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OGH vom 13.07.2004, 14Os80/04

OGH vom 13.07.2004, 14Os80/04

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fuchs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Angela E***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Drei-Richter-Senates des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , GZ 7 Hv 19/02w-610, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit (auch Schuldsprüche weiterer Mitangeklagter enthaltendem) Urteil des (ehemaligen) Jugendgerichtshofes Wien vom , GZ 7 Hv 19/02w-516 wurde der Angeklagte Musa A***** unter anderem des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 2 und 3 SMG schuldig erkannt und hiefür nach § 28 Abs 4 SMG unter Anwendung des § 36 StGB zu einer achtjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Musa A***** hatte angegeben, am in Zaria (Nigeria) geboren zu sein und daher zur Zeit der im Jahr 2001 begangenen Straftat noch Jugendlicher (im Sinn des § 1 Z 2 JGG idF BGBl I 2001/19) gewesen zu sein. Das Jugendschöffengericht glaubte diese (durch Dokumente nicht belegte) Altersangabe indes nicht. Vielmehr stellte es aufgrund des von ihm gewonnenen persönlichen Eindrucks fest, dass er "im Tatzeitraum jedenfalls älter als 18, aber wohl (im Zweifel, vgl US 50) noch nicht über 21 (Jahre) war" (US 20). Demgemäß wendete es bei der Strafbemessung die für junge Erwachsene im Sinn des § 46a JGG geltende Bestimmung des § 36 StGB an und nicht die für jugendliche Straftäter zum Tragen kommende des § 5 Z 4 JGG (vgl US 13 f, 80, 89).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A***** wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom , AZ 14 Os 127/02, zurück (ON 571). Seiner Berufung gab das Oberlandesgericht Wien mit Entscheidung vom , AZ 21 Bs 112/03, nicht Folge (ON 590). Nur wenige Tage nach Urteilsrechtskraft stellte Musa A***** am beim Jugendgerichtshof Wien den (mit einem Antrag auf Hemmung des Strafvollzuges gemäß § 361 StPO verbundenen) Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens (§ 353 Z 2 StPO), wobei er unter Wiederholung seiner Behauptung, am geboren zu sein, als neue Beweismittel drei in englischer Sprache gehaltene Urkunden vorlegte. Ausdrückliches Antragsziel war - nach Aufhebung des zitierten Strafausspruchs - "die Verurteilung unter Anwendung des § 5 JGG" (ON 589).

Seine Anträge "ergänzte und erweiterte" Musa A***** mit Eingabe vom (unter Aufrechterhaltung seines Vorbringens vom ) dahin, die über ihn rechtskräftig verhängte Strafe unter Anwendung des § 5 JGG gemäß § 31a StGB nachträglich angemessen zu mildern. Zugleich erklärte er, die Antragstellung vom nur in eventu für den Fall, dass dem nunmehrigen (neuen) Antrag nicht stattgegeben werden sollte, aufrecht zu erhalten (ON 592). Mit Beschluss vom setzte der Drei-Richter-Senat des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (das gemäß Art III § 2 Abs 3 des Bundesgesetzes, mit dem das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden, BGBl I 2003/30, sämtliche anhängige Strafsachen in Ausübung der den Gerichtshöfen erster Instanz zustehenden Gerichtsbarkeit von dem mit aufgelassenen Jugendgerichtshof Wien zur Weiterführung übernommen hatte) die mit eingangs zitiertem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom über den Angeklagten Musa A***** verhängte Freiheitsstrafe von acht Jahren gemäß § 31a Abs 1 StGB unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG auf fünf Jahre herab. Mit seinen Anträgen (vom ) auf (ordentliche) Wiederaufnahme des Strafverfahrens und auf Hemmung des Strafvollzuges wurde Musa A***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Drei-Richter-Senat des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ging hiebei ohne weitere Überprüfung (aber im Einverständnis mit der Staatsanwaltschaft Wien, die sowohl den Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens, ON 589, als auch jenen auf nachträgliche Strafmilderung, ON 592, als gerechtfertigt erachtet hatte; vgl S 538/XXXV) von der Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Urkunden aus. Demgemäß nahm er an, dass Musa A***** am geboren wurde und daher bei Begehung der ihn angelasteten Straftat im Jahr 2001 noch nicht 18 Jahre alt war.

Dieser (beiden Verfahrensparteien zugestellte; S 565/XXXV) Beschluss blieb unbekämpft und ist daher in Rechtskraft erwachsen. Der Beschluss auf nachträgliche Strafmilderung gemäß § 31a StGB steht nach Auffassung des Generalprokurators mit dem Gesetz nicht im Einklang. In der deshalb gemäß § 33 Abs 2 StPO zur Wahrung des Gesetzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wird dazu ausgeführt:

Denn gemäß § 31a Abs 1 StGB hat das Gericht (das in erster Instanz erkannt hat, auf Antrag oder von Amts wegen; § 410 Abs 1 StPO) eine (rechtskräftig verhängte) Strafe angemessen zu mildern, wenn nachträglich Umstände eintreten oder bekannt werden, die zu einer milderen Bemessung der Strafe geführt hätten. Diese Strafmilderung darf allerdings nur im Rahmen des schon bisher angewendeten Strafsatzes erfolgen.

Letztere Einschränkung bei dieser Art einer nachträglichen Strafmilderung hatte das Gesetz in der Vorgängerbestimmung (§ 410a Abs 1 StPO aF) noch ausdrücklich festgeschrieben. Obgleich bei der (durch das StRÄG 1996, BGBl Nr 762) erfolgten Neuregelung der Bestimmungen über die nachträgliche Strafmilderung die bezügliche Wortfolge des § 410 Abs 1 StPO aF ("die zwar nicht die Anwendung eines anderen Strafsatzes ... herbeigeführt haben würden") in die neu geschaffene Bestimmung des § 31a Abs 1 StGB nicht übernommen wurde, unterscheiden sich die in § 31a Abs 1 StGB formulierten materiellen Voraussetzungen der nachträglichen Strafmilderung nicht von jenen, die in § 410a Abs 1 StPO aF vorgesehen waren (vgl RV 33 BlgNR XX. GP 33). Kommen daher nachträglich Umstände hervor, die eine Änderung des angewendeten Strafsatzes bedingen, können sie nicht Gegenstand einer nachträglichen Strafmilderung gemäß § 31a Abs 1 StGB, vielmehr nur der Wiederaufnahme im Sinn des § 353 Z 2 StPO sein (vgl Fabrizy StGB8 Rz 2 und 3; Ratz in WK2 Rz 3, je zu § 31a StGB).

Ein derartiger, die Änderung des anzuwendenden Strafsatzes bedingender Umstand ist ein jugendliches Alter des Angeklagten im Tatzeitpunkt, falls das erkennende Gericht bei der Urteilsfällung von einem erwachsenen Angeklagten (oder von einem jungen Erwachsenen im Sinn des § 46a JGG) ausgegangen ist. Denn in diesem Fall sind bei der Strafbemessung die Bestimmungen des § 5 (Z 2 bis 5) JGG zwingend anzuwenden, durch die für jugendliche Straftäter (in einem weiteren Umfang als gemäß § 36 StGB für junge Erwachsene im Sinn des § 46a JGG) eigene (gegenüber den im StGB und in den Nebengesetzen enthaltenen Freiheits- und Geldstrafdrohungen herabgesetzte) Strafsätze geschaffen werden.

Richtig ist daher die Überlegung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien im Beschluss vom , dass bei der Strafbemessung unter Zugrundelegung der Annahme, Musa A***** sei im Tatzeitpunkt noch Jugendlicher (und nicht junger Erwachsener) gewesen, von dem durch § 5 Z 4 JGG reduzierten Strafrahmen des § 28 Abs 4 SMG (bis zu 7 ½ Jahre Freiheitsstrafe), und nicht von dem vom Jugendgerichtshof Wien in Anwendung des § 36 StGB herangezogenen Strafrahmen von sechs Monaten bis 15 Jahre Freiheitsstrafe auszugehen gewesen wäre. Gesetzwidrig ist die Entscheidung jedoch insofern, als sie nicht im Rahmen eines (vom Verurteilten primär beantragten) Wiederaufnahmeverfahrens unter Ausschluss der an der früheren Hauptverhandlung beteiligten Richter (§ 68 Abs 3 StPO) ergangen ist. Dieses Gesetzesverletzung gereicht fallbezogen dem Verurteilten Musa A***** indes nicht zum Nachteil, weil die Strafe ohnehin im erheblichen Ausmaß herabgesetzt worden ist und bei den hier gegebenen Strafzumessungsgründen eine noch mildere Beurteilung bei allfälliger Neubemessung der Strafe ausgeschlossen werden kann.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Dem Beschwerdevorbringen zuwider versteht die StPO unter dem Begriff des anzuwendenden Strafsatzes nur die rechtsrichtige Subsumtion (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 25). Die "einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände" (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) meinen also nur die Deliktsbeschreibung, nicht aber weitere Strafbarkeitsvoraussetzungen (aaO Rz 12).

Auch § 316 StPO zielt mit dem Begriff "Strafsatz" auf die gesetzliche Strafdrohung der strafbaren Handlung ab, der die Tat des Angeklagten subsumiert wurde (aaO Rz 666). Demgemäß sind uneigentliche Zusatzfragen danach, ob der Angeklagte die Tat als Jugendlicher (vgl § 5 JGG) oder vor Vollendung des 21. Lebensjahres (§ 36 StGB) begangen hat, nicht zu stellen (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 20). Die einen Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) logisch voraussetzende Frage der Strafbefugnis ist der mit Rüge nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO zu bekämpfenden Subsumtion nachgeordnet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 667). Während also eine Beibringung neuer Tatsachen oder Beweismittel, die eine Subsumtion der Tat unter ein milderes Strafgesetz bedingen könnten, zum Gegenstand eines Wiederaufnahmsantrages nach § 353 Z 2 StPO zu machen ist, hat der Drei-Richter-Senat in dem hier zu beurteilenden Fall die mit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO bewehrte (aaO Rz 670), (behauptete) Nichtanwendung des § 5 Z 4 JGG mit Recht nach § 31a Abs 1 StGB beurteilt (Ratz WK2 § 31a Rz 10; Lässig, WK-StPO § 410 Rz 2 f; vgl 13 Os 3/03).