OGH vom 18.06.2009, 13Os56/09y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmid als Schriftführer in der Strafsache gegen Oliver R***** wegen Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 zweiter Fall SMG, AZ 1 U 4/09z des Bezirksgerichts Saalfelden, über die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom , AZ 9 Ns 11/09z, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Salzburg beantragte am beim Bezirksgericht Saalfelden die Bestrafung Oliver R*****s wegen des Verdachts, am in H***** Cannabisprodukte und in S***** Cannabiskraut besessen zu haben (ON 9).
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Linz dem Antrag des Beschuldigten vom , die Strafsache an das Bezirksgericht Mattighofen zu delegieren (ON 11), nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Beschwerde des Beschuldigten ist - entgegen der solcherart verfehlten Rechtsmittelbelehrung - nicht zulässig.
Die StPO kennt nämlich kein generelles Beschwerderecht an den übergeordneten Gerichtshof. Stattdessen und mit auffallend unterschiedlicher Textierung eröffnet § 87 Abs 1 StPO in den dort angeführten Fällen „Beschwerde an das Rechtsmittelgericht". Soweit kein Rechtsmittelgericht - maW kein gesetzlicher Richter - besteht, ist daher auch keine Beschwerde zulässig.
Rechtsmittelgerichte für Beschwerden gegen Beschlüsse (§ 35 Abs 2 StPO) sind das Landesgericht nach § 31 Abs 5 Z 1 StPO, das Oberlandesgericht nach § 33 Abs 1 Z 1 StPO und der Oberste Gerichtshof nach § 34 Abs 1 Z 3 StPO sowie nach Maßgabe der §§ 270 Abs 3, 271 Abs 7 und 498 Abs 3 StPO. Zwar nennt § 34 Abs 1 Z 5 StPO auch Kompetenzkonflikte und Delegierungen; durch den Klammerverweis auf §§ 38 und 39 StPO wird aber unmissverständlich klargestellt, dass darunter nur Entscheidungen als gemeinsam übergeordnetes Gericht im Fall eines negativen Kompetenzkonflikts (§ 38 letzter Satz StPO) und über Delegierungen an ein anderes Oberlandesgericht oder an ein Gericht im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts (§ 39 Abs 1 letzter Satz StPO) gemeint sind (vgl auch 12 Os 119/08d, EvBl-LS 2009/24, 141 über die Unanfechtbarkeit einer nach § 364 Abs 2 Z 3 StPO von einem Rechtsmittelgericht getroffenen Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand).
Den EBRV StPRG (der JAB StPRG enthält keine Aussage dazu) kann generelle, vom Begriff des Rechtsmittelgerichts unabhängige Beschwerdezulässigkeit nicht entnommen werden, sodass die auf das Rechtsmittel der Beschwerde bezogene Wortfolge „an das Rechtsmittelgericht" keineswegs - methodisch bedenklich - als überflüssig bezeichnet werden darf.
Zu § 87 StPO führen die EBRV StPRG vielmehr bloß aus (115 f): „Der allgemeine Begriff 'Rechtsmittelgericht' wurde im Hinblick auf das bezirksgerichtliche Verfahren gewählt; Rechtsmittelgericht ist daher nach § 31 Abs 5 das Landesgericht oder nach § 31 Abs 1 Z 1 das Oberlandesgericht."
Zu §§ 33 f StPO heißt es wörtlich (55): „Das Oberlandesgericht entscheidet im Rahmen seines Wirkungsbereichs nach Abs 1 Z 1 bis 4 über alle Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen des Landesgerichts als Einzelrichter (sowohl im Ermittlungs- als auch im Hauptverfahren), über ... Kompetenzkonflike (§ 38) und über Delegierungen (§ 39) ... Die allgemeine Bestimmung der Z 5 (gemeint: Z 6) des Abs. 1 soll Kompetenzen des Oberlandesgerichts, wie sie etwa § 41 GebAG vorsieht, abdecken. Der Zuständigkeitsbereich des Obersten Gerichtshofs wird nicht berührt. Lediglich aus systematischen Gründen werden in Abs. 1 Z 1 bis 5 die bedeutsamsten sachlichen Zuständigkeiten und in Abs. 2 die Zusammensetzung der Senate samt ihrer funktionalen Zuständigkeiten überblicksweise dargelegt. Die generelle Norm zur Zuständigkeit in der Z 6 des Abs. 1 umfasst beispielsweise auch die Kompetenz des Obersten Gerichtshofes über Beschwerden gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts nach § 41 GebAG zu entscheiden. Im Übrigen wird auf die bezughabenden Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Obersten Gerichtshof verwiesen."
Logisch-systematische Überlegungen fordern ebenfalls nicht generell Beschwerdezulässigkeit an das jeweils (unmittelbar) übergeordnete Gericht. Stattdessen bieten die einschlägigen Verfahrensanordnungen ein uneinheitliches Bild.
So benennen §§ 8a Abs 3, 15 Abs 1, 18 Abs 2, 20 Abs 4, 36 Abs 4, 38a Abs 2 und 41 Abs 5 MedienG sowie §§ 40 Abs 2 und 41 Abs 4 SMG ausdrücklich das übergeordnete Gericht als Rechtsmittelgericht. § 4 Abs 4 Amnestie 1985 (BGBl 204), §§ 4 Abs 4, 5 Abs 3 und 7 Abs 3 Amnestie 1995 (BGBl 350), § 41 Abs 1 GebAG,§ 85 Abs 2 GOG, §§ 52d Abs 3, 53d Abs 4 EU-JZG, §§ 202 Abs 4, 229 Abs 1 und Abs 4, 242 Abs 4 FinStrG,§ 16 Abs 3 des BG über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten, BGBl 1996/263, sowie §§ 26 Abs 8 und 41 Abs 2 des BG über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof, BGBl I 2002/135 idF BGBl I 2008/2, machen als Rechtsmittelgericht - gleichermaßen explizit - den Gerichtshof zweiter Instanz namhaft. Dagegen nennen § 46 Abs 1 EU-JZG sowie §§ 209 Abs 2, 430 Abs 5 und - vom vorstehend genannten Sonderfall abgesehen - § 498 StPO kein Rechtsmittelgericht. § 373a Abs 8 StPO hinwieder führt das übergeordnete Gericht als Rechtsmittelgericht an, §§ 243, 270 Abs 3 und 271 Abs 7 StPO, § 20 Abs 3 EU-JZG sowie - indirekt - § 31 Abs 6 ARHG bezeichnen schließlich das Oberlandesgericht als Rechtsmittelgericht.
Aus den im StVG durch BGBl I 2007/93 vorgenommenen Änderungen, die anstatt der früheren Beschwerde an den übergeordneten Gerichtshof bzw den Gerichtshof zweiter Instanz nunmehr pauschal auf die Bestimmungen der StPO verweisen, ohne dass den GMat über den Sinn der Änderungen Näheres zu entnehmen wäre, ist nichts weiter zu gewinnen.
Allerdings lässt sich den vorstehend zitierten Erwägungen der EBRV StPRG eindeutig entnehmen, dass mit an der Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs als Rechtsmittelgericht keine Änderung eintreten sollte (vgl auch § 236 Abs 3 idF vor und nach BGBl I 2007/93), während - von ausdrücklichen Ausnahmen abgesehen (vgl §§ 45 Abs 3, 89 Abs 5, 196 Abs 1, 226 Abs 4, 229 Abs 3 und 238 Abs 3 StPO) - gegen jeden nicht als Rechtsmittelgericht (§ 31 Abs 5 Z 1 StPO) oder nach § 38 StPO gefassten Beschluss (§ 35 Abs 2 StPO) des Landesgerichts eine Beschwerde an das Oberlandesgericht als Rechtsmittelgericht zulässig sein sollte. Letzteres wird nachdrücklich dadurch bestätigt, dass die Anführung des übergeordneten Gerichtshofs bzw des Gerichtshofs zweiter Instanz als Rechtsmittelgericht in Hinsicht auf §§ 209 (zuvor § 90l Abs 4), 357, 392, 393a, 395, 400, 409a, 410, 445a, 486 und 498 StPO sowie § 46 EU-JZG mit Wirkung vom beseitigt wurde (vgl auch den durch BGBl I 2007/93 eliminierten Rechtsmittelausschluss in § 237 Abs 1 StPO; wie hier: Ratz, WK-StPO Vorbem zu §§ 280 bis 296a Rz 6; zu pauschal: Fabrizy, StPO10 § 87 Rz 1, Bertel/Venier Strafprozessrecht³ Rz 168).
So gesehen ist § 33 Abs 1 Z 1 StPO insoweit lückenhaft, als darin ausdrücklich nur Entscheidungen des Landesgerichts als Einzelrichter nach § 31 Abs 1 und 4 StPO genannt werden. Dagegen ist eine Lücke im - anders als § 33 Abs 1 Z 1 StPO nach der Aussage der GMat nicht konstitutiv angelegten - § 34 StPO nicht auszumachen. Gleiches gilt für das Oberlandesgericht in Betreff von nach § 38 StPO getroffenen Entscheidungen des Landesgerichts (vgl zuletzt die Klarstellung in Art 18 Z 7 RV BudgetbegleitG 2009).
Die Beschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen.