TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 25.11.2016, 8ObS8/16h

OGH vom 25.11.2016, 8ObS8/16h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und den Hofrat Dr. Brenn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Dr. Peter Schnöller in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M***** E*****, gegen die beklagte Partei IEF Service GmbH, Geschäftsstelle Linz, 4020 Linz, Gruberstraße 63, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17–19, wegen 8.695 EUR sA (Insolvenz Entgelt), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 5/16h 14, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 11 Cgs 72/15s 10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruchpunkt 2. der erstinstanzlichen Entscheidung zu lauten hat:

„ 2. Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Insolvenz-Entgelt für Beiträge gemäß § 6 BMSVG aus dem vom bis bestandenen Dienstverhältnis zur A***** GmbH bzw T***** GmbH besteht für die Zeit vom bis nach Maßgabe der §§ 13d iVm 13a IESG zu Recht. “

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war ab als kaufmännische Angestellte bei der späteren Gemeinschuldnerin beschäftigt. Ihr Dienstverhältnis endete durch berechtigten vorzeitigen Austritt am , nachdem am das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Dienstgeberin eröffnet worden war.

Die Klägerin begehrte zunächst die mit Bescheid der beklagten Partei abgelehnte Zahlung von Insolvenz Entgelt für Beiträge zur Mitarbeitervorsorgekasse vom bis zuzüglich Zinsen in Höhe des Klagsbetrags. Sie mache einen Schadenersatzanspruch iSd § 1 Abs 2 IESG geltend, weil die Dienstgeberin bis gesetzwidrig keine Beiträge zu einer Mitarbeitervorsorgekasse für sie bezahlt habe.

In der mündlichen Streitverhandlung dehnte sie ihr Begehren um die Eventualfeststellung aus, dass ihr Anspruch auf Insolvenz-Entgelt für Beiträge zur Mitarbeitervorsorgekasse vom bis in Höhe von 6.620,70 EUR nach Maßgabe der §§ 13d und 13a IESG zu Recht bestehe.

Die beklagte Partei stellte die Nichtzahlung der Beiträge durch die Dienstgeberin einschließlich der Höhe des im Eventualbegehren genannten Betrags außer Streit. Der Klägerin stehe jedoch kein Anspruch auf Auszahlung von Beiträgen zur Mitarbeitervorsorgekasse zu. Für das Eventualbegehren sei mangels sukzessiver Kompetenz des Arbeits und Sozialgerichts der Rechtsweg unzulässig. Ein Schaden sei der Klägerin nicht entstanden.

Das Erstgericht wies das Zahlungsbegehren ab und gab dem Eventualbegehren der Klägerin statt. Ein Auszahlungsanspruch der Klägerin bestehe nicht, die Beklagte sei aber verpflichtet, das Insolvenz-Entgelt für die nicht entrichteten Beiträge im Verwaltungsweg an den zuständigen Sozialversicherungsträger weiterzuleiten. Dem Feststellungsbegehren stünden die Regeln über die sukzessive Kompetenz nicht entgegen.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten keine Folge und bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung mit der Maßgabe, dass es dem Spruch eine durch Weglassen des Forderungsbetrags und des Beitragszeitraums verdeutlichte Fassung gab. Der Oberste Gerichtshof habe in seiner Entscheidung 8 ObS 5/09g die Rechtswegzulässigkeit für ein Feststellungsbegehren des Arbeitnehmers in einem vergleichbaren Sachverhalt bejaht. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen den im gerichtlichen Verfahren und den im vom Sozialversicherungsträger bzw zwischen diesem und dem Insolvenz Entgeltfonds abzuführenden Verfahren zu behandelnden Themen fehlten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei, mit der sie die Abweisung auch des Eventualbegehrens anstrebt. Die Klägerin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts einer klarstellenden Präzisierung bedarf, sie ist im Übrigen aber nicht berechtigt.

1. Beide Vorinstanzen haben in ihren Entscheidungen die Zulässigkeit des Rechtswegs für das Eventualbegehren im Sinne der sukzessiven Kompetenz bejaht. Dem Obersten Gerichtshof ist deshalb eine neuerliche Behandlung dieser Frage im Anlassfall verwehrt (RIS Justiz RS0042925 [T10]; RS0043405), selbst wenn die vorgebrachten Argumente Anlass für eine eingehendere inhaltliche Auseinandersetzung geboten hätten.

2. Die Revision vertritt weiterhin den Standpunkt, der Klägerin fehle ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, weil ohnehin unstrittig sei, dass die Beklagte nach Maßgabe der §§ 13a und 13d IESG für den Zeitraum von zwei Jahren vor der Insolvenzeröffnung Beiträge an den zuständigen Sozialversicherungsträger abzuführen haben werde. Dieser Einwand ist nicht berechtigt.

Das rechtliche Interesse an einer begehrten Feststellung muss aus Sicht der klagenden Partei geprüft werden; ob ein hinreichendes rechtliches Interesse zu bejahen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS Justiz RS0039177 [T1]).

Gemäß § 13a Abs 1 IESG umfasst der „Anspruch des Anspruchsberechtigten“ auch die auf den Dienstnehmer entfallenden Beitragsanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung. Nach § 13d Abs 1 IESG gilt § 13a leg cit für die vom Arbeitgeber zu leistenden Beiträge gemäß § 6 BMSVG oder gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Dienstnehmerbeitragsanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung die BV Kassenbeiträge treten.

Die §§ 3 Abs 1, 13a, 13d Abs 1 IESG räumen dem Arbeitnehmer in einem bestimmten Bereich einen Anspruch auf Insolvenz Entgelt ein, aber weder einen (direkten) Zahlungsanspruch (vgl 8 ObS 5/09g), noch eine Parteistellung im Verwaltungsverfahren zwischen den Versicherungsträgern. Das rechtliche Interesse der Klägerin ergibt sich aus dem Umstand, dass im vorliegenden Verfahren zwar nicht dem Grunde nach eine Leistungspflicht der Beklagten strittig war, wohl aber der konkrete Leistungszeitraum; diese Frage kann zwischen den Streitteilen nur durch eine Feststellung geklärt werden. Die getroffene Feststellung beschränkt sich auch nicht auf eine bloße Wiedergabe der Rechtslage, sondern bezieht sich auf einen individuell konkreten Anspruch.

3. Den Revisionsausführungen ist beizupflichten, dass ein Rechtsverhältnis oder Recht, das durch eine gerichtliche Entscheidung festgestellt werden soll, in einem Rechtsbereich seinen Ursprung haben muss, der dem Privatrecht im weitesten Sinne zugeordnet ist. Dies trifft auf die Beiträge nach dem BMSVG nach § 13d iVm § 13a IESG aber zu, weil es sich nach der genannten gesetzlichen Definition um einen Anspruch des „Anspruchsberechtigten“ iSd § 1 Abs 1 IESG handelt und Streitigkeiten über Ansprüche auf Insolvenz-Entgelt nach § 10 IESG ausdrücklich den Arbeits und Sozialgerichten zugewiesen sind. Aus dieser Gesetzesstelle ergibt sich auch die von der Revision bezweifelte Passivlegitimation der beklagten Partei.

4. Zu Recht weist die Revision aber auf die Notwendigkeit einer Verdeutlichung der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellung bezüglich des Leistungszeitraums hin.

Die nach § 13a Abs 2 IESG gesicherten Beitragsanteile umfassen zwar nicht nur offene Rückstände, sondern auch laufende Beitragsanteile, die auf die gesicherten (sonstigen) Ansprüche nach § 1 Abs 2 IESG entfallen. Die Klägerin hat ihr Feststellungsbegehren allerdings auf den Zeitraum bis zum beschränkt, sodass einer darüber hinaus reichenden Feststellung die Bestimmung des § 405 ZPO entgegensteht. Der im vorliegenden Verfahren festzustellende Anspruchszeitraum beginnt unter Berücksichtigung des Datums der Insolvenzeröffnung nach §§ 13a Abs 2 IESG am und endet mit . Dementsprechend war zur Klarstellung der Rechtslage der Spruch des Berufungsgerichts neu zu fassen.

Eine Kostenentscheidung entfällt, da sich die Klägerin am Revisionsverfahren nicht beteiligt hat (§ 77 Abs 1 ASGG).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:008OBS00008.16H.1125.000