OGH vom 24.01.2017, 14Os78/16a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Oeljeschläger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jose B***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 1 und 3 SMG, § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Jose B*****, Sergio S*****, Griselda C*****, Dileni A***** und Juan P***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom , GZ 20 Hv 48/15g-661, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Griselda C***** und Juan P***** und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A./ bis F./, demgemäß in allen Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnungen) sowie in den Aussprüchen über den Verfall und über die privatrechtlichen Ansprüche aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Linz verwiesen.
Mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden werden die Angeklagten Jose B*****, Sergio S***** und Dileni A***** ebenso wie sämtliche Angeklagten und die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthaltenden Urteil wurden Jose B***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 1 und 3 SMG, § 12 dritter Fall und § 15 StGB (A./), der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 15 StGB, § 28 Abs 1 erster Fall, Abs 2 und 3 SMG (B./), des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 1 SMG (D./), der Aussetzung nach § 82 Abs 1 StGB (E./) und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 StGB (F./), Sergio S***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall und § 15 StGB (A./), der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 15 StGB, § 28 Abs 1 erster Fall, Abs 2 und 3 SMG (B./), des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (D./), der Aussetzung nach § 82 Abs 1 StGB (E./) und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 StGB (F./), Griselda C***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall und § 15 StGB (C./) und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 StGB (F./), Dileni A***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall und § 15 StGB (C./) und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 StGB (F./), sowie Juan P***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall und § 15 StGB (A./) und des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (D./) schuldig erkannt.
Danach haben in L***** und andernorts
A./Jose B***** und Sergio S***** teils als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB [A./I./ und II./] und Juan P***** als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung aus- und eingeführt, wobei Jose B***** die Tat gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt wurde, indem
I./ Jose B***** und Sergio S***** über Auftrag des Juan P***** am Rafael Ru*****, der vorschriftswidrig 133 „Bodypacks“ Kokaingemisch (Gesamtgewicht 1.321,2 Gramm) mit einem Reinheitsgehalt von 51,8 %, sohin 684,38 Gramm reines Kokain in seinem Körper versteckt aus der Dominikanischen Republik aus- und nach Deutschland ein- sowie aus Deutschland aus- und nach Österreich eingeführt hat, mit dem Pkw des Sergio S***** in Wien abholten und zur Ausscheidung des Kokains nach L***** in die Wohnung der Griselda C***** brachten;
II./ Jose B***** und Sergio S***** über Auftrag des Juan P***** am Miguel Pa*****, der vorschriftswidrig 87 „Bodypacks“ Kokain (Gesamtgewicht 791,7 Gramm) mit einem Reinheitsgehalt von 49,04 %, sohin 388,3 Gramm reines Kokaingemisch in seinem Körper versteckt aus der Dominikanischen Republik aus- und nach Deutschland eingeführt hat sowie aus Deutschland aus- und nach Österreich einzuführen versuchte, wobei er in München festgenommen wurde, mit dem Pkw des Sergio S***** in Wien abholen und zur Ausscheidung des Kokains nach L***** bringen wollten;
III./ Jose B***** und Sergio S***** am Rafael Ru*****, der (noch) 121 „Bodypacks“ Kokaingemisch (Gesamtgewicht 1.201,2 Gramm) mit einem Reinheitsgehalt von 51,8 %, sohin 622,2 Gramm reines Kokain in seinem Körper versteckt hatte, mit dem Pkw des Sergio S***** von L***** über die Grenze nach Vyssi Brod/Tschechien brachten;
B./Jose B***** und Sergio S***** als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, zu erwerben versucht, indem sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Griselda C***** und Dileni A***** versuchten, die im Körper des Rafael Ru***** versteckten 133 „Bodypacks“ Kokaingemisch (Gesamtgewicht 1.321,2 Gramm) mit einem Reinheitsgehalt von 51,8 %, sohin 684,38 Gramm reines Kokain „abzüglich der von Rafael Ru***** ausgeschiedenen 12 ‘Bodypacks‘ mit 120 Gramm Kokaingemisch“ mit einem Reinheitsgehalt von 51,8 % (62,16 Gramm reines Kokain) zwecks gewinnbringenden Verkaufs durch Verabreichung diverser Mittel und durch die zu F./ beschriebenen Handlungen aus dessen Körper zu bekommen;
C./ Griselda C***** und Dileni A***** als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB und Griselda C***** darüber hinaus als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen und zu überlassen versucht, indem sie gemeinsam mit JoseB***** und Sergio S***** den Rafael Ru***** durch Verabreichung diverser Mittel und den zu F./ beschriebenen Handlungen, Griselda C***** auch durch Zurverfügungstellung ihrer Wohnung, bei der Ausscheidung des Kokains unterstützten, somit zur Überlassung von 133 ‚Bodypacks‘ Kokaingemisch (Gesamtgewicht 1.321,2 Gramm) mit einem Reinheitsgehalt von 51,8 %, sohin 684,38 Gramm reines Kokain an Jose B***** und Sergio S***** beitrugen, wobei die Tat zufolge Ausscheidung und Übergabe von lediglich 12 ‚Bodypacks‘ mit 120 Gramm Kokaingemisch und einem Reinheitsgehalt von 51,8 % (62,16 Gramm reines Kokain) überwiegend beim Versuch blieb;
D./ Jose B***** und Sergio S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken sowie Juan P***** als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig und gewerbsmäßig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen gewinnbringend überlassen, wobei Jose B***** schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt wurde, und zwar
Jose B***** und Sergio S*****
1./ im Dezember 2014 in G***** Pedro R***** fünf von Rafael Ru***** erbrochene ‚Bodypacks‘ mit 50 Gramm Kokaingemisch und einem Reinheitsgehalt von 51,8 %, sohin 25,9 Gramm reines Kokain;
2./ im Dezember 2014 in L***** nicht näher bekannten Abnehmern sieben von Rafael Ru***** erbrochene ‚Bodypacks‘ mit 70 Gramm Kokaingemisch und einem Reinheitsgehalt von 51,8 %, sohin 36,26 Gramm reines Kokain, zum Grammpreis von 48 Euro;
3./ im Sommer 2014 in L***** Jose P***** 208 Gramm Kokaingemisch mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 30 %, sohin 62,4 Gramm reines Kokain, um 10.000 Euro;
4./ im Sommer 2014 in L***** Julio M***** rund 60 bis 80 Gramm Kokaingemisch mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 30 %, sohin 18 bis 24 Gramm reines Kokain, um 3.000 bis 4.000 Euro;
5./ im Herbst 2014 Gabriel Po***** in zwei Angriffen rund drei Gramm Kokaingemisch mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 30 %, sohin 0,9 Gramm reines Kokain, um 240 Euro;
6./ im Juli 2014 unbekannten Abnehmern zehn ‚Kokain-Kugeln‘ (insgesamt 80 Gramm Kokaingemisch) mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 30 %, sohin 24 Gramm reines Kokain;
7./ im August 2014 in L***** einem unbekannten Abnehmer fünf ‚Kokain-Kugeln‘ (insgesamt 40 Gramm Kokaingemisch) mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 30 %, sohin 12 Gramm reines Kokain;
8./ Juan P***** im Juli 2014 in L***** Jose B***** zehn ‚Kokain-Kugeln‘ (insgesamt 80 Gramm Kokaingemisch) mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 30 %, sohin 24 Gramm reines Kokain, und 50 bis 100 Gramm Kokaingemisch mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 30 %, sohin 15 bis 30 Gramm reines Kokain;
E./Jose B***** und Sergio S***** am das Leben des Rafael Ru***** dadurch gefährdet, dass sie ihn in eine hilflose Lage brachten und in dieser Lage im Stich ließen, indem sie den bereits durch den Transport von 133 ‚Bodypacks‘ Kokaingemisch (Gesamtgewicht 1.321,2 Gramm) und die zu F./ beschriebenen Versuche, das Suchtgift aus seinem Körper zu bekommen, äußerst geschwächten und hilflosen Rafael Ru***** mit dem Auto von L***** nach Tschechien brachten, ihn in Vyssi Brod „aus dem Auto warfen“ und ihn dort sich selbst überließen;
F./ Jose B*****, Sergio S*****, Griselda C***** und Dileni A***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken von 5. bis Rafael Ru***** widerrechtlich gefangen gehalten oder ihm auf eine andere Weise die persönliche Freiheit entzogen, indem sie ihn ständig bewachten und nicht aus der Wohnung der Griselda C***** ließen, er diese nur kurz unter Bewachung verlassen durfte, obwohl er „darum bettelte, in ein Krankenhaus zu dürfen“, und indem er sich in der Wohnung nicht frei bewegen durfte, wobei sie die Freiheitsentziehung auf solche Weise, dass sie dem Festgehaltenen besondere Qualen bereitete, und unter solchen Umständen begingen, dass sie für ihn mit besonders schweren Nachteilen verbunden war, indem sie
- Rafael Ru*****, der vom Schlucken der 133 ‚Bodypacks‘ Kokaingemisch, der Anreise nach Österreich, und weil er keine Nahrung oder Flüssigkeit zu sich nehmen durfte, geschwächt war, an starken Bauchschmerzen litt, Probleme mit dem Gehen und Fieber hatte, sohin wegen einer Krankheit wehrlos war, massive körperliche und seelische Qualen zufügten;
- ihn mehr als zwei Tage unter anderem durch Verabreichung von Medikamenten und Abführmittel malträtierten, Griselda C***** seinen Magen fest drückte, ihre Finger in die Öffnung seiner Bauchdecke steckte und nach den Kokaineiern tastete sowie seinen Magen massierte, was für diesen äußerst schmerzhaft war, sodass er das Bewusstsein verlor;
- Griselda C***** ihm eine Pinzette gab, damit er diese in den künstlichen Darmausgang einführen und versuchen konnte, die Kokaineier aus sich heraus zu bringen, wodurch Rafael Ru***** fürchterliche Schmerzen erlitt und schrie, sie dennoch nicht von ihm abließ und ihren Finger in den künstlichen Darmausgang hineinsteckte;
- sie ihn ins Bad brachten und Jose B***** sowie Sergio S***** ihn auszogen, in die Badewanne legten und ihn anwiesen, er solle selbst mit dem kleinen Finger probieren, ob er Kokain herausbekomme, eine unbekannte Frau ihn „untersuchte“, er von Sergio S***** bewacht wurde und sich nicht frei bewegen durfte;
- er wiederholt diverse Mittel wie Medikamente, Sauermilch oder schwarzen Kaffee eingeflößt bekam, Dileni A***** Griselda C***** um abführende Mittel in die Apotheke schickte und über Auftrag des Jose B***** auch selbst Medikamente und Abführmittel aus der Apotheke holte, sie Rafael Ru***** mit Nagellackentferner wieder „munter machte“, als er bewusstlos wurde;
- sie planten, die Drogen mit einer Sonde aus dem künstlichen Darmausgang zu bekommen und sie Rafael Ru***** fragten, ob er damit einverstanden wäre, Jose B*****ihm – als er wegzulaufen versuchte – die Geldbörse wegnahm und ihn zurückhielt, ihn Dileni A***** fragte, ob er wolle, dass Sergio S***** ihn töte, und indem sie ihn sodann unter Vorgabe, ihn in ein Krankenhaus zu bringen, nach Tschechien führten, wobei sie es während des gesamten Zeitraums unterließen, trotz des lebensbedrohlichen Zustands des Rafael Ru***** für adäquate ärztliche Hilfe zu sorgen und ihn in ein Krankenhaus zu bringen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Jose B***** (§ 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO), Sergio S***** (§ 281 Abs 1 Z 2, 3, 4, 5a und 9 lit a StPO), Griselda C***** (§ 281 Abs 1 Z 1, 3, 4, 5 und 11 StPO), Dileni A***** (§ 281 Abs 1 Z 2, 3, 4 und 5 StPO) sowie Juan P***** (§ 281 Abs 1 Z 1, 2, 3 und 4 StPO).
Zutreffend machen die Angeklagten Griselda C***** und Juan P***** eine nicht gehörige Besetzung des Schöffengerichts geltend (Z 1 erster Fall).
Das Landesgericht als Schöffengericht besteht – ausgenommen die (hier nicht relevanten) Fälle des § 32 Abs 1a und Abs 1b zweiter Satz StPO – aus einem Richter und zwei Schöffen (vgl § 32 Abs 1 dritter Satz StPO). Das in § 281 Abs 1 Z 1 StPO angesprochene Schöffengericht ist daher nur vorhanden, wenn es in dieser Zusammensetzung von Berufs- und Laienrichtern handelt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 35).
Ist zu erwarten, dass die Hauptverhandlung von längerer Dauer sein wird, so ist für den Fall der Verhinderung eines Schöffen die erforderliche Anzahl von Ersatzschöffen nach der in der Dienstliste (§§ 13 und 14 GSchG) zu bestimmenden Reihenfolge zu laden (§ 221 Abs 4 erster Satz StPO). Daraus folgt, dass einerseits bereits vor Beginn der Hauptverhandlung klargestellt sein muss, welcher Laienrichter als Schöffe und welcher als Ersatzschöffe an der Verhandlung teilnimmt, und dass andererseits nur im Fall einer (später eintretenden) Verhinderung eines Schöffen ein Ersatzschöffe (in der Reihenfolge der Dienstliste) die Stelle des verhinderten Laienrichters im Spruchkörper einnehmen darf (vgl 11 Os 32/83 = EvBl 1984/94 = SSt 54/51).
Unter Bedachtnahme auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) und das Grundrecht auf ein faires Verfahren (Art 6 MRK) ist demnach das Schöffengericht jedenfalls dann nicht gehörig besetzt iSd § 281 Abs 1 Z 1 StPO, wenn der Spruchkörper nicht die gesetzlich bestimmte Zahl an (Berufs- und) Laienrichtern aufweist, wenn nicht klargestellt ist, wer dem erkennenden Gericht angehört, somit insbesondere wer als (Haupt-)Schöffe und wer bloß als Ersatzschöffe an der Verhandlung teilnimmt, oder wenn – ohne dass ein Fall der Verhinderung iSd § 221 Abs 4 erster Satz StPO vorliegt, somit ohne dass ein tatsächlicher oder rechtlicher Umstand gegeben ist, der den Schöffen an der weiteren Ausübung seiner richterlichen Funktion hindert (siehe auch § 16 Abs 1 GSchG, § 46 StPO) – willkürlich (das heißt: in sachlich nicht vertretbarer Weise) ein Ersatzschöffe an Stelle eines dem Spruchkörper angehörenden Schöffen beigezogen wird (vgl RIS-Justiz RS0119769, RS0100849 [T2]; [neuerlich] 11 Os 32/83 = EvBl 1984/94 = SSt 54/51, 9 Os 181/85, 11 Os 141/90; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 94 f, 98).
Im vorliegenden Fall nahmen zu Beginn der Hauptverhandlung am Christian H***** und Caslav Z***** als (Haupt-)Schöffen (vgl die Bezeichnung „HS“ im Verhandlungsprotokoll ON 494 S 1), Harald K***** und Barbara St***** als Ersatzschöffen (vgl die Bezeichnung „ES“ im genannten Protokoll) teil. Infolge Verhinderung des Schöffen Christian H***** (siehe den Aktenvermerk vom , ON 1 S 112) nahmen an den nächsten Hauptverhandlungsterminen am 17. November und sowie am 11. Februar und – gemäß den den Beteiligten jeweils nach den Verhandlungsterminen zugestellten (ON 1 S 118, 127, 163 und 179) Protokollteilen-Caslav Z***** und Harald K***** als Hauptschöffen („HS“) teil, wobei das Schöffengericht in dieser Zusammensetzung auch über mehrere in der Hauptverhandlung gestellte Anträge entschieden hat, während Barbara St***** (nach wie vor) als Ersatzschöffin („ES“) fungierte (ON 519, 536, 614 und 643). Nach dem Ergebnis der gemäß § 285f StPO eingeholten Aufklärung waren auch am letzten Verhandlungstag (ON 660) Caslav Z*****, Harald K***** und Barbara St***** in der Hauptverhandlung anwesend, nach Schluss der Verhandlung entließ die Vorsitzende im Beratungszimmer („sodass die anderen Verfahrensbeteiligten tatsächlich keine Kenntnis davon hatten“) „aufgrund der Reihenfolge in der Dienstliste“ den Schöffen Harald K***** und zog Barbara St***** zur Urteilsfällung bei (vgl die Stellungnahme der Vorsitzenden vom sowie das im Nachhinein entsprechend der Besetzung bei der Urteilsfällung ausgefertigte Hauptverhandlungs-
(teil-)protokoll vom [ON 660 S 1 und 21]).
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ersatzschöffin Barbara St***** nach der Dienstliste vor Harald K***** gereiht war, wurde doch Letztgenannter (auch im Fall eines Irrtums über die Reihenfolge nicht willkürlich [vgl RIS-Justiz RS0121700]) in der Hauptverhandlung seit anstelle des verhinderten Schöffen Christian H***** beigezogen und war somit – auch nach dem äußeren Anschein – bis zum Schluss der Verhandlung (§ 257 StPO) Teil des Spruchkörpers iSd § 32 Abs 1 dritter Satz StPO. Ein Austausch des (nunmehrigen) Schöffen Harald K***** hätte daher nur im Fall seiner Verhinderung erfolgen dürfen, womit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) folgend jede (mögliche) Beeinflussung des Abstimmungsergebnisses durch sachlich nicht gerechtfertigten Ersatz eines Laienrichters vorgebeugt wird. Da aber kein tatsächlicher oder rechtlicher Umstand gegeben war, der den Schöffen Harald K***** an der weiteren Ausübung seiner richterlichen Funktion gehindert hätte, die angestrebte nachträgliche Einhaltung der Reihenfolge der Dienstliste der Schöffen (erst nach Schluss der Verhandlung) einen solchen jedenfalls nicht darstellt, sondern der Austausch des Laienrichters sachlich nicht vertretbar (somit willkürlich) war und – bei einer am Zweck des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter orientierten Auslegung dieses Nichtigkeitsgrundes – fallbezogen den Anschein einer Unfairness gegenüber den Beschwerdeführern erweckt (vgl RISJustiz RS0121700 [T7], RS0119769; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 106, 109), war das Schöffengericht bei der Urteilsfällung nicht gehörig besetzt.
Die nicht gehörige Besetzung war für die Beschwerdeführer (nach objektiven Kriterien) erst nach Schluss der Verhandlung (§ 257 StPO) – hier zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung – erkennbar, weshalb – worauf sie zutreffend hinweisen – die in § 281 Abs 1 Z 1 zweiter Halbsatz StPO normierte Rügeobliegenheit (vgl zu dieser 13 Os 151/08t) nicht gilt (vgl [neuerlich] 11 Os 32/83 = EvBl 1984/94 = SSt 54/51 = RIS-Justiz RS0101626; Hager/Meller/Hetlinger, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung4 S 23; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 143).
Es waren daher die Schuldsprüche der Angeklagten Griselda C***** und Juan P*****, demgemäß auch die sie betreffenden Strafaussprüche sowie Aussprüche über den Verfall und privatrechtliche Ansprüche aufzuheben und in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung anzuordnen. Auf das weitere Beschwerdevorbringen war daher nicht einzugehen.
Aus Anlass der beiden Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass die vorgebrachte Kritik, wäre sie von den übrigen Angeklagten geübt worden, ebenfalls erfolgreich gewesen wäre, weil diese in der vorliegenden Konstellation – wie zuvor ausgeführt – ebenfalls keine Rügeobliegenheit getroffen hätte (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 10 f; RIS-Justiz RS0126218) und ein nachteiliger Einfluss aus der fehlerhaften Besetzung nicht ausgeschlossen werden kann. Es waren daher auch die Schuldsprüche der Angeklagten Jose B*****, Sergio S***** und Dileni A*****, demzufolge auch die sie betreffenden Strafaussprüche und Aussprüche über den Verfall sowie über die privatrechtlichen Ansprüche, aufzuheben.
Auf die kassatorische Entscheidung waren somit die Angeklagten Jose B*****, Sergio S***** und Dileni A***** mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden sowie sämtliche Angeklagten und die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen zu verweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein:
Ein Beitrag iSd § 12 dritter Fall StGB kann nur vor oder während der Ausführung der Tat bis zur (materiellen) Vollendung der strafbaren Handlung geleistet werden (RIS-Justiz RS0090346; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 94 mwN). Ein kausaler Beitrag zur Einfuhr von Suchtgift kann etwa in der vor oder während der Tat gemachten Zusage der Übernahme des geschmuggelten Suchtgifts liegen (vgl RIS-Justiz RS0087917, RS0088197).
Die Subsumtionen nach § 28a Abs 2 Z 1 und nach Abs 4 Z 1 SMG setzen voraus, dass der Täter „schon einmal wegen einer Straftat nach Abs 1 verurteilt worden ist“, womit nur solche Vortaten in Betracht kommen, die alle Tatbestandsmerkmale des § 28a Abs 1 SMG aufweisen. Soweit es sich dabei um eine nach § 73 StGB zu berücksichtigende ausländische Verurteilung handelt, ist eine dem § 28a Abs 1 SMG in der geltenden Fassung inhaltlich entsprechende Verurteilung notwendig (15 Os 5/14w; vgl auch RIS-Justiz RS0123175 [T5], RS0126985).
Des Weiteren müssen für eine Subsumtion nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG auch die Voraussetzungen des § 70 StGB (fallbezogen idgF [§§ 1, 61 StGB]) vorliegen. Soweit gewerbsmäßige Begehung auf § 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StGB gestützt wird, reicht eine einzige Verurteilung nur dann aus, wenn diese sowohl den Kriterien des § 28a Abs 2 Z 1 letzter Halbsatz SMG als auch jenen des § 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StGB entspricht und seit ihrer Rechtskraft bis zur folgenden Tat – abzüglich Zeiten behördlicher Anhaltung – nicht mehr als ein Jahr vergangen ist (§ 70 Abs 3 StGB; vgl RISJustiz RS0130966).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00078.16A.0124.000 |
Schlagworte: | Strafrecht |
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