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OGH vom 02.07.2013, 13Os57/13a

OGH vom 02.07.2013, 13Os57/13a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kurzthaler als Schriftführer in der Strafsache gegen Stefan H***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 16 Hv 175/12a 84, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen (A und B), demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im Einziehungserkenntnis sowie der zugleich gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der diesbezüglichen Probezeit aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Stefan H***** jeweils mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG (A) und nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 3 SMG (B) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** gewerbsmäßig vorschriftswidrig Suchtgift

(A) vom Februar 2011 bis zum in mehreren Angriffen anderen überlassen, nämlich Mephedron sowie insgesamt rund 15 Gramm Kokain (mit einem Reinheitsgrad von ca 20 %), und

(B) vom Februar 2011 bis zum erworben und besessen, nämlich Cannabis, Mephedron, Speed und zumindest 65 Gramm Kokain.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 10, 10a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist im Recht.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) zeigt zutreffend auf, dass die angefochtene Entscheidung keine Feststellungen zur zeitlichen Komponente der Intention des Beschwerdeführers, sich durch wiederkehrende Delinquenz eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (dazu eingehend Jerabek in WK² StGB § 70 Rz 7), enthält, und solcherart insoweit den unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion gebotenen Sachverhaltsbezug (RIS Justiz RS0119090) nicht herstellt.

Weshalb auch in Bezug auf den Erwerb und den Besitz von Suchtgift (§ 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG) ein Schuldspruch wegen gewerbsmäßigen Handelns (§ 27 Abs 3 SMG) erfolgte (US 2), lässt sich dem bekämpften Urteil überhaupt nicht entnehmen. Ausschließlich auf Eigenkonsum gerichtete Absicht (vgl US 4) scheidet insoweit als Verurteilungsbasis aus (hiezu eingehend Schwaighofer in WK² SMG § 27 Rz 64).

In Ansehung dieser Defizite war auf die Mängelrüge (Z 5), welche die Begründung der wie dargelegt gar nicht hinreichend getroffenen Konstatierungen zur Qualifikationsnorm des § 27 Abs 3 SMG bekämpft, nicht einzugehen.

Aufgrund der mit Blick auf den aufgezeigten Rechtsfehler unumgänglichen Aufhebung des angefochtenen Urteils in der Subsumtion nach § 27 Abs 3 SMG waren im Sinn des § 289 StPO die Schuldsprüche (A und B) in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort (§ 285e StPO) zur Gänze zu beheben, um für den nächsten Rechtsgang die Möglichkeit einer allenfalls gebotenen Diversion (§§ 35, 37 SMG) zu eröffnen (RIS Justiz RS0119278).

Dabei war mit Verweisung an den Einzelrichter des Landesgerichts vorzugehen, weil die nach dem rechtskräftigen Teilfreispruch (US 3) verbleibenden Anklagevorwürfe in dessen Zuständigkeit (§ 31 Abs 4 Z 1 StPO) ressortieren (RIS Justiz RS0100271).

Trotz der daraus resultierenden Aufhebung des Strafausspruchs sei zwecks Vermeidung weiterer Fehler im (nunmehr bereits) dritten Rechtsgang auf die Argumentation der Sanktionsrüge (Z 11, nominell verfehlt auch Z 10a) eingegangen:

Die Prämisse des Einwands eines gegebenenfalls aus Z 11 dritter Fall relevanten (RIS Justiz RS0099980) Verstoßes gegen das Verbot der reformatio in peius (hier § 293 Abs 3 StPO iVm § 290 Abs 2 StPO), wonach im ersten Rechtsgang die privilegierende Norm des § 28a Abs 3 SMG (bzw des § 27 Abs 2 SMG oder des § 27 Abs 5 SMG) zur Anwendung gelangt sei, trifft nicht zu (siehe ON 72 S 2).

Selbst wenn man (hypothetisch) von dieser Prämisse ausginge, würde aber § 293 Abs 3 StPO der Beschwerde zuwider einer Verurteilung ohne Anwendung der bezughabenden Privilegierungsnorm nicht entgegenstehen, weil das in § 290 Abs 2 StPO normierte Verschlechterungsverbot nach ständiger Judikatur und herrschender Lehre nur für den Sanktionsbereich gilt (SSt 56/79, RIS Justiz RS0100565; Ratz , WK StPO § 290 Rz 31 mwN).

Da auch § 16 StPO in der (geltenden) Fassung des StPRG BGBl I 2004/19 (soweit hier von Interesse) ausdrücklich genau dies aussagt (arg „in der Straffrage“), geht der Verweis auf die ursprünglichen Gesetzesmaterialien zu dieser in der Regierungsvorlage weiter als entsprechend dem Justizausschussbericht (406 BlgNR 22. GP 13) gefassten Bestimmung (EBRV 25 BlgNR 22. GP 39) die insoweit im Übrigen nicht zwischen der Tat als historischem Ereignis und der strafbaren Handlung als normativer Kategorie unterscheiden (hiezu Ratz in WK² StGB Vorbem §§ 28 bis 31 Rz 1) und sich mit der angeführten (einhelligen) Judikatur und Lehrmeinung nicht auseinandersetzen ins Leere.

Mit seiner Berufung und seiner gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtenden Beschwerde war der Angeklagte auf die Aufhebung des Sanktionsausspruchs und des zugleich mit dem Urteil gefassten Beschlusses auf (Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und) Verlängerung der (diesbezüglichen) Probezeit zu verweisen.