OGH vom 13.09.2019, 10ObS70/19w

OGH vom 13.09.2019, 10ObS70/19w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau, den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. A*****, vertreten durch Mag. Natalie König-Bechter, LL.M., Rechtsanwältin in Bregenz, gegen die beklagte Partei Vorarlberger Gebietskrankenkasse, 6850 Dornbirn, Jahngasse 4, vertreten durch Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 210 Rs 1/19x-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 34 Cgs 147/17b-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I) Der Schriftsatz der beklagten Partei vom wird zurückgewiesen.

II) Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 104,42 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

I) Nach Erhebung der Revision brachte die beklagte Partei am einen weiteren Schriftsatz („Ergänzendes Vorbringen“) ein. Abgesehen davon, dass er schon deshalb zurückgewiesen werden muss, weil er lange nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingebracht wurde, steht nach dem Grundsatz der „Einmaligkeit des Rechtsmittels“ jeder Partei im Rechtsmittelverfahren nur ein Schriftsatz zu (RS0041666).

II) Die Klägerin bezog für ihren am geborenen Sohn das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in der Variante 12 + 2 für den Zeitraum bis in Höhe von gesamt 7.101,60 EUR.

In diesem Zeitraum war die Klägerin vorwiegend zu Hause und betreute ihr Kind. Sie erzielte während des Zeitraums bis lediglich Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 294,89 EUR.

Erstmals grenzte die Klägerin diese Einkünfte für diesen Zeitraum gegenüber der Beklagten mit E-Mail vom ab.

Mit Bescheid vom widerrief die beklagte Gebietskrankenkasse die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens für den Zeitraum bis in Höhe der Überschreitung der Zuverdienstgrenze und verpflichtete die Klägerin zum Rückersatz dieser Leistung in Höhe von 7.101,60 EUR.

Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass der Anspruch der Beklagten auf Rückersatz nicht zu Recht bestehe, weil ihre maßgeblichen Einkünfte im Bezugszeitraum die Zuverdienstgrenze nicht überschritten hätten.

Die Beklagte wandte dagegen ein, dass die Klägerin die von § 8 Abs 1 Z 2 KBGG geforderten Nachweise nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erbracht habe, sodass sie zur Rückforderung berechtigt sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Klägerin habe die Zuverdienstgrenze objektiv nicht überschritten. Die Unterlassung der fristgerechten Zuordnungserklärung gemäß § 8 Abs 1 Z 2 Satz 3 KBGG schade nicht.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Sei die Zuverdienstgrenze des § 24 Abs 1 Z 3 KBGG nicht objektiv überschritten worden, rechtfertige auch die Unterlassung einer fristgerechten Zuordnungserklärung nicht die Rückforderung der Leistung. Hier habe die Klägerin überdies den Nachweis zur Abgrenzung ihrer Einkünfte noch vor Erlassung des bekämpften Rückforderungsbescheids vorgenommen. Der Verwaltungsgerichtshof sei in seinem Erkenntnis Ra 2018/03/0085 zwar zur Rechtsansicht gelangt, dass die in § 8 Abs 1 Z 2 KBGG normierte Frist materiell-rechtlicher Natur sei. An diese Rechtsansicht seien die Gerichte jedoch nicht gebunden. Die Revision sei im Hinblick auf die divergierende Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs im genannten Erkenntnis zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage und Verpflichtung der Klägerin zum Rückersatz der empfangenen Leistung begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die mittlerweile ergangene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht zulässig.

1. Im Revisionsverfahren ist ausschließlich die Berechtigung der beklagten Gebietskrankenkasse zu klären, das vom bis gewährte Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens zurückzufordern, wenn die beziehende Mutter (Klägerin) ihre Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nicht innerhalb der zweijährigen Frist des § 8 Abs 1 Z 2 Satz 3 KBGG abgrenzte und die maßgeblichen Einkünfte für das gesamte Kalenderjahr des Bezugs (nicht aber die für den Anspruchszeitraum iSd § 8 Abs 1 Z 1 Satz 4 iVm § 8 Abs 1 Z 2 letzter Satz KBGG idF BGBl I 2013/117 ermittelten und auf das Kalenderjahr hochzurechnenden Einkünfte) die Zuverdienstgrenze des § 24 Abs 1 Z 3 KBGG überstiegen.

2. Die Vorinstanzen verneinten dies im Sinn der ausführlich begründeten Entscheidung 10 ObS 146/17v vom und gaben dem Feststellungsbegehren der Klägerin statt.

3. Der Oberste Gerichtshof hat mittlerweile in mehreren Entscheidungen an den zu 10 ObS 146/17v dargelegten Grundsätzen festgehalten und die von der Beklagten auch hier gebrachten Argumente verworfen (10 ObS 15/19g; 10 ObS 20/19t; 10 ObS 22/19m; 10 ObS 35/19y; RS0132593). In diesen – erst nach dem Urteil des Berufungsgerichts ergangenen – Entscheidungen erfolgte insbesondere auch eine Auseinandersetzung mit der vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage. Danach besteht – worauf das Berufungsgericht zutreffend hinwies – keine Bindung an die Begründung eines Bescheids einer Verwaltungsbehörde bzw an die auf einen bestimmten Sachverhalt gestützte Beurteilung der Rechtsfrage. Eine solche Bindung liefe im Übrigen auf eine im sozialgerichtlichen Verfahren nicht gegebene partielle Bindung der Gerichte an Teilergebnisse des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens hinaus.

4. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass der Nachweis der Abgrenzung der Einkünfte nach § 8 Abs 1 Z 2 KBGG des Elternteils, der das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens bezogen hat, für Geburten von bis – also auch im vorliegenden Fall – gemäß § 50 Abs 24 KBGG idF BGBl I 2019/75 bis zum erbracht werden kann und auch daher im vorliegenden Fall fristgerecht erfolgte. § 24 Abs 1 Z 3 KBGG idF BGBl I 2019/75 tritt gemäß § 50 Abs 25 KBGG erst mit in Kraft.

Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG, die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00070.19W.0913.000

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