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VfGH vom 19.02.2015, E1045/2014

VfGH vom 19.02.2015, E1045/2014

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz und Zurückverweisung der Sache hins der Rückkehrentscheidung mangels Auseinandersetzung mit der Verfolgung des Beschwerdeführers wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundeverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am einen Antrag auf Internationalen Schutz. In der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen Folgendes an:

"Mein Bruder hat mit einem Kommandant namens A[…,] für den er als Lenker gearbeitet hat, Probleme bekommen. A[…] hat ihn zu [U]nrecht beschuldigt, Geld von ihm gestohlen zu haben. Mein Bruder wurde mit dem Tod bedroht. Aus Angst um sein Leben hat er auch mich mitgenommen. Wenn ich dort geblieben wäre, hätte dieser Kommandant mich an seiner Stelle umgebracht. Aus diesem Grund mussten wir Afghanistan verlassen."

Das Bundesasylamt führte ein Ermittlungsverfahren durch und wies mit Bescheid vom den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005) ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.) und wies ihn gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt III.). Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass vom Beschwerdeführer kein glaubhaftes Vorbringen erstattet worden sei, weil auch dem – mit dem Beschwerdeführer gemeinsam aus Afghanistan geflüchteten – Bruder des Beschwerdeführers eine Glaubhaftmachung seines Vorbringens nicht gelungen sei; für den Beschwerdeführer bestehe in Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative.

2. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof. Der Asylgerichtshof führte am eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Bruder des Beschwerdeführers, dessen Rechtssache unter einem verhandelt wurde, erstattete ein detailliertes Vorbringen zu seinem Fluchtgrund: Er werde von seinem ehemaligen Arbeitgeber verfolgt, weil ihm dieser vorwerfe, Geld entwendet zu haben. In einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten vom bestätigt eine länderkundige Sachverständige u.a. die Angaben des Bruders des Beschwerdeführers betreffend die Person seines Dienstgebers. Am führte das Bundesverwaltungsgericht eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung durch, im Zuge derer u.a. das Gutachten erörtert und neben dem Bruder des Beschwerdeführers auch diesem Informationsmaterial zur politischen und menschenrechtlichen Situation in seinem Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht wurde; der Beschwerdeführer verzichtete darauf, sich zu diesem Informationsmaterial zu äußern.

3. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde des Bruders des Beschwerdeführers mit Erkenntnis vom gemäß § 3 AsylG 2005 ab, erkannte diesem jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 zu und erteilte ihm gemäß § 8 Abs 4 leg.cit. eine bis zum befristete Aufenthaltsberechtigung. Das Bundesverwaltungsgericht stellt dazu fest, dass dem Bruder des Beschwerdeführers durch seinen ehemaligen Dienstgeber im Zusammenhang mit einer ihm unterstellten Veruntreuung eines hohen Geldbetrages Verfolgung drohe, diese jedoch nicht asylrelevant sei, weil es an einem Zusammenhang mit einem in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Fluchtgrund fehle. Dem Bruder des Beschwerdeführers wurden im Wesentlichen deshalb subsidiärer Schutz sowie eine befristete Aufenthaltsberechtigung zuerkannt, weil für ihn wegen der Bedrohung auf Grund der unterstellten Veruntreuung eine Rückkehr in den Heimatort – wo er über familiären Anschluss verfüge – nicht möglich sei und ihm in Kabul – ohne Familienanschluss – eine Verletzung von Art 3 EMRK drohe.

4. Mit dem vorliegenden Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom wird die Beschwerde des Beschwerdeführers gemäß §§3 und 8 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen und das Verfahren betreffend seine Ausweisung gemäß § 75 Abs 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Diese Erkenntnis ist im Wesentlichen wie folgt begründet:

"Feststellungen (Sachverhalt):

[…]

Der Beschwerdeführer stammt aus Mazar-e Sharif, Provinz Balkh, und seine Familienangehörigen – insbesondere seine Mutter und Schwester – leben auch weiterhin in Mazar-e Sharif.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung durch den früheren Dienstgeber seines Bruders im Zusammenhang mit einer diesem unterstellten Veruntreuung eines hohen Geldbetrages droht.

Eine im Fall der Rückkehr nach Afghanistan drohende Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit kann nicht festgestellt werden. Auch haben sich keine Anhaltpunkte ergeben, dass eine Asylantragstellung im Ausland oder eine rechtswidrige Ausreise zu Sanktionen oder Repressionen in Afghanistan führen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war bzw. ihm solche Verfolgung im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers – insbesondere zur aktuellen Versorgungslage – wird anhand der in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen Folgendes festgestellt:

ln der Provinz Balkh haben sich die Anschläge bewaffneter regierungsfeindlicher Gruppierungen von 2011 bis 2013 um 41% verringert.

Die humanitäre Situation bleibt schwierig. Neben der Versorgung der vielen Rückkehrer und Binnenvertriebenen stellt v.a. die chronische Unterversorgung in Konfliktgebieten im Süden und Osten das Land vor große Herausforderungen. Rückkehrer können auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art vor allem dann stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem (westlich geprägten) Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.

Gemäß UNHCR waren rund 40% der Rückkehrenden nicht in der Lage, sich in ihren Heimatgemeinden wieder zu integrieren, was zu einer signifikanten zweiten Vertreibung geführt hat. Bis zu 60% der Rückkehrenden kämpfen ' mit Schwierigkeiten, sich in Afghanistan wieder einzugliedern. Erschwert wird die Wiedereingliederung durch die anhaltend prekäre Sicherheitslage, den Verlust der Lebensgrundlage, den fehlenden Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen sowie durch die Herausforderungen bei der Einforderung von Land und Besitz.

Wenn es sich bei einem vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet um einen urbanen Raum handelt, in dem der Rückkehrer keinen Zugang zu einer vorher ermittelten Unterkunft und zu Erwerbsmöglichkeiten hat, und in dem er nach vernünftigem Ermessen nicht auf ein sinnvolles Unterstützungsnetzwerk zurückgreifen kann, dann gerät der Rückkehrer wahrscheinlich in eine mit anderen urbanen Binnenvertriebenen vergleichbare Situation. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Binnenvertriebene als zu den schutzbedürftigsten Gruppen in Afghanistan gehörend gesehen werden und viele von ihnen sich außerhalb der Reichweite humanitärer Hilfsorganisationen befinden. Nach verfügbaren Informationen sind in urbanen Gebieten lebende Binnenvertriebene noch schutzbedürftiger als nicht vertriebene arme Stadtbewohner und insbesondere von Arbeitslosigkeit, beschränktem Zugang zu angemessener Unterkunft, beschränktem Zugang zu Wasser und sanitären Anlagen sowie von Lebensmittelunsicherheit betroffen.

[…] Beweiswürdigung:

[…]

Eine Bedrohung des Beschwerdeführers durch den ehemaligen Dienstgeber seines Bruder konnte nicht festgestellt werden, zumal sich aus den Angaben sowohl des Beschwerdeführers als auch seines Bruders vor dem Bundesasylamt, in den jeweiligen Rechtsmittelschriften sowie in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof keinerlei konkrete Hinweise auf eine Bedrohung des Beschwerdeführers ergeben haben. Da erstmals in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am behauptet wurde, dass auch konkret nach dem Beschwerdeführer gesucht worden sei, dies vor dem Bundesasylamt aber in keiner der Einvernahmen des Beschwerdeführers und seines Bruders Erwähnung gefunden hat und eine unmittelbare Bedrohung des Beschwerdeführers sogar ausdrücklich verneint wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr zu seiner Familie diesbezüglich Verfolgung droht, zumal auch die Familie des Beschwerdeführers unbehelligt im Haus des Schwiegervaters des Bruders des Beschwerdeführers leben kann.

[…] Rechtliche Beurteilung

[…]

Wie aus den Feststellungen hervorgeht, ist gegenständlich mangels hinreichender Anhaltspunkte nicht mit maßgebender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Verfolgungshandlungen ausgesetzt wäre.

Da sich sohin weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus internationalen Länderberichten hinreichende Anhaltspunkte für eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers ergeben haben, ist kein unter Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumierender Sachverhalt ableitbar.

[…]

Der Beschwerdeführer ist in Mazar-e Sharif aufgewachsen und hat dort bis zu seiner Ausreise gelebt. Seine Familie lebt noch immer dort. Mazar-e Sharif ist mit dem Flugzeug erreichbar. Es kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer, einem jungen gesunden Mann, im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und dadurch die Schwelle des Artikel 3 EMRK überschritten wäre, zumal er in Mazar-e Sharif über ein hinreichendes familiäres Netz verfügt. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer wieder mit seiner Familie zusammenleben kann und diese ihn – eventuell auch unter neuerlicher Einbeziehung des Schwiegervaters des Bruders des Beschwerdeführers – unterstützen kann, bis der Beschwerdeführer durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit seinen notwendigen Lebensunterhalt aus Eigenem bestreiten kann. Zumal auch die Sicherheitslage in Mazar-e Sharif, Provinz Balkh, als relativ friedlich bezeichnet werden kann, erscheint aufgrund der konkreten Umstände des vorliegenden Falles eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Mazar-e Sharif nicht grundsätzlich als ausgeschlossen und aufgrund der individuellen Situation insgesamt auch als zumutbar." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

5. In der gegen dieses Erkenntnis gemäß Art 144a B VG (richtig: Art 144 B VG) erhobenen Beschwerde wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art 2 und 8 EMRK behauptet und (undifferenziert) die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen "Urteil[s]" beantragt.

6. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und beantragt, "das Rechtsmittel abzuweisen".

II. Erwägungen

1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

3. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

3.1. Das Bundesverwaltungsgericht geht im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Bruders des Beschwerdeführers sowie auf Grund eines Gutachtens einer länderkundigen Sachverständigen davon aus, dass der Bruder des Beschwerdeführers von seinem ehemaligen Dienstgeber wegen der ihm unterstellten Veruntreuung von Bargeld gesucht werde und ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch eine Privatperson drohe. Dieser – mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend den Bruder – festgestellten und für glaubhaft erachteten Verfolgung des Bruders stellt das Bundesverwaltungsgericht lediglich gegenüber, dass sich keinerlei konkrete Hinweise auf eine Bedrohung des Beschwerdeführers selbst ergeben hätten und die Familie des Beschwerdeführers unbehelligt im Haus des Schwiegervaters des Bruders leben könne, sodass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung durch den früheren Dienstgeber seines Bruders sowie auf Grund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit drohe. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich in der Entscheidung auf eine Reihe namentlich bezeichneter Länderberichte unterschiedlicher Organisationen, deren Inhalt im Erkenntnis jedoch nicht wiedergegeben wird; das Bundesverwaltungsgericht trifft lediglich die unter I.4. wiedergegebenen Feststellungen zur Heimatregion des Beschwerdeführers.

3.2. Das Bundesverwaltungsgericht setzt sich in der Entscheidung an keiner Stelle mit dem geltend gemachten Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander, dass er wegen einer Handlung seines Bruders und somit wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK (s. ) verfolgt werde. Bereits in der Erstbefragung hat – wie der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes selbst zu entnehmen ist – der Beschwerdeführer angegeben, dass er fürchte, an Stelle seines Bruders getötet zu werden. Im Laufe des Verfahrens hielt der Beschwerdeführer dem Wesentlichen nach unverändert an diesem Vorbringen fest und erstattete nähere Angaben zu seiner Befürchtung, wegen seines Bruders verfolgt zu werden. Das Bundesverwaltungsgericht trifft jedoch zum geltend gemachten Fluchtgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie – anders als noch das Bundesasylamt – keinerlei Feststellungen zur diesbezüglichen Situation in Afghanistan und setzt sich auch nicht mit diesem Fluchtgrund auseinander. Vor dem Hintergrund der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Bruders in dem ihn betreffenden Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG , W127 1422722-1/15E) und der inhaltlich gleichbleibenden Aussagen des Beschwerdeführers stellt das gänzliche Unterlassen von Ausführungen zu diesem Vorbringen einen Verfahrensmangel dar, der als Willkür zu qualifizieren ist.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Bundesasylamt in seiner Entscheidung Feststellungen zur Frage der "Blutrache" in Afghanistan trifft und unter Hinweis darauf feststellt, dass auch Verletzungen von Eigentumsrechten zur "Blutrache" führen können. Wie der Verfassungsgerichtshof nämlich in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, müssen "die für die bekämpfte Entscheidung maßgeblichen Erwägungen […] aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen" (vgl. zB und VfSlg 18.632/2008, 18.741/2009). Das Bundesverwaltungsgericht hat weder auf die entsprechenden Feststellungen des Bundesasylamtes Bezug genommen, noch hat es sich in ausreichender und nachvollziehbarer Weise in der Begründung der Entscheidung mit dieser Frage auseinandergesetzt; das Bundesverwaltungsgericht beschränkt sich auf wenige allgemein gehaltene Ausführungen, denen zudem für den vorliegenden Fall kaum Begründungswert zukommt.

III. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

1. Die Entscheidung ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbingen einzugehen ist.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist die Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:E1045.2014