OGH vom 29.01.1992, 9ObS22/91
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Heinrich Dürr als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. M***** W*****, vertreten durch *****, Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei Arbeitsamt K*****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 95.563,12 S sA an Insolvenzausfallgeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 54/91-8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 34 Cgs 7/91-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bis bei der R***** B***** AG beschäftigt. Ende 1989 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der V***** C***** Gesellschaft mbH, Dr. E***** P*****, über die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dieser Gesellschaft und dem Kläger. Im Zuge dieser Gespräche wurde dem Kläger die Beschäftigung bei der V***** C***** GesmbH durch attraktive Entgeltangebote, vor allem aber dadurch schmackhaft gemacht, daß ihm ein interessanter Arbeitsbereich bzw. die Mitarbeit an interessanten Projekten in Aussicht gestellt wurde, etwa Windturbinen, Formel I-Motoren, Rauchgasreinigungsanlagen und ähnlichem. Dieses attraktive Anbot der zu dieser Zeit noch einen ungetrübten Ruf aufweisenden V***** C***** GesmbH bewog den Kläger, sein sicheres Arbeitsverhältnis bei der R***** B***** AG aufzukündigen und ein Arbeitsverhältnis mit der V***** C***** GesmbH einzugehen. Der Geschäftsführer Dr. E***** P***** hatte damals schon konkrete Kenntnis von der schlechten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens. Der dem Kläger vorgelegte Dienstvertrag enthielt neben einer einmonatigen Probezeit eine anschließende Befristung des Arbeitsverhältnisses auf fünf Monate. Dr. E***** P***** erklärte auf den diesbezüglichen Einwand des Klägers, daß es sich dabei lediglich um eine betriebsübliche Formsache handle, der Kläger brauche keine Bedenken zu haben, daß sein Arbeitsverhältnis über den Probemonat hinaus nicht aufrecht bleiben werde. Daraufhin trat der Kläger am das Arbeitsverhältnis bei der V***** C***** GesmbH an. Dieses Arbeitsverhältnis wurde am durch den Arbeitgeber aufgelöst. Der Kläger war sodann bis arbeitslos und bezog vom bis 434,50 S Arbeitslosenunterstützung pro Tag, insgesamt 60.395,50 S.
Mit Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom wurde über das Vermögen der V***** C***** GesmbH der Konkurs eröffnet.
Der Kläger machte die Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld und den Bezügen, die er bis als Arbeitnehmer der R***** B***** AG bezogen hätte, in dem der Höhe nach nicht strittigen Betrag von 95.563,12 S netto sA im Konkurs der V***** C***** GesmbH geltend. Die Forderung wurde vom Masseverwalter anerkannt.
Mit Bescheid vom lehnte das Arbeitsamt K***** den Antrag auf Gewährung von Insolvenzausfallgeld ab, weil es sich bei dieser Schadenersatzforderung nicht um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis handle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Zahlung von Insolvenzausfallgeld im Betrag von 95.563,12 S sA gerichtete Klage. Dr. E***** P***** habe als Geschäftsführer der V***** C***** GesmbH den dem Kläger entstandenen Schaden dadurch verursacht und verschuldet, daß er dem Kläger ungeachtet der schlechten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens das ins Auge gefaßte Beschäftigungsverhältnis mit der V***** C***** GesmbH so attraktiv dargestellt habe, daß sich der Kläger habe verleiten lassen, sein sicheres Arbeitsverhältnis bei der R***** B***** AG aufzulösen. Auch im Hinblick auf die Erklärungen des Geschäftsführers, die Vereinbarung eines Probemonates sei lediglich Formsache, der Kläger könne darauf vertrauen, daß das Arbeitsverhältnis über den Probemonat hinaus fortdauere, habe die Auflösung gegen Treu und Glauben verstoßen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Ansprüche des Klägers resultierten aus der Vorspiegelung falscher Tatsachen anläßlich des Vertragsabschlusses und seien daher keine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und vertrat die Rechtsauffassung, daß nach dem Zweck des IESG nur Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gesichert seien, nicht aber Schadenersatzansprüche aus der Verletzung vorvertraglicher Verpflichtungen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und vertrat die Rechtsauffassung, daß nur aus dem Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis entstehende Ansprüche gegen den Arbeitgeber gesichert seien. Davon seien vorvertragliche Schadenersatzansprüche nicht umfaßt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung WBl 1991, 328 = RdW 1991, 333 = ecolex 1991, 636 ausgesprochen hat, ist der Zweck des IESG eine sozialversicherungsrechtliche Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenen Ansprüchen von Arbeitnehmern im Falle der Insolvenz ihres Arbeitgebers. Versichertes Risiko ist demnach im Kernbereich die von den Arbeitnehmern typischerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf die sie typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhaltes sowie des Lebensunterhaltes ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind. Diesem Zweck entspricht es, unter Schadenersatzansprüchen "aus dem Arbeitsverhältnis" nur solche Ansprüche zu verstehen, die mit den ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Haupt- und Nebenpflichten in einem solchen Sachzusammenhang stehen, daß davon ausgegangen werden kann, die Ansprüche hätten ihren Entstehungsgrund letztlich im Arbeitsverhältnis (siehe auch VwSlg 11.964 A).
Der Kläger leitet seine Schadenersatzansprüche nicht etwa aus einer Verletzung des Arbeitsvertrages, sondern daraus ab, daß er anläßlich der Begründung des Arbeitsverhältnisses durch irreführende Erklärungen des Vertreters der Arbeitgeberin V***** C***** GesmbH zur Aufgabe seines Arbeitsverhältnisses mit seinem damaligen Arbeitgeber verleitet worden sei. Folgerichtig macht der Kläger auch nicht Entgelt aus dem Arbeitsverhältnis mit der V***** C***** GesmbH als Erfüllungsinteresse, sondern den ihm durch die Aufgabe seines Arbeitsverhältnisses mit der R***** B***** AG entstandenen Vertrauensschaden geltend. Ein derartiger aus der Verletzung vorvertraglicher Verpflichtungen resultierender Anspruch auf Ersatz des Schadens, der infolge der Aufgabe eines anderen Arbeitsverhältnisses anläßlich der Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses entstanden ist, ist aber kein Schadenersatzanspruch aus dem neuen Arbeitsverhältnis im Sinn des § 1 Abs 2 Z 2 IESG. (Vergleiche dazu den vom Gesetzgeber erkennbar weiter gefaßten Begriff einer Arbeitsrechtssache iS des § 50 Abs 1 ASGG, wie er in den Wochen "im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder mit dessen Anbahnung" zum Ausdruck kommt.)
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit. a ASGG; besondere Umstände, die ausnahmsweise einen Kostenzuspruch nach Billigkeit trotz Unterliegens gemäß lit. b dieser Gesetzesstelle rechtfertigen würden, wurden vom Kläger nicht einmal behauptet.