OGH vom 24.11.1993, 9ObS17/93
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag.Eva-Maria Sand und Anton Hartmann als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gabriele N*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Arbeitsamt Versicherungsdienste, Wien 4, Schwindgasse 5, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 99.200,01 S Insolvenzausfallgeld, infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 31 Rs 148/92-13, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 24 Cgs 716/91-6, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war vom bis - zuletzt als Angestellte - bei der H***** GmbH beschäftigt. Über das Vermögen der GmbH wurde am der Ausgleich eröffnet. Die Klägerin wurde mit Ermächtigung des Ausgleichsgerichtes (§§ 20 b, 20 c AO) am zum gekündigt. Nach dem Kollektivvertrag der Handelsangestellten Österreichs, der auf dieses Dienstverhältnis anzuwenden ist, durfte das Dienstverhältnis nur zum Quartal gekündigt werden. Am wurde über das Vermögen der GmbH der Anschlußkonkurs eröffnet. Am erklärte die Klägerin ihren vorzeitigen Austritt gemäß § 25 Abs 1 KO.
Mit Bescheid vom erkannte die beklagte Partei der Klägerin 141.847 S an Insolvenz-Ausfallgeld zu; mit Bescheid vom wies die beklagte Partei das Mehrbegehren der Klägerin von 99.200,01 S ab. Die Abweisung umfaßt im einzelnen das Entgelt für 14 restliche Überstunden von 1.669,72 S netto, Kündigungsentschädigung für den Zeitraum vom bis von 58.384,22 S netto, zwei weitere Monatsentgelte an Abfertigung von 36.826,07 S netto und in einem Prüfungsprozeß bezüglich dieser Ansprüche erwachsene Kosten von
2.320 S.
Die Klägerin begehrt die Zuerkennung dieser 99.200,01 S an Insolvenz-Ausfallgeld und brachte vor, daß sie ihren Anspruch auf § 20 d AO stütze. Durch § 25 KO würden die Arbeitnehmer gegenüber anderen Konkursgläubigern ohne sachliche Rechtfertigung schlechter gestellt, weil bei einer Lösung des Dienstverhältnisses durch den Masseverwalter nach § 25 Abs 1 KO ein Schadenersatzanspruch nicht zustehe.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, daß das Arbeitsverhältnis durch Austritt nach § 25 KO beendet worden sei, so daß die Bestimmung des § 20 d AO nicht anzuwenden sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 39.815,79 S statt und wies das Mehrbegehren von 59.384,22 S sA ab. Gemäß § 20 c Abs 2 AO könne der Arbeitgeber in einem Ausgleichsverfahren nach Einholung der Ermächtigung des Gerichtes das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Frist, jedoch ohne Beachtung der Kündigungstermine oder allfälliger vertraglich vereinbarter, für den Arbeitnehmer günstigerer Kündigungsbestimmungen lösen. Gemäß § 20 b AO sei die Ermächtigung zu einer derartigen Kündigung nur dann zu erteilen, wenn die weitere Erfüllung des Vertrages das Zustandekommen oder die Erfüllbarkeit des Ausgleichs oder die Fortführung des Unternehmens gefährden könne und diese Art der Auflösung dem Vertragsgegner keinen unverhältnismäßigen Schaden bringe. § 20 d AO sehe vor, daß dem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsvertrag gemäß § 20 b und c AO gelöst worden sei, ein Ersatzanspruch für den dadurch verursachten Schaden als Ausgleichsforderung zustehe. Da die Kündigung durch den Ausgleichsschuldner mit gerichtlicher Ermächtigung nicht rechtswidrig sei, werde damit nicht ein Schadenersatzanspruch im Sinne des § 29 AngG oder des § 1162 b ABGB normiert; § 20 d AO sei eine Zurechnungsvorschrift hinsichtlich des Schadens, der durch die rechtskonforme schnellere Lösung ohne Beachtung gesetzlicher Kündigungstermine oder für den Arbeitnehmer günstigerer vertraglicher Regelungen entstanden sei. Im vorliegenden Fall, in dem kein Austauschanspruch mehr bestehe, sei der Schaden mit der Differenz zwischen dem Wert der Leistung der Arbeitnehmerin und dem Entgeltanspruch zu bemessen. Was die laufenden Entgeltansprüche angehe, sei eine solche Differenz im Hinblick auf das Alter der Klägerin von ca 30 Jahren und die Höhe des beim Ausgleichsschuldner erzielten Entgeltes nicht anzunehmen. Dies gelte aber nicht für den geltend gemachten Abfertigungsanspruch. Infolge der früheren Lösung des Dienstverhältnisses habe die Klägerin eine Dienstzeit von 15 Jahren und damit eine um zwei Monatsentgelte erhöhte Abfertigung nicht mehr erreichen können. Dieser Ersatzanspruch sei bereits mit der Verkürzung der Dauer des Dienstverhältnisses durch die Kündigung gemäß §§ 20 b und c AO gegeben und dadurch bedingt, daß ein Abfertigungsanspruch tatsächlich entstehe, nicht aber dadurch, daß das Dienstverhältnis tatsächlich durch die Kündigung gemäß §§ 20 b und c AO beendet werde. Da das Dienstverhältnis nicht auf eine Art beendet worden sei, bei der kein Abfertigungsanspruch zustehe, werde der Ersatzanspruch der Klägerin weder durch die Konkurseröffnung noch durch den Austritt gemäß § 25 KO berührt. Die Verkürzung des Dienstverhältnisses sei nicht durch den Austritt nach § 25 KO, sondern durch die Kündigung nach §§ 20 b und c AO verursacht worden. Der Anschlußkonkurs könne aber nicht bewirken, daß im Rahmen des Ausgleichsverfahrens zulässigerweise getätigte Rechtsgeschäfte und daraus abgeleitete Ansprüche ihre Wirksamheit verlören. Der Klägerin sei daher Insolvenz-Ausfallgeld für die begehrte Abfertigungsdifferenz sowie für die darauf entfallenden Prozeßkosten von 1.320 S zuzubilligen.
Das Berufungsgericht gab nur der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens ab. Das Dienstverhältnis sei nicht durch die außerordentliche Kündigung durch die Ausgleichsschuldnerin, sondern erst im Anschlußkonkurs durch den Austritt der Klägerin nach § 25 KO gelöst worden. Die Frage, ob der Klägerin für die Verkürzung des Kündigungszeitraumes ein Schadenersatzanspruch zustehe, sei daher nicht nach der AO, sondern nach der KO zu lösen. § 25 KO gewähre dem gekündigten Arbeitnehmer im Gegensatz zu § 20 d AO jedoch keine Schadenersatzansprüche.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Wie der Oberste Gerichtshof in der einen gleichgelagerten Fall betreffenden Entscheidung vom , 9 Ob 901/90 (mit hier nicht relevanten Teilen veröffentlicht in ZAS 1990/23 [Fink] und ecolex 1990, 568 [Mazal]) ausgesprochen hat, kommt auch dann, wenn dem Austritt nach § 25 KO eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Ausgleichsverfahren nach § 20 b Abs 2 und § 20 c Abs 2 AO vorangegangen ist, durch welche die fiktive Dauer des Dienstverhältnisses und damit die Höhe der infolge des Austritts gebührenden Kündigungsentschädigung bestimmt wird, die Schadenersatzbestimmung des § 20 d AO nicht zur Anwendung. An dieser Auffassung hält der Oberste Gerichtshof ungeachtet der von der Revisionswerberin geäußerten Kritik fest. Mit der begünstigten Kündigung im Ausgleichsverfahren wurde - anders als mit dem Austritt - das Arbeitsverhältnis nicht beendet, sondern nur unter Aufrechterhaltung des Leistungsaustausches in das Auflösungsstadium versetzt; der Anspruch auf weiteres Arbeitsentgelt und auch auf den Ersatz nach § 20 d AO war daher grundsätzlich von der weiteren Erbringung der Arbeitsleistung im Rahmen des Synallagmas abhängig und nicht - wie die Revisionswerberin vermeint - bereits im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung entstanden. Durch den Austritt der Klägerin wurde dieses Austauschverhältnis mit Wirkung ex nunc vorzeitig beendet; dadurch entfiel die Arbeitspflicht der Klägerin für die restliche Dauer des bereits im Auflösungsstadium befindlichen Arbeitsverhältnisses. Die finanziellen Folgen dieser vorzeitigen Auflösung sind daher nicht nach der eine derartige Austrittsmöglichkeit nicht gewährenden AO, sondern nach der KO zu beurteilen.
Im Hinblick auf die Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens über die Verfassungsmäßigkeit des im vorliegenden Verfahren anzuwendenden § 25 KO idF der Novelle BGBl 370/1982 hat der Oberste Gerichtshof mit dem in diesem Verfahren ergangenen Beschluß vom den Antrag an den Verfassungsgerichtshof gestellt, diese Bestimmung als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit Erkenntnis vom , G 15,16/93-6, G 80/93-8 und G 96/93-8, hat der Verfassungsgerichtshof § 25 KO idF der Novelle BGBl 370/1982 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt und frühere Vorschriften nicht wieder in Wirksamkeit treten.
Mit dieser Entscheidung wurde nicht nur das außerordentliche Kündigungsrecht des Masseverwalters, sondern zufolge des engen Zusammenhanges auch das Austrittsrecht des Arbeitnehmers beseitigt. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG wirkt die Aufhebung dieser Bestimmung auf den vorliegenden Anlaßfall zurück. Es ist daher so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig aufgehobenen Normen bereits zur Zeit der Verwirklichung des der Klage zugrundeliegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätten (siehe insbesondere VfSlg 10.677/1985, sowie Walter-Mayer Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7 Rz 1170; vgl auch VfSlg 7.976/1977 und 10.900/1986). War aber die Klägerin - bei Anwendung der nunmehr bereinigten Rechtslage auf ihren Austritt und die daraus abgeleiteten austrittsabhängigen Ansprüche - gar nicht zum Austritt berechtigt, ist sie durch die Zuerkennung der bloß am außerordentlichen Kündigungsrecht des Masseverwalters orientierten Kündigungsentschädigung nicht beschwert.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 ASGG, zumal die Klägerin keinerlei Gründe für einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit darlegte.
Fundstelle(n):
EAAAE-12777