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VfGH vom 04.12.2019, E1086/2018

VfGH vom 04.12.2019, E1086/2018

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im Anlassfall

Spruch

I.Die beschwerdeführende Partei ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II.Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

1.Die beschwerdeführende Partei hat auf Grundlage eines zum rückwirkend auf den abgeschlossenen Einbringungsvertrages im Zuge einer – ohne Gewährung einer Gegenleistung erfolgten – Einbringung gemäß ArtIII Umgründungssteuergesetz (im Folgenden: UmgrStG) Eigentum an einer näher bezeichneten Baurechtseinlage samt dazugehörigem Superädifikat (Sporthalle und Sportplätze) in der Marktgemeinde X. erworben.

Mit Kaufvertrag vom veräußerte die beschwerdeführende Partei das Baurecht samt Superädifikat an die Grundeigentümerin, die Marktgemeinde X., um einen Betrag in der Höhe von € 250.000,– und beantragte beim zuständigen Finanzamt am die "Zusendung eines aktuellen Einheitswertes" für das Superädifikat.

2.Mit Feststellungsbescheid vom stellte die Abgabenbehörde den Einheitswert zum im Zuge einer Wertfortschreibung unter Anwendung des Abgabenänderungsgesetzes 1982, BGBl 570, für die Baurechtseinlage mit € 294.900,– fest.

3.Die für den anlässlich der Einbringung durch Erwerb des Baurechtes verwirklichten Erwerbsvorgang anfallende Grunderwerbsteuer hat die beschwerdeführende Partei am , unter Zugrundelegung des von der Abgabenbehörde zum festgestellten Einheitswertes in Höhe von € 294.900,–, selbst berechnet und gemäß § 22 Abs 5 UmgrStG mit dem zweifachen Einheitswert bemessen, sodass sich eine Grunderwerbsteuer in Höhe von € 20.643,– ergab.

3.1.Am stellte die nunmehr beschwerdeführende Partei gestützt auf § 201 Abs 3 BAO den Antrag, die Grunderwerbsteuer für den Erwerbsvorgang auf Grundlage des (einfachen) Einheitswertes von € 294.900,– festzusetzen, in eventu mit dem gemeinen Wert von € 250.000,– zu bemessen. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, § 22 Abs 5 UmgrStG sei verfassungswidrig, da diese Bestimmung keine dem § 6 Abs 1 litb Grunderwerbsteuergesetz (im Folgenden: GrEStG) idF BGBl I 112/2012 vergleichbare Regelung enthalte, wonach ein niedrigerer gemeiner Wert nachgewiesen werden könne.

3.2.Mit Bescheid vom wies das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel den Antrag auf Festsetzung der Grunderwerbsteuer ab und setzte die Grunderwerbsteuer auf Grundlage des zuvor mit Bescheid der Abgabenbehörde vom festgestellten erhöhten Einheitswertes des Baurechtes iHv € 294.900,– unter Anwendung des Zweifachen des Einheitswertes gemäß § 22 Abs 5 UmgrStG fest.

3.3.Die dagegen von der beschwerdeführenden Partei erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom als unbegründet abgewiesen.

3.4.Mit Erkenntnis vom wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde im Kern mit der Begründung ab, dass nach dem Wortlaut des Einbringungsvertrages die Einbringung mit den rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen des UmgrStG durchgeführt werden sollte und im UmgrStG ausdrücklich der zweifache Einheitswert als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer bestimmt werde.

3.5.In ihrer auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerde macht die beschwerdeführende Partei mit näherer Begründung die Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs 5 Umgründungssteuergesetz (UmgrStG), BGBl 699/1991, in der Fassung BGBl I 71/2003 geltend.

4.Das Bundesfinanzgericht und das Finanzamt für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel legten die Gerichts- sowie Verwaltungsakten vor, sahen jedoch jeweils von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

5.Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 litb B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs 5 UmgrStG, BGBl 699/1991, in der Fassung BGBl I 71/2003 ein. Mit Erkenntnis vom , G156/2019, hob der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung als verfassungswidrig auf.

6.Die Beschwerde ist begründet.

Das Bundesfinanzgericht hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war. Die beschwerdeführende Partei wurde also durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.

7.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

8.Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2019:E1086.2018
Schlagworte:
VfGH / Anlassfall

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