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VfGH vom 11.03.1998, b189/97

VfGH vom 11.03.1998, b189/97

Sammlungsnummer

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Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung von Teilen des § 33 und § 34 AlVG mit E v , G363/97 ua.

Die belangte Behörde hat jene Gesetzesbestimmungen angewendet, die ausländische Staatsangehörige (im Unterschied zu österreichischen Staatsbürgern) von der Möglichkeit des zeitlich unbegrenzten Bezuges der Notstandshilfe ausschließt und die vom Verfassungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis als verfassungswidrig aufgehoben wurden. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war. Die beschwerdeführenden Parteien wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10404/1985).

Spruch

Die beschwerdeführende Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihrer Rechtsvertreter die jeweils mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.Die drei Beschwerdeführer sind ausländische Staatsangehörige, die in Österreich viele Jahre unselbständig erwerbstätig und damit arbeitslosenversichert waren.

1. a) Der Beschwerdeführer zu B189/97 bezog vom bis und vom 3. Februar bis Notstandshilfe. Aufgrund eines (neuerlichen) Antrages vom wurde der Anspruch des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe anerkannt, wobei auf dem im Verwaltungsakt einliegenden "Zahlungs- und Verrechnungsblatt" als Beginn der und die Dauer von 364 Tagen vermerkt ist.

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste vom wurde der Bezug der Notstandshilfe für die Zeit vom 6. bis widerrufen, weil der Beschwerdeführer mit bereits durch 364 Tage (52 Wochen) Notstandshilfe bezogen habe.

Einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung blieb der Erfolg versagt: Die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (Ausschuß für Leistungsangelegenheiten) bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Nach § 34 Abs 3 Z 6 iVm Abs 4 AlVG könnten "Personen, die zwar nicht die österreichische Staatsbürgerschaft aber einen gültigen Befreiungsschein besitzen, nur für eine einmalige, zeitlich begrenzte Anspruchsdauer (nämlich insgesamt 52 Wochen) zum Bezug der Notstandshilfe zugelassen" werden.

b) Die Beschwerdeführerin zu B468/97, die mit geringen Unterbrechungen seit 1971 in Österreich berufstätig war, bezog aufgrund eines 1989 erlittenen Arbeitsunfalles zeitweise eine befristete Pension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit, zeitweise Arbeitslosengeld. Ab bezog die Beschwerdeführerin Notstandshilfe, wobei im Karteiblatt des Verwaltungsaktes das Ende des Bezugs mit vermerkt wurde. Ihr am eingebrachter Verlängerungsantrag wurde mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste vom abgelehnt.

Aufgrund einer Berufung bestätigte die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (Ausschuß für Leistungsangelegenheiten) mit Bescheid vom den erstinstanzlichen Bescheid. Eine der Voraussetzungen für den Bezug der Notstandshilfe sei die österreichische Staatsbürgerschaft des Arbeitslosen. Österreichischen Staatsbürgern seien im Besitz eines Befreiungsscheines befindliche Ausländer gleichzustellen, wobei diese jedoch höchstens für die Anspruchsdauer von 52 Wochen Notstandshilfe erhalten könnten.

c) Die Beschwerdeführerin zu B589/97 wiederum bezog nach Geburt ihres Kindes am zunächst Karenzurlaubsgeld und im Anschluß daran Sondernotstandshilfe. Diese wurde mit eingestellt, weil für das Kind ab eine Unterbringungsmöglichkeit bestand, sodaß die gemäß § 39 Abs 1 AlVG erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Sondernotstandshilfe nicht mehr gegeben seien.

Ihr am gestellter Antrag auf Gewährung von Notstandshilfe wurde abgewiesen, weil sie als ausländische Staatsangehörige mit Befreiungsschein gemäß § 34 Abs 4 Z 1 AlVG nach Erschöpfung des Anspruches auf Karenzurlaubsgeld nur zum Bezug von Sondernotstandshilfe gemäß § 39 oder von Notstandshilfe für ein Jahr berechtigt sei. "Ein Wechsel auf Notstandshilfe" sei "aufgrund der Einmaligkeitsbestimmung" nicht möglich.

Die mit Berufung angerufene Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (Ausschuß für Leistungsangelegenheiten) bestätigte mit Bescheid vom den erstinstanzlichen Bescheid: Nach dem Wortlaut des § 34 Abs 4 AlVG sei entweder der Bezug von Notstandshilfe oder von Sondernotstandshilfe möglich, ein Wechsel von einer Leistung zur anderen sei nicht vorgesehen. Da bereits Sondernotstandshilfe bezogen wurde, sei kein Anspruch auf Notstandshilfe gegeben.

2. Gegen diese Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien richten sich die auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit von Ausländern untereinander sowie eine Rechtsverletzung wegen Anwendung der für verfassungswidrig erachteten Bestimmungen der §§33 und 34 AlVG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der bekämpften Bescheide begehrt wird.

II.Aus Anlaß dieser Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen zu G363-365/97 protokollierte Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 33 Abs 2 lita sowie des § 34 Abs 2 bis 4 AlVG ein. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag hob er die in Prüfung genommenen Bestimmungen - mit Ausnahme des § 34 Abs 2 - als verfassungswidrig auf.

III.Die Beschwerden sind

begründet:

Die belangte Behörde hat jene Gesetzesbestimmungen angewendet, die ausländische Staatsangehörige (im Unterschied zu österreichischen Staatsbürgern) von der Möglichkeit des zeitlich unbegrenzten Bezuges der Notstandshilfe ausschließt und die vom Verfassungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis als verfassungswidrig aufgehoben wurden. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war. Die beschwerdeführenden Parteien wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10404/1985).

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

IV.Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von je S 3.000,-- enthalten.

Fundstelle(n):
EAAAE-12790