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OGH vom 17.03.2020, 14Os8/20p

OGH vom 17.03.2020, 14Os8/20p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in der Strafsache gegen ***** S***** V***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten ***** S***** S***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 162 Hv 45/17a-442, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I./B./ des Angeklagten ***** S***** S*****, demzufolge auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung wird der Angeklagte S***** auf die Kassation verwiesen.

Die Entscheidung über die gegen das Verfallserkenntnis gerichtete Berufung obliegt dem Oberlandesgericht Wien.

Dem Angeklagten S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – ***** S***** S***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./A./), des Vergehens des Diebstahls nach § 12 dritter Fall, 127 StGB (I./B./) und des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in W*****

I./ Nachgenannten fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, und zwar

A./ Ende Mai 2019 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) mit ***** S***** V***** dem ***** Si***** mit gegen ihn gerichteter Gewalt eine Umhängetasche beinhaltend 10 Gramm Heroin, indem V***** dem Opfer die Umhängetasche gewaltsam entriss, während S***** dieses festhielt und ihm Schläge gegen den Bauch versetzte;

B./ am „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ mit V***** und ***** Si***** dem ***** K***** 60 Euro Bargeld, wobei Si***** das Geld aus dessen Hemdtasche herausnahm, V***** dem sich wehrenden Opfer Faustschläge gegen den Hinterkopf sowie den Rücken und Si***** ihm einen Stoß versetzte, sodass K***** zu Boden fiel, „sohin Gewalt anwendeten, um ***** Si***** das weggenommene Bargeld zu erhalten, während ***** S***** S***** das Fluchtfahrzeug lenkte, wobei sein Vorsatz nicht auf die Anwendung von Gewalt gerichtet war“;

II./ gemeinsam mit V***** „eine Sache, die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hat“, nämlich den in der zu I./A./ genannten Tasche befindlichen Bargeldbetrag von 1.500 Euro, an sich gebracht, indem sie diesen behielten und aufteilten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*****, der keine Berechtigung zukommt.

Dem zu I./A./ erhobenen Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Schöffengericht die Aussage des Zeugen ***** Si*****, wonach er ein Messer bei sich gehabt habe, dieses aber nicht „raus ziehen“ konnte, weil er an den Armen festgehalten wurde (ON 431 S 71 ff), ohnehin berücksichtigt (US 12). Dass aus dieser Aussage in Zusammenschau mit der Verantwortung des Angeklagten S***** auch der von der Beschwerde angestrebte Schluss hätte gezogen werden können, der Vorsatz des Angeklagten S***** sei „auf Nothilfe gerichtet“ gewesen, begründet keine Nichtigkeit aus Z 5 vierter Fall (RIS-Justiz RS0098362, RS0098400). Im Übrigen übt die Beschwerde mit der Behauptung, das Erstgericht hätte zu einem anderen Ergebnis gelangen müssen, wenn es sich „vollständig mit den Angaben des Zeugen [***** Si*****] auseinandergesetzt“ hätte, bloß in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) vom Vorliegen einer dem Angeklagten S***** zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) in Ansehung des Schuldspruchs I./B./, worauf die Generalprokuratur zutreffend hinweist.

Beitragshandlungen im Sinn des § 12 dritter Fall StGB müssen zu einer ausreichend individualisierten Straftat erfolgen; der Beitragstäter muss im Zeitpunkt seiner Handlung die Tat des unmittelbaren Täters ihrer Art nach in groben Umrissen kennen und sein Vorsatz muss auf Vollendung dieser (ausreichend individualisierten) Tat gerichtet sein (RIS-Justiz RS0120600).

Beitragstäterschaft erfordert darüber hinaus ein für den Tatablauf kausales Verhalten, das die Ausführung der strafbaren Handlung durch einen anderen ermöglicht, erleichtert, absichert oder in anderer Weise fördert (vgl Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 81 ff; RIS-Justiz RS0090508). Ein solches Verhalten kann auch eine erst nach der Ausführungshandlung des unmittelbaren Täters zu leistende (physische) Unterstützung sein (also etwa die vor der Tatbegehung erteilte Zusage an den unmittelbaren Täter zur Hilfe bei der Flucht vom Tatort), wenn damit der Tatentschluss des unmittelbaren Täters bestärkt wird (vgl RIS-Justiz RS0090488, RS0090384). Durch Hilfeleistungen, die ohne vorherige Zusage erst nach Vollendung einer Tat erfolgen, kann lediglich ein sog Anschlussdelikt (insb § 164 f, 299 StGB) verwirklicht sein (RIS-Justiz RS0090397).

Im gegenständlichen Fall (US 8 f) vereinbarten V***** und Si*****, die über kein Geld für den Ankauf von Suchtgift verfügten, ein Treffen mit ihrem Suchtgiftverkäufer ***** K*****. Auf der Fahrt zu diesem Treffen in dem von S***** gelenkten Fahrzeug „kamen sie (…) überein, nach Erhalt des Suchtgiftes wegzulaufen und zu flüchten, womit auch ***** S***** S*****, der das Fluchtauto lenken sollte, einverstanden war“. Nachdem K***** am Treffpunkt „kein Heroin bei sich hatte und dieses erst von seinem eigenen Dealer holen musste“, konnte „der ursprüngliche Plan – wegnehmen und weglaufen – nicht durchgeführt werden“. Eine danach versuchte Bezahlung mit 150 Euro Falschgeld wurde durch den von K***** aufgesuchten Dealer durchschaut. Als K***** den Angeklagten V***** und Si***** mitteilte, „dass er für sie kein Heroin erhalten habe“, durchsuchten letztere die Bekleidung des K***** und fanden in dessen Brusttasche 60 Euro Bargeld. Dieses nahm Si***** heraus und stieg rasch in das in der Nähe wartende Fahrzeug des S*****. Als K***** den Si***** am Arm packte, um sich das Bargeld zurückzuholen, versetzte V***** dem Opfer Faustschläge gegen den Hinterkopf und den Rücken, während Si***** vom Beifahrersitz aus auf K***** einschlug, bis dieser auf der Straße zu Boden stürzte.

Ausgehend von diesen Konstatierungen, denen zufolge der Tatplan der drei Angeklagten scheiterte und sich V***** und Si***** spontan zu einer anderen Tat entschlossen, bleiben die Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten S***** (US 9), wonach er „wusste, dass seine beiden Freunde ihrem Dealer fremde bewegliche Sachen wegnehmen werden“ und ebenso wusste, „dass er sich an der Tat beteiligt, indem er beide mit seinem Fahrzeug zum Tatort brachte, in unmittelbarer Nähe wartete und den Fluchtwagen lenkte, was er auch wollte“, wobei sein Vorsatz „(nur) auf die Wegnahme und unrechtmäßige Zueignung gerichtet war“, ohne Sachverhaltsbezug (RIS-Justiz RS0119090).

Das Urteil war daher hinsichtlich des Angeklagten S***** schon bei der nichtöffentlichen Beratung im Schuldspruch I./B./ und demzufolge im Strafausspruch aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO). Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen zu I./B./.

Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht die vom Schuldspruch II./ umfasste Tat irrig (vgl US 14 sowie die Feststellungen US 7 f; iVm 13 [wonach sich „der Raubvorsatz nicht auf den im Anschluss in der Tasche vorgefundenen Bargeldbetrag bezog“]), den Angeklagten V***** und S***** aber nicht konkret zum Nachteil gereichend, dem Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs 1 StGB anstelle dem Vergehen der Unterschlagung nach § 134 Abs 2 StGB unterstellt hat. Wenngleich die verfehlte Subsumtion keinen Anlass zu amtswegigem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bietet (vgl Ratz, WKStPO § 290 Rz 22 f), ist das Erstgericht aufgrund der hier getroffenen Klarstellung bei der Fällung des Urteils im zweiten Rechtsgang insoweit nicht an seinen eigenen Ausspruch über das anzuwendende Strafgesetz gebunden (RISJustiz RS0129614 [T1]).

Hinsichtlich der gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung war der Angeklagte auf die Kassation zu verweisen. Über die Berufung im Betreff des Verfallserkenntnisses wird das Oberlandesgericht zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO und bezieht sich nicht auf das amtswegige Vorgehen (RIS-Justiz RS0101558).

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00008.20P.0317.000

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