OGH vom 30.10.2019, 9ObA94/19t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekurs- und Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Gerald Fida als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. A***** B*****, vertreten durch Draxler Rexeis Sozietät von Rechtsanwälten OG in Graz, gegen die beklagte Partei Gemeinde H*****, vertreten durch Mag. Philipp Moritz, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei und die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen den Beschluss und das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 20/19v-29, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird gemäß § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
I.
Ob die Zivilgerichte zur Entscheidung berufen sind, also der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zulässig ist, hängt davon ab, ob ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch im Sinne des § 1 JN erhoben wird und ob dieser nicht durch Gesetz ausdrücklich vor eine andere Behörde verwiesen wird (RS0045584 [T32]; 9 ObA 88/18h Pkt 1.1.).
Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend, also die Natur und das Wesen des geltend gemachten Anspruchs, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist (RS0045584 [T71]; RS0045718 [T40]).
Die Frage, wie ein bestimmter eingeklagter Anspruch nach den vorstehenden Kriterien beurteilt wird, hängt regelmäßig von dessen konkreter Gestaltung und der Auslegung des Vorbringens im Einzelfall ab, sodass es sich dabei in der Regel um keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO handelt (RS0045644 [T15]). Auch der gegenständliche Fall kann mit diesen von der Rechtsprechung entwickelten Beurteilungskriterien gelöst werden. Die angefochtene Entscheidung bewegt sich im Rahmen dieser Grundsätze.
Mit dem Feststellungsbegehren, das darauf gerichtet ist, dass der Kläger die ihm mit zugewiesene Tätigkeit in der Abteilung für Finanzen und IT nicht ausüben müsse und er weiterhin als Amtsleiter bei der beklagten Gemeinde zu beschäftigen sei, strebt der Kläger – dies ist auch aus den Klagebehauptungen erkennbar – nur die Verpflichtung der Beklagen an, ihn weiter mit der Verrichtung der (konkreten) Tätigkeiten des Amtsleiters zu betrauen. Weder bekämpft der Kläger seine hoheitliche, durch den Bürgermeister mit Zustimmung des Gemeinderats erfolgte Abberufung als Amtsleiter noch begehrt er seine öffentlich-rechtliche Wiederbestellung als Amtsleiter. Nach dem Klagssachverhalt stützt der Kläger – anders als beispielsweise die Klägerin in der Entscheidung 9 ObA 117/14t – seinen Anspruch auf Beschäftigung als Amtsleiter auf eine dienstvertragliche (privatrechtliche) Vereinbarung mit der Beklagten bzw auf einen mit ihr abgeschlossenen Sondervertrag. Die Frage, ob § 64 Abs 2a der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 über die Abberufung von der Funktion als Amtsleiter zwingendes Recht darstellt, stellt sich daher nicht.
Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO wird im außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten damit nicht aufgezeigt. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
II.
1. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936). Das ist hier nicht der Fall.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit aufgrund des Steiermärkischen Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetzes 1962 (kurz: Stmk GVBG) beschäftigt. Seine ursprüngliche Verwendung als Baureferent wurde mit dem 1. Nachtrag zum Dienstvertrag mit Wirkung vom auf „Amtsleiter unbefristet“ geändert. Daraus leitet der Kläger ab, dass er nach dem Willen der Parteien keine andere, als die privatrechtlich vereinbarte Tätigkeit als Amtsleiter verrichten müsse.
Die übereinstimmende Beurteilung der Vorinstanzen, wonach sich schon aus den „Sonstigen Vereinbarungen“ zum 1. Nachtrag, womit ua auf die Möglichkeit der (öffentlich-rechtlichen) Abberufung als Amtsleiter hingewiesen wurde, ergebe, dass der Kläger nicht unwiderruflich bis zur Beendigung des Vertragsbedienstetenverhältnisses Amtsleiter bei der Beklagten sein sollte, ist nicht zu beanstanden. Bereits in einem vergleichbaren Fall (9 ObA 70/16h) ist der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis gelangt, dass durch die Betrauung mit einem Funktionsdienstposten dem Vertragsbediensteten eine bestimmte Tätigkeit innerhalb des vereinbarten Dienstzweigs zugewiesen ist, die für die Dauer ihrer Ausübung aufgrund der damit verbundenen Verantwortung mit einer höheren Entlohnung entsprechend der Funktionsgruppe verbunden ist. Damit wird aber die dienstvertraglich vereinbarte Leistung nicht auf diese Tätigkeit beschränkt. Schon allgemein gilt, dass aus der bloßen Tatsache einer längeren Verwendung des Dienstnehmers an einem bestimmten Arbeitsplatz für sich allein noch nicht ohne weiteres geschlossen werden kann, dass sich der Aufgabenkreis des Dienstnehmers auf diese Tätigkeit beschränkt hätte (RS0029509). Gerade bei unkündbaren (definitiven) bzw nur erschwert kündbaren Dienstverhältnissen legt die Rechtsprechung den Umfang der Arbeitspflicht des Dienstnehmers weiter aus (RS0029509 [T5]).
Die Frage, ob die öffentlich-rechtliche Abberufung des Klägers als Amtsleiter willkürlich war, ist hier nicht zu prüfen.
Dass die Beklagte dem Kläger aus völlig unsachlichen Gründen ab bzw andere und nicht vom Dienstvertrag gedeckte Tätigkeiten übertragen hätte, ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht.
2. Welche für ihn günstige Rechtsfolge der Kläger aus seiner Behauptung, zwischen den Parteien sei schlüssig ein Sondervertrag zustande gekommen, ableiten will, wird auch in der außerordentlichen Revision nicht dargelegt. Mit dem Abschluss eines Sondervertrags iSd § 39 Stmk GVBG wird doch lediglich die Möglichkeit eröffnet, von den zwingenden Bestimmungen des Steiermärkischen GemeindeVertragsbedienstetengesetzes 1962 abzuweichen.
3. Ob die Beklagte das zuständige Personalvertretungsorgan vor der direktorialen Versetzung des Klägers verständigt hat, ist nicht entscheidungsrelevant. § 10 Abs 6 Z 1 des Steiermärkischen Gemeinde-Personalvertretungsgesetzes 1994 sieht keine Unwirksamkeit einer Versetzung vor, wenn diese von der Beklagten ohne vorherige Verständigung des Personalvertretungsorgans vorgenommen wurde (vgl zum Kärntner GemeindePersonalvertretungsgesetz 8 ObA 96/15y).
Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Der Beklagten stehen für die ihr nicht freigestellte Revisionsbeantwortung (§ 508a Abs 2 ZPO) keine Kosten zu (RS0043690 [T6, T 7]).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00094.19T.1030.000 |
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