VfGH vom 30.09.1997, b2/96
Sammlungsnummer
14919
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Wiederaufnahme von Veranlagungsverfahren nach Durchführung eines Erstattungsverfahrens wegen zuviel einbehaltener Lohnsteuer für Kollegiengelder und Prüfungsgebühren; keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch Nichtanwendung der Bestimmung des EStG über die Haftung des Arbeitgebers für Abfuhr und Einbehaltung der Lohnsteuer auf den auch zur Einkommensteuer veranlagten Beschwerdeführer; keine - vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifende - Verletzung der Bindung der Behörde an ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Im strittigen Zeitraum (1984 bis 1986) bezog der Beschwerdeführer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Einkünfte aus selbständiger Berufstätigkeit. Die Einkünfte des Beschwerdeführers aus nichtselbständiger Arbeit setzten sich aus den laufenden Bezügen einerseits und - für Lehr- und Prüfungstätigkeit - aus Kollegiengeldern und Prüfungsgebühren andererseits zusammen. Für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurde im genannten Zeitraum vom Arbeitgeber des Beschwerdeführers Lohnsteuer abgeführt. Die Kollegiengelder und Prüfungsgebühren wurden als Gehaltsnachzahlungen gemäß § 67 Abs 8 EStG 1972 versteuert. Der Beschwerdeführer wurde für diesen Zeitraum (unter anderem) mit den vom Arbeitgeber im Lohnzettel (§84 EStG 1972) angegebenen lohnsteuerpflichtigen Einkünften zur Einkommensteuer veranlagt (§41 EStG 1972); die Einkommensteuerbescheide wurden formell rechtskräftig.
Dem Antrag des Beschwerdeführers, "die Kollegiengelder und Prüfungsgebühren als sonstige Einnahmen iSd § 67 EStG anzusehen, die einbehaltene Lohnsteuer dieser Änderung anzupassen und diese Beträge zur Auszahlung zu bringen", wurde vom Finanzamt für Körperschaften (Betriebsstättenfinanzamt iSd § 57 BAO iVm § 81 EStG 1972) keine Folge gegeben; die gegen diese Entscheidung erhobene Berufung blieb erfolglos. Aufgrund der gegen den Berufungsbescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland eingebrachten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom , Z 90/13/0152, aus, die Kollegiengelder des Beschwerdeführers seien sonstige Bezüge im Sinne des § 67 Abs 1 EStG 1972, welche mit den festen Steuersätzen des § 67 Abs 1 EStG 1972 zu versteuern seien, soweit sie in ihrer Summe das Sechstel der laufenden Bezüge nicht überstiegen. Ob sonstige Bezüge im Jahressechstel Deckung fänden, richte sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zufließens. Die Beurteilung der strittigen Vergütungen als sonstige Bezüge möge zur Folge haben, daß später ausbezahlte sonstige Bezüge nun nicht mehr (zur Gänze) innerhalb des Jahressechstels zugeflossen seien und der Arbeitgeber für diese Bezüge daher zu wenig Lohnsteuer einbehalten habe. Soweit aber ein Ausgleich (eine Rückzahlung) weder gemäß § 240 Abs 1 BAO durch den Arbeitgeber als Abfuhrpflichtigen noch - was bei sonstigen Bezügen allerdings von vornherein ausscheide - im Wege des Jahresausgleiches oder im Wege der Veranlagung zu erfolgen habe oder bereits erfolgt sei, seien zu Unrecht einbehaltene Lohnsteuerbeträge zu erstatten. Die belangte Behörde habe im fortgesetzten Verfahren die entsprechenden Sechstelberechnungen im Sinn des § 67 Abs 2 EStG 1972 für jeden Auszahlungszeitpunkt der strittigen Vergütungen durchzuführen.
1.1. Unter Berufung auf das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes erließ das Finanzamt für Körperschaften eine Berufungsvorentscheidung, die für den strittigen Zeitraum ein Guthaben an einbehaltener Lohnsteuer in näher bezeichneter Höhe ergab.
1.2. Die für jeden Auszahlungszeitpunkt der Kollegiengelder durchgeführten Sechstelberechnungen ergaben, daß der Arbeitgeber für jene sonstigen Bezüge, die (nun) nicht mehr im Jahressechstel Deckung fanden, keine Lohnsteuer abgeführt hatte. Das Finanzamt für Körperschaften fertigte aus diesem Grund berichtigte Lohnzettel (unter anderem) für den strittigen Zeitraum an und übermittelte sie an das Wohnsitzfinanzamt (vgl. § 55 Abs 2 BAO) mit dem Ersuchen, aufgrund der berichtigten Lohnzettel die Einkommensteuerveranlagungsverfahren wiederaufzunehmen.
1.3. Mit Bescheiden des Wohnsitzfinanzamtes vom wurden die Verfahren zur Einkommensteuer für 1984 bis 1986 wiederaufgenommen und die Einkommensteuer für diese Jahre neu festgesetzt. Begründend heißt es dazu wie folgt:
"Betreffend Str.Nr. ... wurde im Zuge eines Erstattungsverfahrens gem. § 240 (3) BAO vom Verwaltungsgerichtshof festgestellt, daß die Kollegiengelder als sonstige Bezüge jeweils im Zuflußmonat zu versteuern sind. Das Finanzamt für Körperschaften hat die zuviel einbehaltene Lohnsteuer, die auf die sonstigen Bezüge entfiel, für die Jahre 1982-1986 rückerstattet. Aufgrund der Neuberechnung ergab sich eine höhere Überschreitung des Jahressechstels, wodurch eine Berichtigung der Lohnzettel für 1982-1986 notwendig wurde. Aufgrund der berichtigten Lohnzettel war eine Wiederaufnahme des Verfahrens von amtswegen durchzuführen."
1.4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit der Begründung, daß kein Wiederaufnahmsgrund vorliege und daß er aufgrund der vom Finanzamt für Körperschaften neu ausgestellten Lohnzettel zur Abfuhr des Differenzbetrages an Lohnsteuer, der sich aus der Überschreitung des Jahressechstels ergebe, nicht herangezogen werden könne.
1.5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung von der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde nimmt - unter Berufung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Z 2328/64 - den Standpunkt ein, daß die Berücksichtigung der Ergebnisse des Lohnsteuerverfahrens unter den übrigen Voraussetzungen der §§303 und 304 BAO im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens, namentlich nach § 303 Abs 1 litc iVm Abs 4 BAO, möglich sei, wenn das Veranlagungsverfahren im Zeitpunkt der Beendigung des Lohnsteuerverfahrens bereits abgeschlossen sei. Aufgrund der Lohnsteuererstattung gemäß § 240 Abs 3 BAO sei die Sechstelbegünstigung gemäß § 67 Abs 2 EStG 1972 für später ausbezahlte sonstige Bezüge beeinflußt worden. Die Sechstelüberschreitung sei nach dem Tarif (vgl. § 33 EStG 1972) zu versteuern und gemäß § 41 Abs 4 EStG 1972 in die Veranlagung einzubeziehen. Der Spruch des Bescheides des Finanzamtes der Betriebsstätte über die Lohnsteuererstattung stelle eine Vorfrage im Sinne des § 303 Abs 1 litc BAO dar und führe hinsichtlich der Einkommensteuerbescheide zu einem im Spruch anders lautenden Ergebnis. Die Klärung der Höhe der abzuführenden Lohnsteuer falle in den Wirkungsbereich des Finanzamtes der Betriebsstätte, es habe darüber nachträglich anders entschieden als das Wohnsitzfinanzamt bei seiner eigenständigen Beurteilung.
In der Frage, ob der Beschwerdeführer als Arbeitnehmer zur Haftung herangezogen werden könne, geht die belangte Behörde davon aus, daß die Einschränkungen des § 82 EStG 1972 im Veranlagungsverfahren nicht gelten. Das Lohnsteuerhaftungsverfahren sei vom Veranlagungsverfahren völlig unabhängig. Bei der Veranlagung bestehe für die Behörde keine Bindung an die Feststellungen im Lohnsteuerverfahren. Ein fehlerhafter Lohnsteuerabzug könne im Rahmen der Veranlagung wieder korrigiert werden. Die belangte Behörde führt weiter aus:
"Die Bedeutung des § 41 Abs 4 EStG 1972 liegt zwar
vornehmlich darin, daß die dort genannten Einkünfte bei der Prüfung der Frage außer Betracht zu bleiben haben, ob die Voraussetzungen für eine Veranlagung nach § 41 leg.cit. überhaupt gegeben sind. Die in diesem Zusammenhang fehlende Anführung der dem Lohnsteuerabzug unterworfenen, ihm aber nicht unterzogenen Einkünfte zeigt aber nicht nur, daß solche Einkünfte von diesem Ausschluß nicht betroffen sind, sondern auch, daß sie dann bei der Veranlagung zur Einkommensteuer nicht schon deshalb unberücksichtigt bleiben dürfen, weil der Arbeitnehmer im Lohnsteuerverfahren wegen der auf sie entfallenden Lohnsteuer nach § 82 Abs 2 leg.cit. nicht in Anspruch genommen werden kann. Die vom Regelfall abweichende, durch § 82 Abs 2 leg.cit. vogesehene Beschränkung der Inanspruchnahme des Arbeitnehmers als Steuerschuldner der nicht einbehaltenen und nicht abgeführten Lohnsteuer soll sich nur im Lohnsteuerverfahren auswirken, nicht aber auch im Verfahren zur Veranlagung der Einkommensteuer.
Diese Rechtsauffassung findet eine Stütze auch im § 46 Abs 1 Z. 2 EStG 1972, wonach eine im Haftungsweg (§82 Abs 1 EStG 1972) beim Arbeitgeber nachgeforderte Lohnsteuer nur insoweit anzurechnen ist, als sie dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer ersetzt wurde. Daraus folgt, daß bei der Veranlagung Lohnbezüge auch dann zu erfassen sind, wenn von ihnen zu Unrecht keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt und der Arbeitgeber zur Haftung herangezogen wurde. Wäre eine Erfassung von Löhnen, hinsichtlich derer der Arbeitgeber zur Haftung gemäß § 82 Abs 1 EStG herangezogen werden kann, nur im Wege dieser Haftung, nicht jedoch auch im Rahmen der Veranlagung des betreffenden Lohnsteuerpflichtigen möglich, so wäre diese Lohnsteueranrechnungsvorschrift widersinnig ( Zl. 86/13/0178)."
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der sich der Beschwerdeführer in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt erachtet. Weiters behauptet er die Verletzung des "aus Art 129ff B-VG (§63 Abs 1 VwGG) herrührenden Rechtes, daß die belangte Behörde nur in Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entscheide". Der Beschwerdeführer begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
2.1. Der Beschwerdeführer behauptet im wesentlichen, daß die von der belangten Behörde gewählte Auslegung des § 82 Abs 2 EStG 1972, wonach diese Bestimmung nicht für das Veranlagungsverfahren gelte, grob gleichheitswidrig sei. Die Arbeitnehmer (Bezieher von lohnsteuerpflichtigen Einkünften) würden in zwei Klassen, nämlich in die Klasse der Arbeitnehmer, die noch andere Einkünfte hätten, und in die Klasse der sonstigen Arbeitnehmer geteilt: § 82 EStG 1972 schließe für die "Klasse" der sonstigen Arbeitnehmer - abgesehen von den im Abs 2 angeführten Ausnahmen - eine Inanspruchnahme zur Abfuhr der Lohnsteuer auf jeden Fall aus; die zur Einkommensteuer zu veranlagenden Arbeitnehmer könnten aber in Anspruch genommen werden. Die Errechnung und Durchführung des Lohnsteuerabzuges und die Abfuhr der Lohnsteuer sei aber für alle Arbeitnehmer unabhängig davon, ob ein Arbeitnehmer neben Einkünften aus unselbständiger Arbeit aus einer selbständigen Tätigkeit oder einer sonstigen Einkunftsart Einkünfte beziehe, unüberschaubar und unkontrollierbar, weshalb alle Arbeitnehmer von der Haftung für Fehler, die bei der Durchführung der Lohnbesteuerung und der Abfuhr der Lohnsteuer widerfahren mögen, freigehalten werden müßten. Die Bestimmung des § 46 Abs 1 EStG 1972 sei jedenfalls dann nicht mehr anwendbar, wenn der Arbeitnehmer die Rückzahlung einer zuviel einbehaltenen Lohnsteuer im Wege des § 240 BAO durchgesetzt und das Finanzamt in der Folge festgestellt habe, daß in anderen Zeiträumen zu wenig Lohnsteuer vom Arbeitgeber einbehalten wurde. Selbst wenn man nicht dieser Auffassung sein sollte, sei jedenfalls die Ausdehnung der genannten Vorschrift auf die Fälle außerhalb des Jahresausgleichs ein weiterer Verstoß gegen den auch die Vollziehung bindenden Gleichheitssatz und ein gehäuftes Verkennen der Rechtslage.
Die Rechtslage werde auch dadurch gehäuft verkannt, daß im Rahmen des § 303 Abs 4 BAO die Unrichtigkeit der Auslegung des § 82 EStG 1972 zum Anlaß genommen werde, um eine Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren durchzuführen. Der belangten Behörde sei bei der Verfügung der Wiederaufnahme Ermessensmißbrauch vorzuwerfen, weil sie selbst gegenüber dem Arbeitgeber jahrelang diese Art der Durchführung der Besteuerung und der entsprechenden Abfuhr der Abgaben für richtig erklärt habe. Die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens verstoße gegen Art 130 Abs 2 B-VG bzw. § 20 BAO, weil sie der Billigkeit widerspreche, auch unzweckmäßig sei und bloß als Reaktion der Finanzverwaltung darauf verstanden werden könne, daß die korrekte Besteuerung der Kollegiengelder durchgesetzt worden sei.
Einen Verstoß gegen Art 129 ff B-VG und § 63 VwGG erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die belangte Behörde nach dem Erstattungsverfahren das Veranlagungsverfahren durchgeführt habe. Mit dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sei die Behörde daran gebunden worden, zeitlich zunächst ein Jahresausgleichsverfahren bzw. ein Veranlagungsverfahren durchzuführen, erst danach dürfe ein Erstattungsverfahren gemäß § 240 BAO stattfinden. Das Erstattungsverfahren sei ein abschließendes Verfahren, welches nicht neuerlich zu einer Änderung des Veranlagungsverfahrens führen dürfe. Die belangte Behörde habe sich über die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes angegebene streng logische Zeitabfolge hinweggesetzt, womit sie gegen § 63 VwGG verstoßen habe. Es sei zwar nicht im B-VG selbst ausdrücklich erwähnt, jedoch verfassungsgesetzlich geboten, daß alle Verwaltungsbehörden an das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes und seine Gründe gebunden seien. Das sei eine Folge des dem B-VG innewohnenden rechtsstaatlichen Prinzips. Auch unter dem Aspekt des Schutzes des Eigentums müsse es einen effektiven Rechtsschutz unter anderem durch Verwaltungsgerichte geben, was nicht der Fall sei, wenn es im Belieben der Behörde stehe, anders als der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend zu entscheiden.
3. Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
4. In seiner Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde regt der Beschwerdeführer an, § 41 EStG 1972 auf seine Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen, wenn aus dieser Norm folgen sollte, daß § 82 EStG 1972 im Verfahren zur Veranlagung von Arbeitnehmern nicht gegolten habe.
II.Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Zur Beurteilung des vorliegenden Beschwerdefalles sind die Bestimmungen des EStG 1972 maßgeblich. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in VfSlg. 11616/1988 und 11909/1988 dargelegt, daß gegen die aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung erlassene Bestimmung des § 41 EStG 1972 keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Der Gerichtshof hält - auch unter dem Blickwinkel des hier zur Prüfung stehenden Falles - an dieser Rechtsansicht fest (vgl. auch unter Pkt. II.1.2.1.). Auch gegen andere den angefochtenen Bescheid tragende Rechtsvorschriften hegt der Gerichtshof keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
1.2. Es ist somit zu untersuchen, ob der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides ein in die Verfassungssphäre reichender Vollzugsfehler anzulasten ist. Vor dem Hintergrund der Unbedenklichkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften kann eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10952/1986, 11682/1988) nur vorliegen, wenn die Behörde den angewandten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Im vorliegenden Fall - Verbindung der Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Erlassung des Steuerbescheides - greift der angefochtene Bescheid in das Eigentumsrecht ein (vgl. VfSlg. 11635/1988). Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985, 11650/1988) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte (siehe oben unter Punkt II.1.1.), oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewandt hätte, ein Fall, der dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei in den genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden, trifft aber nicht zu.
1.2.1. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, sie habe Bestimmungen im EStG 1972 grob gleichheitswidrig ausgelegt. Die von der belangten Behörde getroffene Auslegung begegnet aber keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Gemäß § 82 EStG 1972 ist der Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug Steuerschuldner, doch haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Der Arbeitnehmer wird nur in den im zweiten Absatz des § 82 EStG 1972 (erschöpfend) aufgezählten Fällen in Anspruch genommen. Lohnsteuer, die nicht einbehalten und abgeführt wurde, wird grundsätzlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht. Für den Arbeitgeber besteht jedoch die Möglichkeit, eine nachträglich mit Haftungsbescheid vorgeschriebene Lohnsteuer vom Arbeitnehmer zurückzufordern.
Die belangte Behörde geht im Beschwerdefall davon aus, daß § 82 EStG 1972 nicht anzuwenden ist, weil der Beschwerdeführer zur Einkommensteuer veranlagt wird. Der Gerichtshof kann nicht finden, daß der Beschwerdeführer dadurch gegenüber Arbeitnehmern, die ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen, in einer den Gleichheitssatz verletzenden Weise benachteiligt würde, bleibt doch nach den Bestimmungen des EStG 1972 trotz der im § 82 EStG 1972 geschaffenen Möglichkeit, den Arbeitgeber zur Haftung der Lohnsteuer heranzuziehen, der Arbeitnehmer Steuerpflichtiger, Steuerschuldner und Träger der Steuer (vgl. Quantschnigg-Schuch, Einkommensteuer-Handbuch EStG 1972, Tz 3 zu § 82). Wird der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt, so entspricht es schon der Verfahrensökonomie, einen fehlerhaften Lohnsteuerabzug nicht gegenüber dem Arbeitgeber (also über einen Umweg) geltend zu machen, sondern im Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers zu korrigieren. Die Rechtsmeinung der belangten Behörde, die sich an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert (vgl. /0178), ist nicht unsachlich und zumindest vertretbar, weshalb der Behörde Willkür nicht vorgeworfen werden kann. Eine verfassungskonforme Interpretation dahingehend, daß § 41 EStG 1972 das Verbot beinhalte, einen fehlerhaften Lohnsteuerabzug im Veranlagungsverfahren des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, ist nicht geboten. Der von der belangten Behörde den hier präjudiziellen Bestimmungen beigemessene Gesetzesinhalt ist aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes unbedenklich.
1.2.2. Auch die von der belangten Behörde verfügte Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Veranlagungsverfahren ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Das das Institut der amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigende Ziel ist es, insgesamt ein rechtmäßiges Ergebnis zu erreichen (vgl. Stoll, BAO-Handbuch, 1980, 712; vgl. auch VfSlg. 11635/1988, 12566/1990). Im vorliegenden Fall ist es unstrittig, daß zu wenig Abgaben abgeführt wurden. Das Vorgehen der belangten Behörde bewirkt, daß der Beschwerdeführer nunmehr die Abgabe, die der Arbeitgeber bei korrekter Besteuerung seiner Bezüge vom Arbeitslohn einzubehalten gehabt hätte, abzuführen hat. In einem solchen Fall führt die Verfügung der Wiederaufnahme nicht zu einem Treu und Glauben widersprechenden Ergebnis (vgl. dazu VfSlg. 12566/1990). Von einer denkunmöglich verfügten Wiederaufnahme oder von einem verfassungswidrigen Ermessensmißbrauch kann im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden.
1.2.3. Auch aus dem Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe sich über die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Z 90/13/0152, angegebene "streng logische Zeitabfolge" zwischen Veranlagungsverfahren und dem Verfahren nach § 240 BAO hinweggesetzt, worin ein Verstoß gegen Art 129 ff B-VG und § 63 VwGG sowie eine Verletzung im Eigentumsrecht liege, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts zu gewinnen. Es ist vertretbar, das Erstattungsverfahren nach § 240 BAO nicht als ein abschließendes Verfahren zu werten und - unter den Voraussetzungen des § 303 BAO - die Wiederaufnahme von Veranlagungsverfahren auch nach Durchführung eines Erstattungsverfahrens gemäß § 240 BAO zu verfügen. Die von der belangten Behörde vorgenommene Interpretation ist somit nicht denkunmöglich, weshalb die behauptete Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht zutrifft. Der Verfassungsgerichtshof vermag in der Entscheidung der belangten Behörde auch keine - vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifende - Verletzung der Bindung an die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausdruck gebrachte Rechtsanschauung zu erkennen. Soweit sich der Beschwerdeführer durch die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung in seinen Rechten gemäß § 63 VwGG verletzt erachtet, genügt schon der Hinweis darauf, daß der sich aus dieser Bestimmung ergebenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtung der Behörde, mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln den entsprechenden Rechtszustand herzustellen, zwar ein analoges subjektives Recht der betroffenen Partei entspricht (vgl. VfSlg. 5079/1965), daß aber die genannte Bestimmung nicht im Verfassungsrang steht.
1.3. Der Beschwerdeführer wurde sohin nicht durch einen Vollzugsfehler in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist auch nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
III.Dies konnte gemäß § 19 Abs 4
erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.