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OGH vom 28.09.2017, 8ObS7/17p

OGH vom 28.09.2017, 8ObS7/17p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. TarmannPrentner und den Hofrat Dr. Brenn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Ferdinand Dietrich und Mag. Michaela Puhm in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S***** S*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei IEF Service GmbH, Geschäftsstelle Graz, 8020 Graz, Europaplatz 12, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17–19, wegen 4.475 EUR sA (Insolvenz-Entgelt), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Rs 3/17h22, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 43 Cgs 188/15h17, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war ab bei der späteren Insolvenzschuldnerin beschäftigt, das Arbeitsverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für Arbeiter im Gastgewerbe. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte am .

Nach Geburt eines Sohnes am befand sich die Klägerin bis einschließlich in Karenzurlaub nach dem MSchG. Nachdem sie am vom Dienstgeber nicht zur Arbeit zugelassen worden war, meldete sie mit Schreiben ihrer Vertretung vom Elternteilzeit vom bis im Ausmaß von 20 Wochenstunden an. In der Folge einigte sich die Klägerin mit dem Arbeitgeber über eine Wiederaufnahme der Arbeit am , die Frage der Elternteilzeit blieb dabei offen.

Am wurde das Arbeitsverhältnis vom Diensteber zum aufgekündigt. Die Klägerin erschien am zur Arbeit. Es kam zu keiner Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über die Elternteilzeit, eine Klage auf deren Gewährung wurde nicht erhoben.

Am brachte die Klägerin eine Mahnklage ein, mit der sie neben ausständigen Entgelten auch „Schadenersatz gemäß MSchG“ (Kündigungsentschädigung) in Höhe von 5.000 EUR brutto und 2.292 EUR Urlaubsersatzleistung sowie den Ersatz der Klagskosten begehrte. Der antragsgemäß erlassene Zahlungsbefehl erwuchs unbeeinsprucht in Rechtskraft.

Im Unternehmen des Arbeitgebers waren weniger als 20 Dienstnehmer beschäftigt, es bestand keine Betriebsvereinbarung.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragte die Klägerin die Zuerkennung von Insolvenz-Entgelt für eine Kündigungsentschädigung von 3.601 EUR (26. 9. bis ) und anteilige Urlaubsersatzleistung, von 1.681 EUR, dazu Zinsen und Kosten.

Die Beklagte lehnte mit dem klagsgegenständlichen Bescheid die Gewährung von Insolvenz-Entgelt für die begehrte Kündigungsentschädigung zur Gänze, für die Urlaubsersatzleistung einen Teilbetrag von 364 EUR sowie für insgesamt 510 EUR an Zinsen und Klagskosten ab. Die Klägerin habe die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Elternteilzeit nach § 15n MSchG nicht erfüllt.

Die Klägerin begehrt die Zuerkennung des abgelehnten Insolvenz-Entgelts in Höhe von insgesamt 4.475 EUR. Sie habe nach § 15n MSchG Kündigungs- und Entlassungsschutz genossen, nach der Kündigung des Arbeitgebers aber von ihrem Wahlrecht auf Geltendmachung von Schadenersatz Gebrauch gemacht. Der Kündigungsschutz dauere bei fehlender Einigung hypothetisch bis vier Wochen nach Beendigung des Gerichtsverfahrens auf Einwilligung des Dienstgebers in die Teilzeitbeschäftigung, er umfasse jedenfalls den geltend gemachten Zeitraum.

Die Beklagte wandte ein, die Klägerin habe trotz fehlender Einigung mit dem Arbeitgeber kein Verfahren auf Einwilligung in die Elternteilzeit angestrengt, sondern die Kündigung gegen sich gelten lassen. Sie könne danach keinen besonderen Kündigungsschutz mehr in Anspruch nehmen.

Das Erstgericht sprach der Klägerin (unbekämpft) 1.374 EUR sA an InsolvenzEntgelt zu, wobei es vom Ende des Bestandschutzes mit vier Wochen nach Erhalt des Kündigungsschreibens und einem Ende der Kündigungsfrist mit ausging.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Klägerin teilweise Folge.

Das Ende des Bestandschutzes sei dann, wenn die außergerichtlichen Verhandlungen ergebnislos blieben und keine Klage auf Einwilligung in die Teilzeitbeschäftigung eingebracht wurde, mit vier Wochen nach dem Scheitern der Verhandlungen anzusetzen. Davon ausgehend sei die Klägerin während des Bestandschutzes gekündigt worden. Danach habe sie keine Absicht mehr gehabt, das Dienstverhältnis fortzusetzen, weshalb der Erhalt des Kündigungsschreibens mit dem Ende des außergerichtlichen Verfahrens über die Teilzeitbeschäftigung gleichzusetzen sei. Der Bestandschutz habe vier Wochen danach, am , geendet, sodass eine Kündigung am unter Einhaltung der kollektivvertraglichen Frist von 14 Tagen zum möglich gewesen wäre. Der Klägerin seien daher die Ansprüche für weitere zwei Tage zuzuerkennen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Ablauf des Kündigungs- und Entlassungsschutzes bei Elternteilzeit bisher nur zu § 8d VKG bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Nach § 15n MSchG beginnt der Kündigungs- und Entlassungsschutz gemäß den §§ 10 und 12 MSchG grundsätzlich mit der Bekanntgabe, frühestens jedoch vier Monate vor dem beabsichtigten Antritt der Teilzeitbeschäftigung. Er dauert bis vier Wochen nach dem Ende der Teilzeitbeschäftigung, längstens jedoch bis vier Wochen nach dem Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes. Die Bestimmungen über den Kündigungs- und Entlassungsschutz gelten auch während eines Verfahrens nach den §§ 15k und 15 l MSchG.

Nach § 8f VKG beginnt der Kündigungs- und Entlassungsschutz grundsätzlich mit der Bekanntgabe der Teilzeitbeschäftigung, frühestens jedoch vier Monate vor dem beabsichtigten Antritt der Teilzeitbeschäftigung, nicht jedoch vor der Geburt des Kindes. Er dauert bis vier Wochen nach dem Ende der Teilzeitbeschäftigung, längstens jedoch bis vier Wochen nach dem Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes. § 7 Abs 3 MSchG ist anzuwenden. Die Bestimmungen über den Kündigungs- und Entlassungsschutz gelten auch während eines Verfahrens nach den §§ 8c und 8d VKG.

Diese Bestimmungen sind in ihrem wesentlichen Inhalt ident, sodass die zu § 8f VKG bestehende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 8 ObA 1/16d) sinngemäß auch für die Auslegung des § 15n MSchG einschlägig ist.

Die Klägerin hatte gemäß § 5h MSchG keinen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, weil der Betrieb weniger als 20 Dienstnehmer beschäftigte und keine Betriebsvereinbarung bestand.

Das Verfahren bei (möglicher) vereinbarter Teilzeitbeschäftigung ist in § 15 l MSchG geregelt. Kommt binnen zwei Wochen ab Bekanntgabe (des Wunsches) der Elternteilzeit keine Einigung zustande, so kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auf Einwilligung in eine Teilzeitbeschäftigung einschließlich deren Beginn, Dauer, Lage und Ausmaß klagen (§ 15 l Abs 1 MSchG). Während eines solchen Verfahrens gilt der Bestandschutz nach § 15n MSchG.

Das Verfahren gemäß § 15 l MSchG umfasst das innerbetriebliche Durchsetzungsverfahren ebenso wie das gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Teilzeitbeschäftigung. Der Kündigungs- und Entlassungsschutz ist (unter Berücksichtigung des frühestmöglichen Beginns) für den gesamten Zeitraum ab Meldung der Teilzeitbeschäftigung gegeben und während des außergerichtlichen und des gerichtlichen Verfahrens aufrecht. Das Ende des verfahrensbedingten Kündigungsschutzes kann daher spätestens vier Wochen nach dem Ergehen eines Urteils liegen, aber auch schon vorher eintreten, insbesondere wenn bei Nichteinigung über die Bedingungen der Teilzeitbeschäftigung keine Klage eingebracht wird. Tritt ein Kündigungs- und Entlassungsschutz nicht aufgrund anderer Bestimmungen ein, so läuft der Kündigungs- und Entlassungsschutz vier Wochen (Nachfrist) nach dem Ende des Verfahrens ab (8 Ob 1/16d; Schrittwieser in Burger-Ehrnhofer/Schrittwieser/Thomasberger, MSchG und VKG² 461; auch Ercher/Stech/Langer, MSchG und VKG § 15n MSchG Rz 2).

Da die Klägerin kein gerichtliches Verfahren zur Durchsetzung ihres Teilzeitwunsches eingeleitet hat, endete ihr Bestandschutz vier Wochen nach Beendigung des außergerichtlichen Verfahrens.

Die Beendigung der außergerichtlichen Verhandlungen ist mit jenem Zeitpunkt anzunehmen, zu dem die Arbeitnehmerin nach dem objektiven Horizont eines redlichen und verständigen Verhandlungspartners nicht mehr mit der Annahme ihres Angebots oder zumindest mit einer Gegenofferte des Dienstgebers rechnen darf (RISJustiz RS0013990; RS0013986; 8 Ob 1/16d). Davon ist auszugehen, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht, die das Dienstverhältnis noch vor dem gewünschten Antritt der Teilzeit beenden soll.

Wenn die Revision argumentiert, der Kündigungs- und Entlassungsschutz nach § 15n Abs 1 MSchG ende unmissverständlich erst vier Wochen nach dem Ende der Teilzeitbeschäftigung, setzt sie sich mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht auseinander, wonach diese Bestimmung schon wörtlich die tatsächliche Inanspruchnahme der Teilzeitbeschäftigung voraussetzt, wogegen der (vorläufige) Kündigungs- und Entlassungsschutz für die Dauer des Verfahrens nach § 15 und § 15 l MSchG im folgenden Satz gesondert geregelt ist.

Entgegen den Revisionsausführungen kann auch keine Rede sein, dass durch dieses Ergebnis ein rechtswidriges Vorgehen des Arbeitgebers honoriert würde. Die Beendigung des Kündigungsschutzes nach vier Wochen ab Scheitern des außergerichtlichen Verfahrens war vielmehr Konsequenz des Entschlusses der Klägerin, die Kündigung freiwillig gegen sich wirken zu lassen und keine Klage auf Einwilligung in die gewünschte Teilzeitbeschäftigung einzubringen, wodurch andernfalls der Ablauf der Schutzfrist unterbrochen worden wäre.

Ein Anspruch auf die gewünschte Teilzeitbeschäftigung stand der Klägerin mangels der Voraussetzungen des § 15h MSchG zum Zeitpunkt der Kündigung nicht zu. Dieser Anspruch wäre nur im Fall einer stattgebenden Gerichtsentscheidung in einem von ihr einzuleitenden Verfahren entstanden.

Der Revision war daher keine Folge zu geben. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit bestehen nicht.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBS00007.17P.0928.000
Schlagworte:
1 Generalabonnement,11 Arbeitsrechtssachen

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