OGH vom 03.09.2019, 14Os79/19b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Leitner in der Strafsache gegen Johannes M***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 15, 75 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom , GZ 36 Hv 26/19d-73, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Johannes M***** der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (1./), des Verbrechens des Mordes nach § 15, 75 StGB (2./) und „des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB und Abs 5 Z 1 StGB“ (3./, vgl aber RIS-Justiz RS0132358 [insb T 1]) schuldig erkannt.
Danach hat er in A*****
1./ zwischen 10. und Robbie R***** mehrfach durch die wiederholten Ankündigungen, wonach er ihn mit einem Messer töten werde („Ich stech dich ab, i schlitz dir die Kehle auf und deine Mutter soll dir zuschauen wie du verreckst, i schlitz dir die Kehle auf“), gefährlich mit dem Tod bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen;
2./ am Robbie R***** vorsätzlich zu töten versucht, indem er ihm ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von 9 cm von hinten in die rechte Seite des Halses stach, wodurch der Genannte eine Stichverletzung an der rechten Halsseite mit Verletzung des Schildknorpels und eines Arterienastes der Schilddrüse mit Einblutung und Weichteilschwellung am Hals bei notwendiger Intubation und künstlicher Beatmung erlitt;
3./ am Nico H***** auf eine Weise, mit der Lebensgefahr verbunden ist, am Körper verletzt, indem er ihm unmittelbar nach der zu 2./ genannten Tathandlung das Klappmesser mit erheblicher Wucht in das Gesicht und in die rechte Brustkorbhälfte stach, wobei die Tat einen Bruststich mit Einstich im rechten vorderen oberen Brustkorbquadranten, einen Durchstich der dritten Rippe mit Anstich des rechten Lungenoberlappens mit Blut- und Gasaustritt in den Brustraum und einen Durchstich der Oberlippe mit Ausbrechen eines Eckzahns der rechten Oberkieferhälfte sowie eine Stich- und Schnittverletzung an der Außenseite des rechten Unterarms, „mithin eine an sich schwere und konkret lebensgefährliche Verletzung, die mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit verbunden war“, zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus § 345 Abs 1 Z 5 und 6 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Indem die Verfahrensrüge (Z 5) die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags, eine Zusatzfrage „wegen dem Strafausschließungsgrund gemäß § 313 StPO“ an die Geschworenen zu richten, releviert, geht sie schon im Ansatz fehl, weil Mängel der Fragestellung auch dann nur aus Z 6 geltend gemacht werden können, wenn ein darauf bezogener Antrag eines Beteiligten vom Schwurgerichtshof abgewiesen worden ist (RIS-Justiz RS0101012).
Unter Berufung auf Widersprüche in der Verantwortung des Angeklagten, auf dessen Erkrankung Bezug nehmende Passagen des Gutachtens der psychiatrischen Sachverständigen und auf Teile näher bezeichneter Zeugenaussagen reklamiert die Fragenrüge (Z 6) die Stellung von Zusatzfragen nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) zur Hauptfrage 2 (Schuldspruch 2./) und (gemeint:) zur Eventualfrage 4 (Schuldspruch 3./).
Gesetzeskonforme Ausführung einer solchen verlangt vom Beschwerdeführer die deutliche und bestimmte Bezeichnung einerseits der vermissten Fragen, andererseits jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der § 312 ff StPO abstellen, vorliegend somit eines die begehrten Zusatzfragen indizierenden Tatsachensubstrats (RIS-Justiz RS0117447; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23). Beruft sich die Rüge dabei auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweisergebnisse (wie hier auf die Verantwortung des Angeklagten und auf ein Sachverständigengutachten), darf der Nachweis der Nichtigkeit nicht auf Grundlage isoliert herausgegriffener Teile derselben geführt werden, sondern ist das jeweilige Verfahrensergebnis in seiner Gesamtheit zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0120766).
Diesen Kriterien wird die Beschwerde nicht gerecht, vernachlässigt sie doch, dass die psychiatrische Sachverständige das Vorliegen eines dem § 11 StGB entsprechenden Zustands aus medizinischer Sicht begründet verneinte (ON 44 S 26 ff), sodass mit der bloßen Bezugnahme auf einzelne Sätze aus dem Gutachten kein Sachverhaltssubstrat genannt wird, welches indizieren könnte, der Angeklagte sei zu den Tatzeitpunkten aufgrund einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades unfähig gewesen, das Unrecht seiner Taten einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Mit dem Vorbringen, einzelne
– isoliert und aus dem Zusammenhang gerissen zitierte – Teile der Verantwortung des Beschwerdeführers seien „äußerst widersprüchlich“, was auf eine „mögliche Zurechnungsunfähigkeit“ hindeute, werden solche Verfahrensergebnisse nach den Kriterien logischen Denkens und
grundlegenden Erfahrungen ebenfalls nicht aufgezeigt (RIS-Justiz RS0119417, RS0100527; Lässig, WK-StPO § 313 Rz 8). Selbiges gilt auch für aus dem Kontext
gelöst wiedergegebene Zeugenaussagen über die Angaben des Angeklagten nach den Taten.
Die weiteren Ausführungen, wonach die Depositionen der Zeugen über Wahrnehmungen zum psychischen Zustand des Angeklagten hinreichende Indizien für die Stellung einer Zusatzfrage begründet hätten, werden den Voraussetzungen prozessordnungsgemäßer Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes gleichfalls nicht gerecht.
Kein Gegenstand des Zeugenbeweises sind nämlich subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen, Schlussfolgerungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge (RIS-Justiz RS0097540). Schon deshalb stellen (bloße) Einschätzungen der Zeugen (beispielsweise darüber, dass der Angeklagte „wirres Zeug“ gesprochen habe, „irgendwie benebelt gewesen wäre“, etwas „ganz apathisch“ gesagt habe sowie „einen komischen Eindruck gemacht“ und „damals die Folgen seiner Tat nicht realisiert“ habe) keine in der Hauptverhandlung vorgekommenen erheblichen Tatsachen dar (vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 42).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00079.19B.0903.000 |
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