OGH vom 16.12.1992, 9ObS20/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr.Gamerith und Dr.Maier als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Vesely und Mag.Dirschmied als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R***** T*****, Angestellter, ***** vertreten durch *****Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei Arbeitsamt Versicherungsdienste, Wien 4., Schwindgasse 5, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Insolvenzausfallgeld (S 1,013.745,03 netto s.A.), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 32 Rs 123/92-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 16 Cgs 2002/91-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Die Begründung der angefochtenen Entscheidung ist zutreffend, so daß es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).
Ergänzend wird den Ausführungen des Revisionswerbers folgendes entgegengehalten:
Der Revisionswerber stützt die Revision vor allem auf die ausführlich begründete Rechtsansicht, daß § 25 KO verfassungswidrig sei; er regt an, daß der Oberste Gerichtshof beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Überprüfung dieser Norm stellen möge und verweist auf einen Aufsatz seines Vertreters (Grießer, Verfassungsrechtliche Problematik der gesetzlichen Regelungen von Entgeltansprüchen bei Insolvenz, RdW 1992, 275).
Der Oberste Gerichtshof hat jedoch gegen § 25 KO aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit keine Bedenken. Schon in der Entscheidung vom (EvBl 1982/107 = Arb 10.093 = ZAS 1983, 107 [Spielbüchler]) hat sich der Oberste Gerichtshof mit dieser Frage auseinandergesetzt und darauf verwiesen, daß § 25 Abs 1 KO bei einer Gesamtbetrachtung den Arbeitnehmer gegenüber anderen Gläubigern der Konkursmasse erheblich besserstelle. Damals waren allerdings Ansprüche der Dienstnehmer, die sich aus der Beendigung des Dienstverhältnisses ergaben, soweit sie nach Konkurseröffnung fällig wurden, noch Masseforderungen nach § 46 Abs 1 Z 4 KO aF, wogegen jetzt Forderungen der Arbeitnehmer für die Zeit nach der Konkurseröffnung nicht mehr Masseforderungen sind, wenn das Beschäftigungsverhältnis innerhalb eines Monats nach der Konkurseröffnung wegen dieser (insbesondere nach § 25 KO) durch den Arbeitnehmer (die arbeitnehmerähnliche Person) oder durch den Masseverwalter gelöst wird (§ 46 Abs 1 Z 3 lit a KO).
Eine vorzeitige Lösung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitnehmer nach der Konkuseröffnung bewirkt nunmehr, daß seine Forderungen unabhängig vom Entstehen oder der Fälligkeit zur Gänze Konkursforderungen sind (1147 BlgNR 15.GP 20).
Aufrechtgeblieben ist jedoch die Besserstellung der Arbeitnehmer (und auch der arbeitnehmerähnlichen Personen im Sinne des § 2 Z 3 IESG) dadurch, daß aufrechte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 1 Abs 1 IESG gesichert sind. Diese Sicherung betrifft insbesondere Entgeltansprüche auf laufendes Entgelt und aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Schadenersatzansprüche und sonstige Ansprüche gegen den Arbeitgeber. Die Ausschließung bestimmter Ansprüche sowie der Ansprüche bestimmter Personengruppen (§ 1 Abs 3 und Abs 6 IESG) beruht auf eigenständigen Erwägungen des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes. Die ratio dieser Bestimmungen liegt im wesentlichen darin, daß diese Personengruppen trotz teilweiser Anwendung des Arbeitsvertragsrechts auf ihr Rechtsverhältnis keine Arbeitnehmer im vollen Sinn dieses Begriffes sind, daß sie zum Teil Arbeitgeberfunktionen ausüben, für den Eintritt der Insolvenz mitverantwortlich sind bzw Teilhaber des Unternehmens sind. Die betraglichen Anspruchsbeschränkungen dienen vorwiegend dem Schutz vor mißbräuchlicher Inanspruchnahme von IESG-Leistungen. Auf freie Dienstverhältnisse ist das IESG ohnehin anzuwenden, sofern die betreffenden Personen arbeitnehmerähnlich im Sinne des § 2 Z 3 IESG sind.
Richtig ist zwar, daß es für die Antragslegitimation nach Art 89 Abs 2 B-VG nur darauf ankommt, daß der Oberste Gerichtshof (bzw ein zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständiges Gericht) das Gesetz, gegen das aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit Bedenken bestehen, anzuwenden hat; ohne Belang ist aber, ob die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes im Anlaßfall zum Tragen kommt (Walter-Mayer, Bundesverfassungsrecht6, 377, VfSlg 9755; ua). Im vorliegenden Fall richten sich jedoch die behaupteten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die sachliche Berechtigung der angesprochenen Ausnahmebestimmungen des IESG, die der Oberste Gerichtshof im vorliegenden Fall nicht anzuwenden hat.
Im übrigen hat aber der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , B 645/83 (vgl DRdA 1986, 64) bereits ausgesprochen, daß es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, daß dem Arbeitnehmer, der gemäß § 25 KO ohne Verschuldensnachweis vorzeitig austritt, Kündigungsentschädigung nur für den Zeitraum der gesetzlichen Kündigungsfrist zusteht, wogegen ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis durch Austritt aus Verschulden des Arbeitgebers oder durch Rücktritt des Masseverwalters vom Vertrag endet, Anspruch auf das vertragsgemäße Entgelt für den Zeitraum hat, der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Ablauf der bestimmten Vertragszeit oder durch ordnungsgemäße Kündigung durch den Arbeitgeber hätte verstreichen müssen.
Der Oberste Gerichtshof hat zwar ausgesprochen, daß dem vom Masseverwalter gemäß § 25 Abs 1 KO vorzeitig gekündigten Arbeitnehmer kein Schadenersatzanspruch zusteht, weil der Masseverwalter bei Ausübung seines Kündigungsrechts nach § 25 Abs 1 KO rechtmäßig handelt und seit der ersatzlosen Aufhebung des § 25 Abs 2 KO aF durch die KONov 1959 ein solcher Anspruch im Gesetz keine Deckung mehr findet (SZ 53/34 = EvBl 1980/127 = Arb 9857 = ZAS 1991, 49 [Rechberger]). In keiner seiner Entwicklungsphasen hat aber § 25 KO das Problem des Schadenersatzanspruches des austretenden Arbeitnehmers geregelt (Fenyves in FS Strasser 362; 9 Ob 901/90). Der Umstand, daß der nach § 25 Abs 1 KO vorzeitig austretende Arbeitnehmer Ansprüche nach § 29 AngG (§ 1162b ABGB) lediglich für einen kürzeren Zeitraum als bei Inanspruchnahme eines anderen Austrittsgrundes hat, ist nur eine notwendige Folge der im § 29 AngG vorgesehenen Bedachtnahme auf die Möglichkeit einer "ordnungsgemäßen Kündigung" des Arbeitsverhältnisses durch den Masseverwalter. Daher müssen sonstige Schadenersatzansprüche im Sinne des § 29 Abs 1 erster Satz AngG ("unbeschadet weitergehenden Schadenersatzes") durchaus nicht ausgeschlossen sein. Das Verlangen nach höherer "Kündigungsentschädigung" kann allerdings auf diese Vorschrift nicht gestützt werden. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, auf die Anregung des Revisionswerbers, einen Antrag auf Aufhebung des § 25 KO beim Verfassungsgerichtshof zu stellen, einzugehen.
Aus der Entscheidung vom , 9 Ob S 8/91 (EvBl 1992/37 = DRdA 1992/15 [Grießer]) ergibt sich, daß der besondere Kündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern bei der Bemessung der Kündigungsentschädigung nicht zu berücksichtigen ist, wenn das Betriebsratsmitglied gemäß § 25 Abs 1 KO vorzeitig austritt und damit das Mandat vorschnell und ohne objektiv zwingende Gründe aufgibt. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kommt daher diese Anspruchsbeschränkung nicht nur dann zur Anwendung, wenn der Betrieb wegen des Konkurses aufgelöst wird. Auf die Frage, was zu gelten hat, wenn der Betriebsinhaber den Austritt des Betriebsratsmitglieds durch Vertragsverletzungen (Einstellung der Entgeltzahlung; ehrverletzendes Verhalten etc) provoziert hat, braucht nicht eingegangen zu werden, weil ein solcher Fall hier nicht vorliegt.
Auch die Berufung des Revisionswerbers auf ein konstitutives Anerkenntnis des Masseverwalters ist verfehlt. Aus dem Schreiben des Masseverwalters vom geht klar hervor, daß sein Anerkenntnis nicht gelten sollte, wenn ein verstärkter Senat des Obersten Gerichtshofes die bisherige Rechtsprechung des Höchstgerichtes bei derartigen Ansprüchen ändern sollte. Darunter war zweifellos auch eine Judikaturänderung des einfachen Senates des Obersten Gerichtshofes zu verstehen, da es dem Masseverwalter bei Erklärung dieses Vorbehalts nur auf die Judikaturänderung angekommen sein kann.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Zu einem Kostenzuspruch nach Billigkeit bestand kein Anlaß, weil Umstände im Sinne des § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG weder behauptet noch bescheinigt wurden.