verspätet zurückgewiesen. Der VfGH hat zu prüfen, ob der Beschwerdeführer durch die mit dem angefochtenen Bescheid in Anwendung des § 13 Abs 1 StudFG vorgenommene Zurückweisung seines Antrages in Rechten nach Art 144 Abs 1 B-VG verletzt wurde. Der Beschwerdeführer behauptet, im Gleichheitsrecht und wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, und zwar des § 13 Abs 1 StudFG, in seinen Rechten verletzt worden zu sein. § 13 Abs 1 StudFG stehe mit dem Gleichheitsgebot im Widerspruch, weil diese Bestimmung nicht "den Fall" berücksichtige, "daß durch ein durch den betroffenen Förderungswerber nicht abwendbares Ereignis eine wesentliche Veränderung seiner wirtschaftlichen Lage und ein Eintreten der Sozialbedürftigkeit in einem nach Ablauf der ersten drei Semestermonate gelegenen Zeitraum des Semesters, also etwa dem vierten (das wäre im Juni des Sommersemesters oder im Jänner des Wintersemesters) oder fünften Monat (im Juli des Sommersemesters)" eintrete. Nach dem Studienbeihilfengesetz 1963 hätten Anträge auf Grund plötzlich eingetretener sozialer Bedürftigkeit infolge eines schweren, von außen kommenden, nach Ablauf der Antragsfrist eingetretenen Ereignisse jederzeit gestellt werden können. Dies sei nach § 13 Abs 1 StudFG nicht mehr möglich. Damit sei eine gleiche Behandlung der Studierenden, deren Antrag zufolge der angeführten Umstände erst nach Ablauf der ersten drei Monate eines Semesters eingebracht werden könne, und der Studierenden, bei denen innerhalb der ersten drei Monate eines Semesters die Voraussetzungen zur Antragstellung gegeben seien, ausgeschlossen. Dies verstoße gegen das Gleichheitsgebot.

b) Nach § 13 Abs 1 StudFG sind Anträge auf Gewährung von Studienbeihilfen in den ersten drei Monaten eines Semesters zu stellen. Verspätet eingebrachte Ansuchen sind zurückzuweisen.

Die vom Beschwerdeführer erwähnte Änderung des § 13 StudFG, wonach Anträge auf Gewährung von Studienbeihilfe innerhalb der ersten drei Monate eines Semesters zu stellen sind, wurde mit der Nov. zum StudFG, BGBl. 330/1971, vorgenommen. Mit den in dieser Nov. vorgesehenen Neuregelungen sollte neben einer besseren Berücksichtigung der finanziellen Belastungen, die die materielle Leistungsfähigkeit der Eltern des Studierenden beeinträchtigen, vor allem eine raschere Erledigung der Anträge durch ihre zentrale Bearbeitung (Berechnung) mit einer EDV-Anlage an der Universität Wien erreicht werden (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Studienförderungsgesetz geändert wird, 426 BlgNR, XIII. GP) Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber eine Differenzierung vorgenommen, wonach die Gewährung einer Studienbeihilfe nur in Betracht kommen kann, wenn der Antrag in den ersten drei Monaten - das entspricht etwa der Hälfte eines Semesters - gestellt wird, hingegen immer dann (gleichgültig ob die Voraussetzungen nach § 2 Abs 1 StudFG gegeben sind oder nicht) ausgeschlossen ist, wenn eine Antragstellung erst nach Ablauf der ersten drei Monate eines Semesters vorgenommen wird. Dabei hat es der Gesetzgeber in Kauf genommen, daß Studenten, die erst in der zweiten Hälfte eines Semesters die Voraussetzungen für die Gewährung einer Studienbeihilfe erfüllen, erst ab dem darauffolgenden Semester diese Leistung erhalten können; umgekehrt ermöglicht diese Regelung denjenigen Studenten, die im Verlauf der ersten Hälfte eines Semesters bedürftig geworden sind, den Bezug von Studienbeihilfe für dieses ganze Semester.

Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, daß die für die Begründung eines Anspruches auf Studienbeihilfe maßgebenden Verhältnisse nicht einem ständigen Wechsel unterworfen sind und daher eine solche Änderung der Verhältnisse im Laufe eines Semesters nur bei einer Minderheit von Studenten eintreten wird; von dieser Minderheit wird wiederum nur etwa die Hälfte vom Bezug der Studienbeihilfe in jenem Semester, in dem die Voraussetzungen dafür erstmals vorgelegen sind, ausgeschlossen. Der VfGH hat wiederholt ausgesprochen, daß ein Gesetz nicht schon dann gleichheitswidrig sei, wenn seine Anwendung nicht in allen Fällen zu einem befriedigenden Ergebnis führt. Dem Gesetzgeber muß es gestattet sein, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen (VfSlg. 7873/1976). Nach Auffassung des VfGH ist die im Hinblick auf die Erreichung der angeführten Ziele vorgenommene Differenzierung nicht unsachlich.

Unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung weder im Hinblick auf den Gleichheitssatz noch im Hinblick auf sonstige verfassungsrechtliche Erfordernisse Bedenken.

Daraus ergibt sich, daß die auf die behauptete Verfassungswidrigkeit des § 13 Abs 1 StudFG gegründeten Ausführungen des Beschwerdeführers nicht zutreffen.

c) Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden und im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß dem VwGH - obgleich dieser die bei ihm vom Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde bereits abgewiesen hat ( Z 2117/77) - zur Entscheidung darüber abzutreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

2. Zu den Beschwerden B375/77 und B20/78:

a) Mit den angefochtenen Bescheiden wurden Anträge des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Studienbeihilfe in Anwendung des § 31 StudFG abgewiesen.

Der Beschwerdeführer macht geltend, durch die angefochtenen Bescheide in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, "wonach niemandem das Recht auf Bildung verwehrt werden darf" (Art2 des 1. Zusatzprotokolls zur MRK) und es "jedermann freisteht, seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden wie und wo er will" (Art18 StGG) verletzt worden zu sein. Diese Verletzung sei durch die Anwendung der seiner Auffassung nach verfassungswidrigen Bestimmung des § 31 StudFG bewirkt worden.

b) Nach § 31 StudFG macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig und wird mit einer Geldstrafe bis zu 30000 S oder mit Arrest bis zu sechs Wochen bestraft, wer wissentlich unwahre oder unvollständige Angaben macht oder auf andere Art eine Studienbeihilfe oder ein Begabtenstipendium entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu erlangen sucht oder hiebei Hilfe leistet, falls die Tat nicht nach anderen Bestimmungen mit strengeren Strafen bedroht ist. In diesem Fall verliert der Studierende, unbeschadet einer disziplinären Verfolgung der Tat, den Anspruch auf Studienbeihilfe und Begabtenstipendium für immer.

Hiezu bringt der Beschwerdeführer vor, daß zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 31 StudFG die Bestimmungen des § 27 StGB (Amtsverlust und andere Rechtsfolgen der Verurteilung) und der §§1 und 3 des Tilgungsgesetzes heranzuziehen seien. Nach Anführung des Inhaltes dieser Vorschriften und nach dem besonderen Hinweis auf die danach bestehende begrenzte Dauer von Rechtsfolgen, wogegen nach § 31 StudFG der Anspruch auf Studienbeihilfe "für immer", somit auf unbegrenzte Dauer, vorgesehen sei, wird folgendes ausgeführt:

"Bereits verfassungsmäßig bedenklich erscheint, wie weit der Eintritt einer derart gewichtigen und folgenschweren Rechtsfolge nach dem § 31 StudFG schon bei bloßem Vorliegen jeder, auch noch so geringfügigen Verwaltungsübertretung und geringen Strafe wegen einer Verletzung der Bestimmungen des StudFG nach den Verfassungsgesetzen zulässig ist. Jedoch unzweifelhaft nicht verfassungskonform ist, daß nach der Anordnung im § 27 (2) StGB die Dauer von Rechtsfolgen in Nebengesetzen, soweit sie nicht im Verlust besonderer auf Wahl, Verleihung oder Ernennung beruhender Rechte bestehen grundsätzlich fünf Jahre beträgt, weiters mit einer Tilgung jede nachteilige Folge einer Verurteilung zu einer einmaligen und höchstens einjährigen Freiheitsstrafe nach den §§1 (2) und 3 (1) Tilgungsgesetz, soweit sie nicht in dem Verlust besonderer auf Wahl, Verleihung oder Ernennung beruhender Rechte besteht, erlischt und in Widerspruch dazu die Dauer der Rechtsfolge eines Anspruchverlustes auf Studienbeihilfe oder Begabtenstipendium nach § 31 StudFG als eines nicht im Verlust eines besonderen auf Wahl, Ernennung oder Verleihung beruhend bestehenden Rechtes, als für immer normiert ist.

Da alle genannten Bestimmungen die gleiche Materie, die Dauer einer Rechtsfolge, soweit sie als solche nicht im Verlust besonderer auf Wahl, Verleihung oder Ernennung beruhender Rechte besteht - unterschiedlich - regeln, sind sie nicht auf eine gemeinsame Wurzel, einen gemeinsamen Punkt in der Verfassung rückführbar. Es ergibt sich daher, daß die Bestimmung des § 31 StudFG, will man nicht andererseits die Bestimmungen des StGB und Tilgungsgesetz als verfassungswidrig in Zweifel ziehen, als nicht verfassungsmäßig anzusehen ist."

Zu diesem Vorbringen ist zu bemerken, daß die Bestimmungen des StGB und des Tilgungsgesetzes über die Rechtsfolgen mit dem in § 31 StudFG normierten Anspruchsverlust auf Studienbeihilfe (Begabtenstipendium) nicht vergleichbar sind. Bei den in § 31 StudFG genannten Leistungen handelt es sich nämlich um an bestimmte Voraussetzungen geknüpfte Begünstigungen; wenn nun jemand als Folge einer Bestrafung wegen Begehung einer Verwaltungsübertretung oder einer nach strengeren Bestimmungen bedrohten Tat iS des § 31 StudFG des Anspruches auf Studienbeihilfe (Begabtenstipendium) verlustig gegangen ist, so erfüllt er eine der Voraussetzungen nicht.

Gegen diese Regelung bestehen aus dem Blickwinkel des vorliegenden Falles keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

c) Der Inhalt des letzten Satzes dieser Regelung beschränkt sich auf die Normierung des Verlustes des Anspruches auf Studienbeihilfe. Durch die Schaffung des Anspruches auf diese Geldleistungen werden vom Gesetzgeber Maßnahmen zur Erleichterung der wirtschaftlichen Belastung für die Personen getroffen, die den Aufwand für ein Studium zu tragen haben; es sind damit keineswegs Voraussetzungen für die Zulassung zu einem Studium oder für eine Ausbildung zu einem bestimmten Beruf festgelegt worden. Durch diese Regelung wird in keiner Weise in das Recht auf freie Berufswahl und freie Berufsausbildung eingegriffen, weshalb ein solcher Eingriff auch nicht durch einen auf diese Rechtsgrundlage gestützten Bescheid erfolgen kann. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht daher ins Leere.

d) Daß der Beschwerdeführer durch die angefochtenen Bescheide aus anderen Gründen als der Verfassungswidrigkeit des § 31 StudFG in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sei, ist von ihm nicht behauptet worden. Im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist die Verletzung solcher Rechte nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer ist weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch - bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides - wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Wenn der Beschwerdeführer im besonderen geltend macht, er sei zwar wegen Urkundenfälschung verurteilt worden, dadurch sei aber niemals festgestellt worden, daß er versucht habe, unrechtmäßig Studienbeihilfe zu erlangen, wird damit der Vorwurf eines willkürlichen Vorgehens der belangten Behörde nicht begründet. Ob aber das Gesetz bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide richtig angewendet wurde, hat der VfGH nicht zu prüfen.

Die Beschwerden waren daher abzuweisen.