VfGH vom 24.09.2019, E159/2019

VfGH vom 24.09.2019, E159/2019

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander hinsichtlich der Abweisung des Status des Asylberechtigten betreffend einen irakischen Staatsangehörigen; Begründungsmängel betreffend die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens und die Berücksichtigung der aktuellen Lage in Bagdad

Spruch

I.Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II.Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.520,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger und gehört der arabischen Volksgruppe sowie der sunnitisch-muslimischen Glaubensgemeinschaft an. Er stammt aus Bagdad aus dem Bezirk Al-Dora und stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer leidet an terminaler Niereninsuffizienz und muss sich dreimal pro Woche einer Dialysebehandlung unterziehen.

2.Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, er werde im Irak "von der irakischen Regierung, von den Schiiten" bedroht, da er Sunnite sei. Er habe Angst, bei einer Rückkehr in den Irak getötet zu werden. Diesbezügliche Hinweise, wie Drohbriefe, befänden sich im Irak.

3.Die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am wurde kurz nach Beginn aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen, bevor der Beschwerdeführer Gelegenheit hatte, seine Fluchtgründe zu schildern; eine weitere Einvernahme wurde nicht durchgeführt.

Mit Bescheid vom wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum (Spruchpunkt III.). Begründend führte das BFA aus, der Beschwerdeführer habe weder im Rahmen der Erstbefragung noch bei der Einvernahme glaubhaft darzulegen vermocht, dass er durch irakische Behörden verfolgt werde und auch nicht angegeben, eine Verfolgung von Seiten Dritter zu befürchten. Der geschilderte Ausreisegrund könne daher nicht zur Zuerkennung von Asyl führen. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten werde zuerkannt, da von einer realen Gefahr der Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers gemäß Art 2 und 3 EMRK bzw der ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes auszugehen sei. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe nicht offen.

4.Das Bundesverwaltungsgericht führte am eine mündliche Verhandlung durch, bei der der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen angab, er habe gemeinsam mit einem Partner in Bagdad im Bezirk Al-Dora ein Elektrofachgeschäft betrieben. Eines Tages seien zwei Mitglieder der schiitischen Miliz "Asaeb" in das Geschäft gekommen und hätten Schutzgeld verlangt. Dies habe sich noch zweimal wiederholt, sei aber von ihm und seinem Partner abgelehnt worden. Unmittelbar nachdem sie eine polizeiliche Anzeige erstattet hätten, sei der zu diesem Zeitpunkt allein im Geschäft befindliche Partner des Beschwerdeführers getötet worden. Aus Angst, auch ermordet zu werden, habe der Beschwerdeführer wenige Tage danach den Irak verlassen.

Das Bundesverwaltungsgericht weist die gegen Spruchpunkt I. des genannten Bescheides erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom als unbegründet ab. Im Rahmen der Beweiswürdigung führt das Bundesverwaltungsgericht aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei nicht glaubhaft: Zunächst habe der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung lediglich in sehr allgemeiner Form behauptet, "von der irakischen Regierung, von den Schiiten" bedroht zu werden und dabei nicht einmal andeutungsweise die mehrmalige Schutzgelderpressung durch mutmaßliche Mitglieder einer schiitischen Miliz erwähnt. Eine von der irakischen Regierung ausgehende Bedrohung stelle auch auf eine gänzlich andere Gefahrenquelle ab, "als einzelne Mitglieder einer Miliz, die (bloß) Schutzgeld erpressen wollten". Zudem hätten die Drohbriefe keine Erwähnung mehr gefunden.

Es sei auch nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer, wie vorgebracht, gemeinsam mit seinem Partner bei der Polizei Anzeige erstattet habe, ohne dort zu erwähnen, dass die Erpresser der schiitischen Miliz angehören würden, da sie angenommen hätten, dass die Polizei mit der Miliz kooperiere. Zum einen sei eine Anzeige der Schutzgelderpressung ohne die Erpresser zu benennen oder zuzuordnen per se sinnentleert; bestünde eine Verbindung zwischen Polizei und Miliz, erhöhe eine polizeiliche Anzeige zum anderen aus der Sicht des Beschwerdeführers und seines Partners das Bedrohungspotenzial. Auch sei nicht nachvollziehbar, weshalb gerade der Beschwerdeführer und sein Partner Ziel der Erpresser geworden sein sollten, während der Beschwerdeführer von anderen Geschäftsleuten derlei noch nie gehört habe. Schließlich sei es für das Bundesverwaltungsgericht "gänzlich lebensfremd", dass der Beschwerdeführer "angesichts der behaupteten Ermordung seines Partners ein finanzielles Arrangement mit seinen Erpressern nicht einmal versucht" oder seinen Geschäftsstandort verlegt habe, sei er doch als Elektriker nicht standortgebunden.

Im Hinblick auf die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auf "notorisches Amtswissen des erkennenden Gerichtes und die als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignisse im Irak" sowie auf die in der Beschwerdeverhandlung und deren Gefolge herangezogenen aktuellen länderkundlichen Informationen.

5.Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der insbesondere die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes BGBl 390/1973) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

6.Das BFA und das Bundesverwaltungsgericht haben die Verwaltungs- bzw Gerichtsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

II.Erwägungen

1.Die – zulässige – Beschwerde ist begründet:

1.1.Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001)oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

1.2.Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde die Entscheidung mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s etwa VfSlg 13.302/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14.421/1996, 15.743/2000).

2.Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung unterlaufen:

2.1.Zunächst hält das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer vor, dieser lege "in der Beschwerdeverhandlung einen in der Erstbefragung nicht einmal andeutungsweise erwähnten Sachverhalt" dar. Da der Beschwerdeführer in der Erstbefragung jedoch bereits eine Verfolgung durch "die irakische Regierung, schiitische Milizen" und damit den in der mündlichen Verhandlung geschilderten Fluchtgrund im Kern geltend macht, ist nicht ersichtlich, inwiefern sich die vom Gericht vorgenommene Gegenüberstellung der beiden Aussagen eignen soll, die Plausibilität des Vorbringens in Zweifel zu ziehen, zumal § 19 Abs 1 AsylG 2005 ausdrücklich bestimmt, dass die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat (vgl auch ).

2.2.Das Bundesverwaltungsgericht gründet seine Zweifel an der Richtigkeit des behaupteten Verfolgungsszenarios des Weiteren darauf, dass "eine 'von der irakischen Regierung' ausgehende Bedrohung, ungeachtet der allgemeinen Natur dieser Aussage, auch auf eine gänzlich andere Gefahrenquelle ab[stelle] als einzelne Mitglieder einer Miliz, die (bloß) Schutzgeld erpressen wollten". Dabei lässt es insbesondere die in dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Bescheid abgedruckten Länderinformationen bzw das zum Entscheidungszeitpunkt aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak vom , letzte Kurzinformation eingefügt am außer Acht, woraus sich ergibt, dass schiitische Milizen mit Regierungstruppen zusammenarbeiten bzw – insbesondere die vom Beschwerdeführer namentlich genannte Miliz Asa’ib Ahl al-Haqq (protokolliert mit "Miliz Asaeb", Niederschrift der mündlichen Verhandlung S 7 und 8) – Teile Bagdads kontrollieren, gerade auch den Arbeits- und Wohnort des Beschwerdeführers, den Bezirk "Al-Dora" oder "Dora": Aus den im Bescheid des BFA abgedruckten Länderinformationen geht hervor (Bescheid S 23 f.), dass "Regierungstruppen und schiitische Milizen in vielen Vierteln Bagdads Sunniten gewaltsam vertrieben [haben]. Laut Human Rights Watch sprachen v.a. in den Provinzen Bagdad und Diyalah kriminelle Banden, die laut sunnitischen Opfern mit den irakischen Sicherheitskräften und den schiitischen Milizen verbunden sind, Drohungen aus und verübten Morde, die nicht untersucht wurden […]. Die für Menschenrechtsverletzungen bekannte schiitische Miliz Asa’ib Ahl al-Haqq hat in Bagdad großen Einfluss, insbesondere in den Vierteln/Bezirken Kadhimiya, Rusafa, Yarmouk, A’amel, 9 Nissan, Dora und Sha'ab." "Die Organisation ist stark vernetzt mit der irakischen Regierung und der Polizei (insb. in Bagdad)" (Bescheid S 20). "Zum Teil ist die Miliz in Bagdad einflussreicher als die örtliche Polizei" (Bescheid S 24). Auf drei Seiten zusammengefasst trifft das Bundesverwaltungsgericht selbst Länderfeststellungen, die jedoch für den konkreten Sachverhalt größtenteils irrelevant sind. Zur Sicherheitslage in Bagdad wird im Wesentlichen lediglich ausgeführt, dass dort seit der Vertreibung des Islamischen Staats aus seinem früheren Herrschaftsgebiet nur mehr wenige sicherheitsrelevante Ereignisse bzw Entwicklungen bekannt geworden seien. Dabei lässt das Bundesverwaltungsgericht folgende, hier einschlägige Ausführungen im zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak vom , letzte Kurzinformation eingefügt am , unberücksichtigt, die sich unter der Überschrift "Sicherheitslage in Bagdad" finden:

"Die Vorstöße des IS im Nord- und Zentralirak 2014 und Anfang 2015 sowie das damit verbundene Sicherheitsvakuum in anderen Landesteilen haben dazu geführt, dass Milizen und Stammesführer in vielen Gegenden die Macht an sich gerissen haben, die Kriminalität zugenommen hat und insgesamt das staatliche Machtmonopol und die Rechtsstaatlichkeit aufgeweicht wurden, einschließlich in der Hauptstadt Bagdad (UNHCR ). Die PMF-Milizen[…] verrichten nun in den Stadtvierteln von Bagdad Polizeiarbeit. Dadurch konkurrieren sie mit der regulären Polizei, missachten die Gesetze und verhalten sich oft eher wie mafiöse Gruppen. […] Die Milizen erschweren zunehmend die Arbeit der lokalen Polizeikräfte. Führungskräfte der Polizei sind gezwungen, mit den führenden Vertretern der Milizen, die in ihrem Stadtteil operieren, zu kooperieren, gesetzt den Fall, die Viertel befänden sich überhaupt unter Polizeikontrolle. Die meisten Stadtviertel von Bagdad haben einen Stützpunkt, zumeist in Form eines Büros, der zu der jeweiligen Miliz gehört, die in dem Teil der Stadt präsent ist (manchmal sind auch mehrere Milizen in einem Viertel präsent). Laut Angaben eines Bagdader Polizisten könne man die mutmaßlichen Rechtsverletzungen der Milizen nicht ahnden[…]. Die zielgerichtete Gewalt gegen sunnitische Araber hat in Bagdad ebenso wie in anderen von der Regierung kontrollierten Gebieten des Irak seit 2014 zugenommen (UNHCR ). In Bagdad wurde gemeldet, dass sunnitische Binnenvertriebene gedrängt wurden, aus schiitischen und gemischt sunnitisch-schiitischen Wohngebieten auszuziehen (UNHCR ). Auch gewaltsame Vertreibungen von Sunniten aus mehrheitlich von Schiiten bewohnten Vierteln Bagdads kamen laut dem Leiter des Sicherheitskomitees des Provinzrates Bagdad vor. Zum Teil würde es dabei weniger um konfessionell motivierten Hass gehen, sondern darum, die Grundstücke der vertriebenen Familien übernehmen zu können (IC ). Laut Berichten begehen die PMF-Milizen in Bagdad immer wieder Kidnappings und Morde an der sunnitischen Bevölkerung (die nicht untersucht werden), oder sie sprechen Drohungen dieser gegenüber aus (HRW ; Al-Araby ). Laut dem Parlamentsmitglied Abdul Karim Abtan langen bezüglich der Welle von konfessionell motivierten Entführungen und Morden fast täglich Berichte ein; er beschuldigt die Polizei, die Vorfälle zu ignorieren und den Milizen zu erlauben, straffrei zu agieren (Al-Araby )."

In Anbetracht dieser Länderinformationen hätte das Bundesverwaltungsgericht insbesondere darlegen müssen, inwiefern es sich im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt bei den schiitischen Milizen, gerade bei der vom Beschwerdeführer namentlich genannten Miliz Asa’ib Ahl al-Haqq, um eine von der irakischen Regierung "gänzlich andere Gefahrenquelle" handelt. Diesbezüglich hat es das Bundesverwaltungsgericht verabsäumt, sich in seiner Entscheidung konkret mit der aktuellen allgemeinen Lage in jener Region, aus der der Beschwerdeführer stammt, auseinanderzusetzen (vgl dazu , und vom selben Tag, E2100/2016; , E3235/2016, und vom selben Tag, E566/2017; , E2927/2017; , E4317/2017; , E4387/2017). Ebenso bleibt das Gericht eine Begründung schuldig, weshalb eine "(bloße)" Schutzgelderpressung in einer Konstellation wie der vorliegenden in Anbetracht des aus den Länderinformationen hervorgehenden Zusammenwirkens der irakischen Regierung mit den Milizen keine asylrelevante Verfolgung darstellen könne.

2.3.Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes, es sei "gänzlich lebensfremd", dass der Beschwerdeführer angesichts der behaupteten Ermordung seines Geschäftspartners ein finanzielles Arrangement mit seinen Erpressern nicht einmal versucht habe, bleibt ohne jede Begründung, weshalb es sich dabei lediglich um eine unsubstantiierte Behauptung handelt. Auch für die These des Gerichtes, es sei nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer in Anbetracht der Ermordung seines Geschäftspartners sofort geflohen sei, anstelle den Geschäftsstandort zu verlegen oder die Tätigkeit zu beenden, wird keine substantiierte Begründung angeführt; das Bundesverwaltungsgericht stellt diese Behauptung vielmehr auf, ohne auszuführen, weshalb sich eine Person in einer derartigen Situation zwingend so verhalten solle (vgl zu bloßen Mutmaßungen ). Schließlich kann die bloße Tatsache, dass sich eine Person, die sich bedroht fühlt, an die Polizei wendet, auch wenn sie Verbindungen zwischen der Polizei und der Miliz vermutet, nicht dazu dienen, dem Fluchtvorbringen pauschal die Glaubhaftmachung abzusprechen.

2.4.Indem das Bundesverwaltungsgericht die mangelnde Glaubhaftmachung des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht substantiiert begründet und es zudem unterlassen hat, die aktuelle Lage in Bagdad zu berücksichtigen und diese in der Begründung des Erkenntnisses mit der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Beziehung zu setzen, hat es seine Entscheidung mit Willkür belastet (vgl zB ; , E2628/2016; , E4387/2017).

III.Ergebnis

1.Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.

2.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3.Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,– enthalten.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2019:E159.2019
Schlagworte:
Asylrecht, Entscheidungsbegründung

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