OGH vom 18.08.2016, 9ObA94/16p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Johann Schneller in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. F***** B*****, vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer und Mag. Martha Gradl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Land Oberösterreich, *****, vertreten durch Jaeger Loidl Welzl Schuster Schenk Rechtsanwälte OG in Linz, wegen 30.923,10 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 36/16t 12, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 7 Cga 85/15b 8, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger war ab bei der Beklagten als Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin zuletzt in einem unbefristeten Dienstverhältnis beschäftigt. Mit wurde er gemäß dem Oö Landesbediensteten-Zuweisungsgesetz der Oö ***** AG (kurz: g*****) zur dauernden Dienstleistung zugewiesen. Auf das Dienstverhältnis finden die Bestimmungen des Oö Landes Vertragsbedienstetengesetzes (Oö LVBG) Anwendung.
Am ging der Beklagten die Kündigung des Klägers zum zu. Mit Schreiben vom begehrte der Kläger „aufgrund der Kündigung aus wichtigem Grund die ihm zustehende Abfertigung und ersuchte um diesbezügliche Stellungnahme”. Mit Schreiben vom teilte die g***** dem Kläger mit, dass ihm keine Abfertigung zustehe. Eine solche wurde ihm auch nicht ausbezahlt.
Mit seiner am eingebrachten Klage begehrte der Kläger eine Abfertigungszahlung in Höhe von 30.923,10 EUR brutto sA. Er habe sein Dienstverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist aus wichtigem Grund gekündigt, da er die Dienstleistung ohne Schaden für seine Gesundheit nicht habe fortsetzen können und die Beklagte ihre Fürsorgepflicht verletzt habe. Die formelle Auflösung in Form einer Kündigung stehe nach der Rechtsprechung dem Abfertigungsanspruch nicht entgegen, wenn aus der Auflösungserklärung klar erkennbar sei, dass der Arbeitnehmer einen wichtigen Lösungsgrund für sich in Anspruch nehme. Die für die Geltendmachung von Beendigungsansprüchen in § 51 Abs 6 Oö LVBG normierte Frist von sechs Monaten beziehe sich nicht auf Abfertigungsansprüche, diesbezüglich gelte die dreijährige Verjährungsfrist. Zudem werde die Abfertigung erst bei Ende des Dienstverhältnisses fällig, sodass der Klagsanspruch jedenfalls rechtzeitig geltend gemacht worden sei.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte Verjährung und Verfristung ein, weil gemäß § 51 Abs 6 Oö LVBG sämtliche Leistungs-, Feststellungs- und rechtsgestaltenden Begehren und Ansprüche aus dem Titel der Beendigung eines Dienstverhältnisses bei sonstigem Ausschluss binnen sechs Monaten geltend zu machen seien. Darunter sei eine gerichtliche Geltendmachung zu verstehen. Darüber hinaus stehe dem Kläger kein Anspruch auf Abfertigung zu, weil er eine Kündigung und nicht einen vorzeitigen berechtigten Austritt angestrebt habe. Bei Ausspruch der Kündigung am sei auch kein wichtiger Grund genannt worden oder vorgelegen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren als verfristet ab. Nach der Bestimmung des § 51 Abs 6 Oö LVBG seien Ansprüche wie der Klagsanspruch binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages der Zugang der Beendigungserklärung geltend zu machen. Nach den Materialien sei damit eindeutig die gerichtliche Geltendmachung gemeint.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob das Ersturteil auf. Entgegen den Materialien zu § 51 Abs 6 Oö LVBG erfordere der Wortlaut der Bestimmung keine gerichtliche Geltendmachung. Dieses Verständnis entspreche auch der Rechtsprechung zur Auslegung von Kollektivvertragsbestimmungen, nach der ohne gegenteiligen Hinweis in der jeweiligen Verjährungs /Verfallsregelung bereits die außergerichtliche Geltendmachung zur Erhaltung des jeweiligen Anspruchs genüge. Mangels Feststellungen zum Vorliegen und zur Bekanntgabe eines wichtigen Grundes für die Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Kläger sei das Ersturteil aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Rekurs sei zur Frage, ob § 51 Abs 6 Oö LVBG zur Anspruchswahrung eine gerichtliche Geltendmachung binnen sechs Monaten ab Zugang der Beendigungserklärung verlange, zulässig.
In ihrem dagegen gerichteten Rekurs begehrt die Beklagte die Abänderung des Aufhebungsbeschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger begehrt, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig , im Ergebnis jedoch nicht berechtigt .
1. Gemäß § 56 Abs 1 Oö LVBG gebührt dem Vertragsbediensteten „beim Enden des Dienstverhältnisses“ eine Abfertigung. Gemäß § 56 Abs 2 leg cit besteht der Anspruch (ua) dann nicht, wenn das Dienstverhältnis vom Vertragsbediensteten gekündigt wurde (Z 3) oder wenn der Vertragsbedienstete ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt (Z 6).
Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang aber auch auf die Rechtsprechung, wonach auch eine Kündigung dem Begehren auf Abfertigung nicht entgegen steht, wenn aus dem Inhalt der das Arbeitsverhältnis auflösenden Erklärung klar erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer einen wichtigen Lösungsgrund für sich in Anspruch nimmt (RIS Justiz RS0060132; RS0031717; vgl jüngst auch 9 ObA 111/15w).
2. Gemäß § 51 Abs 6 Oö LVBG können sämtliche Leistungs , Feststellungs und rechtsgestaltende Begehren und Ansprüche aus dem Titel der Beendigung eines Dienstverhältnisses bei sonstigem Ausschluss nur binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages des Zugangs der Beendigungserklärung geltend gemacht werden. Die Sechsmonatsfrist gilt auch für den Fall der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Rückversetzung in ein kündbares Dienstverhältnis.
3. In den Materialien (AB Blg 477/2011 Oö LT XXVII. GP S 22) wurde die Beschlussfassung zu Satz 1 wie folgt begründet:
„ Diese Einfügung ist eine Klarstellung im Sinn der bisherigen Auslegung und Praxis der Arbeits- und Sozialgerichte. Unter analoger Heranziehung des § 34 AngG bzw § 1162a ABGB (vergleichbare Bestimmungen finden sich auch im § 34 GAngG und § 38 Theaterarbeitsgesetz) verjährten schon bislang bei einer vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses Leistungs-, Feststellungs- und rechtsgestaltende Begehren und Ansprüche aus diesem Dienstverhältnis, wenn diese nicht binnen sechs Monaten nach Zugang der Beendigungserklärung gerichtlich geltend gemacht wurden. Dies soll nun klargestellt werden. “
4. Für die Auslegung des § 51 Abs 6 Oö LVBG ist den Erwägungen zu einer „analogen Heranziehung des § 34 AngG bzw § 1162a ABGB“ (wohl gemeint: § 1162d ABGB) Folgendes voranzustellen:
Sowohl § 34 Abs 1 AngG als auch § 1162d ABGB sehen für die Geltendmachung bestimmter Ansprüche eine Frist von sechs Monaten vor. Es handelt sich dabei um Ersatzansprüche wegen vorzeitiger Beendigung eines Dienstverhältnisses oder wegen Rücktritts vom Vertrag (§ 34 Abs 1 AngG), um Schadenersatzansprüche (zB Kündigungsentschädigung) sowie um die vertragsgemäßen Ansprüche des Dienstnehmers aus einer vorzeitigen Beendigung auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der Vertragszeit oder durch ordnungsmäßige Kündigung hätte verstreichen müssen (§ 1162a, § 1162b ABGB). Die in § 34 AngG und § 1162d ABGB normierte sechsmonatige Präklusivfrist (s nur Spenling in KBB, ABGB 4 § 1162d Rz 3) bezieht sich danach nicht generell auf sämtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnis. Insbesondere unterliegen Ansprüche auf Abfertigung nicht diesen Bestimmungen (RIS Justiz RS0028477; RS0029680).
5. Bereits die Vorinstanzen haben zutreffend darauf hingewiesen, dass sich § 51 Abs 6 Oö LVBG aber nicht nur auf Entschädigungsansprüche wegen vorzeitigem Austritt oder Entlassung bezieht. Vielmehr lässt die Bestimmung schon nach ihrem eindeutigen Wortlaut („ Sämtliche Leistungs-, Feststellungs- und rechtsgestaltenden Begehren und Ansprüche aus dem Titel der Beendigung ... “) keine Zweifel daran, dass hier weder nach der Art der Beendigung noch nach dem jeweiligen Anspruch differenziert werden soll, sondern die Geltendmachung aller Arten von Ansprüchen aus jeder Form der Beendigung eines Dienstverhältnisses einer einheitlichen Frist unterliegen soll.
6. Dabei kann jedoch nicht außer Acht bleiben, dass ein Anknüpfen des Fristbeginns an den Zugang der Beendigungserklärung, wie er in § 51 Abs 6 Oö LVBG vorgesehen ist, nur bei Entlassung oder vorzeitigem Austritt aus dem Arbeitsverhältnis sinnvoll ist, weil nur bei diesen Beendigungsformen das Dienstverhältnis auch in diesem Zeitpunkt endet und dann grundsätzlich auch die Fälligkeit der Beendigungsansprüche gegeben ist. Folgerichtig sieht § 34 Abs 2 AngG vor, dass die Frist für die Ansprüche aus der vorzeitigen Beendigung mit dem Ablauf des Tages beginnt, an dem der Austritt oder die Entlassung stattfand. Soweit Ansprüche zu einem späteren Zeitpunkt fällig werden (zB Entschädigungsleistung für drei Monate übersteigenden Zeitraum, § 1162b ABGB), beginnt auch die Verfallsfrist nicht vor Ablauf des Tages, „an dem sie erhoben werden konnten“ (§ 1162d ABGB).
7. In diesem Sinn geht auch die Rechtsprechung davon aus, dass bei Ansprüchen, die erst nach der Auflösung des Dienstverhältnisses fällig werden, der Lauf der Ausschlussfrist, die (zT früher) in § 1162a ABGB,§ 34 GutsAngG, § 24 HausGG,§ 44 SchSpG und § 34 AngG für die gerichtliche Geltendmachung festgesetzt ist, erst mit dem Tage der Fälligkeit beginnt (RIS Justiz RS0029690). Dies kann aber nicht weniger gelten, wenn ein Dienstverhältnis nicht vorzeitig, sondern regulär durch Kündigung beendet wird. Denn mag eine Forderung auch vorzeitig erfüllbar sein (§ 1434 S 2 ABGB), kann die Verjährungsfrist schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht vor Fälligkeit der Forderung zu laufen beginnen (s nur RIS Justiz RS0034362 ua).
8. Da der mit dem „Ablauf des Tages des Zugangs der Beendigungserklärung“ festgelegte Fristbeginn des § 51 Abs 6 Oö LVBG nicht nur die in § 34 AngG,§ 1162d ABGB genannten Ansprüche, sondern sämtliche Leistungs , Feststellungs und rechtsgestaltenden Ansprüche von der Sechsmonatsfrist erfasst, kann er daher dann Geltung beanspruchen, wenn er mit der Fälligkeit des entsprechenden Anspruchs einhergeht. Ein am bloßen Wortlaut orientiertes Verständnis des § 51 Abs 6 Oö LVBG hätte sonst zur Folge, dass ein Anspruch – etwa bei einer längeren als sechsmonatigen Kündigungsfrist – schon zu einem Zeitpunkt verjährt sein könnte, zu dem er noch nicht fällig war. Dass der Landesgesetzgeber eine solche unsachliche Regelung beabsichtigt hätte, ist ihm nicht zu unterstellen. Dafür bestehen auch keine Anhaltspunkte. Aus dem systematisch-teleologischen Gesamtzusammenhang ergibt sich daher, dass bei einer erst nach dem Zugang der Beendigungserklärung fällig werdenden Forderung nach allgemeinem Regime der Zeitpunkt der Fälligkeit für den Fristbeginn maßgeblich sein muss.
9. Nach dem Wortlaut des § 56 Abs 1 Oö LVBG ist nicht zweifelhaft, dass ein auf diese Bestimmung gestützter Abfertigungsanspruch – wenn die Kündigung des Dienstnehmers aus wichtigem Grund abfertigungswahrend ist – nicht schon mit dem Zugang der Kündigungserklärung, sondern erst mit dem Ende des Dienstverhältnisses, sohin mit Ablauf der Kündigungsfrist fällig wird (arg.: „ beim Enden des Dienstverhältnisses “).
10. Im vorliegenden Fall wurde die Kündigungserklärung unstrittig mit wirksam. Damit endete das Dienstverhältnis. Da der Abfertigungsanspruch erst zu diesem Zeitpunkt fällig war, konnte auch die Sechsmonatsfrist des § 51 Abs 6 Oö LVBG zu keinem früheren Zeitpunkt zu laufen beginnen. Die am erfolgte Klagseinbringung war daher jedenfalls fristwahrend, ohne dass es auf die Frage, ob die zur Anspruchswahrung gesetzlich vorgesehene Geltendmachung als gerichtliche oder außergerichtliche Geltendmachung zu verstehen ist, noch weiter ankäme.
11. Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts ist daher im Ergebnis berechtigt, weil nun geprüft werden muss, ob für eine abfertigungswahrende Eigenkündigung des Klägers die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen vorliegen.
Dem Rekurs der Beklagten ist danach keine Folge zu geben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO (RIS-Justiz RS0035976).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00094.16P.0818.000