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VfGH vom 02.07.2015, E1219/2014

VfGH vom 02.07.2015, E1219/2014

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Bestrafung eines Vereinsobmanns wegen Unterlassung der fristgerechten Anzeige einer personellen Änderung des Vereinsvorstandes

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Dem Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom folgender Sachverhalt vorgeworfen:

"Der Verein 'Die Haller – Verein zur Förderung der politischen Bildung und Information der Haller Bevölkerung' mit dem Sitz in Hall in Tirol ist gemäß dem genehmigten Statuten verpflichtet, alle zwei Jahre den Vereinsvorstand neu zu wählen. Die letzte Wahl erfolgte am und wäre daher spätestens bis zum eine Neuwahl erforderlich gewesen und hätte der Vereinsvorstand alle seine organschaftlichen Vertreter unter Angabe ihrer statutengemäßen Funktion, ihres Namens, ihres Geburtsdatums, ihres Geburtsorts und ihrer für Zustellungen maßgeblichen Anschrift sowie des Beginns ihrer Vertretungsbefugnis jeweils binnen vier Wochen nach ihrer Bestellung der Vereinsbehörde bekannt zu geben gehabt. Die Meldung des neuen Vereinsvorstandes ist zumindest bis zum nicht erfolgt. Sie haben als letzter Obmann diese Übertretung zu verantworten."

Der Beschwerdeführer habe dadurch § 31 Z 4 litb in Verbindung mit § 14 Abs 2 des Bundesgesetzes über Vereine (Vereinsgesetz 2002VerG), BGBl I 66/2002, idF BGBl I 161/2013 (im Folgenden: VerG) verletzt; deshalb wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von € 50,- verhängt.

2. Mit im Instanzenzug ergangenem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom wurde die dagegen gerichtete Berufung (nunmehr: Beschwerde) als unbegründet abgewiesen und die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt. In rechtlicher Hinsicht würdigte das Landesverwaltungsgericht den Sachverhalt – insbesondere – wie folgt:

"Fest steht, dass die Funktionsperiode der organschaftlichen Vertreter am abgelaufen ist. Mit dem Ablauf der Funktionsperiode von 2 Jahren (Vereinsregisterauszug) erlischt die Bestellung, und zwar auch dann, wenn keine Wahl stattgefunden hat.

[…]

Aus den Statuten des Vereins geht […] eindeutig hervor, dass die Vorstandsmitglieder von der Vollversammlung auf 2 Jahre gewählt werden, weshalb die 2-jährige Funktionsperiode auch aus dem Vereinsregisterauszug hervorgeht.

Nach Ablauf dieser formellen Bestellungsdauer erfolgte im Verein jedoch keine Wahl und damit keine Bestellung organschaftlicher Vertreter für die nächste Funktionsperiode, weshalb die organschaftlichen Vertreter konkludent weiter bestellt waren. Der Beschwerdeführer hätte daher diese konkludente organschaftliche Weiterbestellung bei der Vereinsbehörde anzeigen müssen, was er unterlassen hat und daher die Tat in objektiver Hinsicht zu verantworten hat."

3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Vereinsfreiheit und im Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

Mit näherer Begründung wird insbesondere dargelegt, dass nach Ablauf der Funktionsperiode des Vorstandes des Vereins "Die Haller" dieser, da eine Neuwahl nicht erfolgte, nicht mehr handlungsfähig sei. Auch scheide eine Bestrafung des Beschwerdeführers wegen einer den Vorstand treffenden Ordnungsbestimmung aus.

4. Das Landesverwaltungsgericht Tirol legte die Verwaltungs- bzw. Gerichtsakten vor, beantragte den Ersatz des Schriftsatz- und Vorlageaufwandes und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt und den Beschwerdebehauptungen entgegengetreten wird; insbesondere wird auf ein Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am Bezug genommen, in der der Beschwerdeführer u.a. Folgendes zu Protokoll gab: "Derzeit bin ich Obmann des Vereines."

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über Vereine, BGBl I 66/2002, idF BGBl I 161/2013 lauten – auszugsweise – wie folgt:

"Statuten

§3. (1) Die Gestaltung der Vereinsorganisation steht den Gründern und den zur späteren Beschlussfassung über Statutenänderungen berufenen Vereinsorganen im Rahmen der Gesetze frei.

(2) Die Statuten müssen jedenfalls enthalten:

1. – 7. […]

8. die Art der Bestellung der Vereinsorgane und die Dauer ihrer Funktionsperiode.

9. – 11. […]

(3) […]

Organe, Prüfer

§5. (1) Die Statuten haben jedenfalls Organe zur gemeinsamen Willensbildung der Vereinsmitglieder (Mitgliederversammlung) sowie zur Führung der Vereinsgeschäfte und zur Vertretung des Vereins nach außen (Leitungsorgan) vorzusehen.

(2) […]

(3) Das Leitungsorgan muss aus mindestens zwei Personen bestehen. Zu seinen Mitgliedern dürfen nur natürliche Personen bestellt werden. Mit der Geschäftsführung und der Vertretung können auch mehrere beziehungsweise verschiedene Vereinsorgane betraut sein. Innerhalb eines Vereinsorgans können die Geschäfte und Vertretungsaufgaben auch aufgeteilt werden.

(4), (5) […]

Geschäftsführung, Vertretung

§6. (1) […]

(2) Sehen die Statuten nicht anderes vor, so ist auch Gesamtvertretung anzunehmen. Zur passiven Vertretung des Vereins sind die Organwalter allein befugt.

(3) Die organschaftliche Vertretungsbefugnis ist, von der Frage der Gesamt- oder Einzelvertretung abgesehen, Dritten gegenüber unbeschränkbar. In den Statuten vorgesehene Beschränkungen wirken nur im Innenverhältnis.

(4) […]

Änderung der Statuten, der organschaftlichen Vertreter

und der Vereinsanschrift

§14. (1) […]

(2) Der Verein hat alle seine organschaftlichen Vertreter unter Angabe ihrer statutengemäßen Funktion, ihres Namens, ihres Geburtsdatums, ihres Geburtsorts und ihrer für Zustellungen maßgeblichen Anschrift sowie des Beginns ihrer Vertretungsbefugnis jeweils binnen vier Wochen nach ihrer Bestellung der Vereinsbehörde bekannt zu geben.

(3) […]

Strafbestimmung

§31. Wer

1. – 3. […]

4. als zur Vertretung des Vereins berufener Organwalter

a) […]

b) die organschaftlichen Vertreter des Vereins oder die Vereinsanschrift nicht gemäß § 14 Abs 2 und 3 bekannt gibt […]"

c) – e) […]

5. […]

begeht - wenn die Tat nicht von den Strafgerichten zu verfolgen ist - eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, von der Landespolizeidirektion, mit Geldstrafe bis zu 218 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu 726 Euro zu bestrafen."

III. Erwägungen

5. Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet.

6. Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, die er – im Wesentlichen – damit begründet, dass das Landesverwaltungsgericht Tirol mit dem angefochtenen Erkenntnis dem VerG, insbesondere dessen § 31 Z 4 litb, einen Inhalt unterstellt habe, der diesem Gesetz bzw. dieser Bestimmung nicht zuzusinnen sei. Die solcherart begründete verwaltungsrechtliche Bestrafung des Beschwerdeführers sei damit in verfassungswidriger Weise erfolgt.

7. Damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht:

3.1.

Ein Eingriff in das durch Art 11 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte – unter Gesetzesvorbehalt stehende – Recht ist dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende Entscheidung ohne Rechtsgrundlage ergangen ist, auf einer dem Art 11 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet wurde; ein solcher Fall liegt vor, wenn die Entscheidung mit einem so schweren Fehler belastet ist, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise ein verfassungswidriger, insbesondere ein dem Art 11 Abs 1 EMRK widersprechender und durch Art 11 Abs 2 EMRK nicht gedeckter Inhalt unterstellt wurde (vgl. zuletzt zur Versammlungsfreiheit ; , E968-969/2014).

3.2. Die behördliche Auflösung eines Vereins selbst (§29 VerG; vgl. zB VfSlg 19.078/2010, 19.120/2010, 19.208/2010) wie auch die Überprüfung der Erklärung, dass die Vereinsgründung nicht gestattet ist (§12 VerG; vgl. zB VfSlg 13.025/1992, 16.395/2001, 19.260/2010), sind, so wie die Frage, ob überhaupt ein Verein iSd Art 11 EMRK vorliegt, Entscheidungen, die den Kernbereich der Vereinsfreiheit betreffen. Eingriffe sind nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art 11 Abs 2 EMRK genannten Ziele zwingend notwendig sind (vgl. analog ; , E968-969/2014). Eine Entscheidung darüber obliegt dem Verfassungsgerichtshof.

3.3. Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer gemäß der Ordnungsvorschrift des § 14 Abs 2 VerG bestraft, weil er es unterlassen habe, eine personelle Änderung des Vereinsvorstandes fristgerecht der zuständigen Behörde anzuzeigen. Dabei besteht eine unterschiedliche Interpretation von Aussagen, die der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht zur Frage, ob er noch Obmann des Vereins "Die Haller" sei oder nicht, getätigt hat.

3.4. Die vom Beschwerdeführer nun gerügten Rechtsverletzungen wären aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Landesverwaltungsgericht die über den Beschwerdeführer gemäß § 31 Z 4 litb iVm § 14 Abs 2 VerG verhängte Verwaltungsstrafe vor dem Hintergrund seiner in der Beschwerde gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis und in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht selbst getätigten Aussage, er sei Vorsitzender bzw. Obmann des Vereins, zu Recht bestätigt hat, nicht anzustellen.

IV. Ergebnis

8. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

9. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

10. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

11. Dem Verwaltungsgericht sind für den eingebrachten, vom Verfassungsgerichtshof aber nicht abverlangten Schriftsatz Kosten nicht zuzusprechen (zB VfSlg 13.847/1994, 15.300/1998, 15.818/2000, 16.037/2000).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:E1219.2014